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Mandantenbrief 01/2022
- Für alle Steuerpflichtigen: Vorsicht vor Betrugs-E-Mails im Namen des Bundeszentralamts für Steuern
- Für alle Steuerpflichtigen: Kosten der Berufsausbildung steuermindernd einsetzen!
- Für alle Steuerpflichtigen: Aufwendungen für eine Liposuktion als außergewöhnliche Belastung
- Für alle Steuerpflichtigen: Wie hoch darf das Vermögen des Unterhaltsempfängers beim Unterhaltsfreibetrag nach § 33a EStG sein?
- Für alle Steuerpflichtigen: Liegt ein privates Veräußerungsgeschäft vor, wenn die Wohnung an das Kind und (!) den ehemaligen Partner überlassen wird?
- Für alle Steuerpflichtigen: Ordnungsmäßigkeit eines Fahrtenbuches trotz kleinerer Mängel und Ungenauigkeiten
- Für Berufssportler: Werbungskostenabzug einer Sportunfähigkeitsversicherung?
- Für erbende Unternehmer: Das Problem des nicht begünstigten Verwaltungsvermögens bei der Erbschaftsteuer
- Für Unternehmer: Was gilt bei der Betriebsaufspaltung mit minderjährigen Kindern?
1. Für alle Steuerpflichtigen: Vorsicht vor Betrugs-E-Mails im Namen des Bundeszentralamts für Steuern
Normalerweise liefen wir Ihnen an dieser Stelle nur eine Berichterstattung über steuerliche Änderungen durch Gesetzesvorhaben, Verwaltungsanweisungen und Rechtsprechung sowie Tipps und Tricks für den praktischen Umgang. Aktuell erlauben wir uns auch eine Warnung des Bundeszentralamts für Steuern weiterzugeben, da es in jüngster Vergangenheit gehäuft zu sogenannten Betrugs-E-Mails gekommen ist. Im Folgenden geben wir daher die Warnung des Bundeszentralamt für Steuern wieder:
Seit einiger Zeit versuchen Betrüger über die E-Mail-Adresse "steuerzahler@bzst.tax-official.com" an Informationen von Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern zu gelangen.
Sie versenden E-Mails mit dem Titel „Bekanntmachung über die Steuererklärung“ über die oben genannte E-Mail-Adresse und behaupten, die betroffenen Bürger könnten über einen Link weitere Informationen zu ihrem Anspruch auf Steuererstattung erhalten.
Das Bundeszentralamt für Steuern warnt ausdrücklich davor, auf diese Betrugs-E-Mails zu reagieren bzw. den Link in der E-Mail zu öffnen. Damit Sie auch die Möglichkeit haben, entsprechende Betrugs-E-Mails zu erkennen, nennt das Bundeszentralamt für Steuern folgende Kriterien, die Ihnen dabei helfen sollen:
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Steuerbescheide und Zahlungsaufforderungen werden vom Bundeszentralamt für Steuern nur per Brief zugestellt, niemals per E-Mail. Etwas anderes gilt nur dann, wenn Sie einer Kontaktaufnahme per E-Mail ausdrücklich zugestimmt haben.
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Zahlungen sind ausnahmslos per Überweisung auf ein inländisches Konto der Bundeskasse zu leisten.
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Die Fälschungen sind oftmals in schlechtem Deutsch mit Rechtschreibfehlern verfasst. Häufig werden Fachbegriffe falsch verwendet.
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Echte Bescheide tragen immer den Namen und die Telefonnummer der/des verantwortlichen Bearbeiterin / Bearbeiters.
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Das Bundeszentralamt für Steuern wird Sie niemals bitten, für die Zahlung einer vermeintlichen Steuerschuld einem übersandten Link zu folgen und dort ein Formular auszufüllen.
Hinweis: Kontaktieren Sie das Bundeszentralamt für Steuern, wenn Ihnen etwas derartiges auffällt. Da das Bundeszentralamt für Steuern ein starkes Interesse daran hat, dass niemand durch solche betrügerischen Fälschungen geschädigt wird, bitten wir Sie, bei dem geringsten Verdacht Kontakt mit dem Bundeszentralamt für Steuern aufzunehmen. Helfen Sie mit, solche Fälschungen aufzudecken und senden Sie verdächtige E-Mails und ggf. weitere Informationen mit Ihren Kontaktdaten an das Bundeszentralamt für Steuern. Sie erhalten eine Rückmeldung, wie Sie sich am besten verhalten sollen. Für den Kontakt mit dem Bundeszentralamt für Steuern stehen Ihnen die folgenden Wege offen:
Telefon: +49 (0)228 406 - 0
Fax: +49 (0)228 406 - 2661
E-Mail: poststelle@bzst.bund.de
De-Mail: poststelle@bzst.de-mail.de
Postanschrift: Bundeszentralamt für Steuern, 53221 Bonn
2. Für alle Steuerpflichtigen: Kosten der Berufsausbildung steuermindernd einsetzen!
Gerade Berufsausbildungskosten können erheblich sein, weshalb es von besonderer Bedeutung ist, dass diese Aufwendungen auch steuermindernd zum Einsatz kommen können. De facto ist die Möglichkeit der Steuerminderung für Aufwendungen der Berufsausbildung jedoch durchaus eingeschränkt. Grund dafür ist die Regelung des § 9 Abs. 6 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Danach können nämlich Aufwendungen des Steuerpflichtigen für seine Berufsausbildung oder für sein Studium nur dann als Werbungskosten abgezogen werden, wenn der Steuerpflichtige zuvor bereits eine Erstausbildung abgeschlossen hat. Dabei kann es sich bei der Erstausbildung sowohl um eine übliche Berufsausbildung als auch um ein abgeschlossenes Studium handeln. Neben dieser Alternative können Aufwendungen für die Berufsausbildung jedoch auch dann noch als Werbungskosten abgezogen werden, wenn die Berufsausbildung oder das Studium im Rahmen eines Dienstverhältnisses stattfinden.
Kommt keine der Varianten in Betracht, können Aufwendungen für die eigene Berufsausbildung nur noch im Bereich der Sonderausgaben nach § 10 Abs. 1 Nummer 7 EStG steuermindernd in Abzug gebracht werden. Das rein praktische Problem an dieser Regelung: Die Aufwendungen für die Berufsausbildungskosten können in diesem Fall jährlich nur bis zu einem Höchstbetrag von 6.000 Euro steuermindernd angesetzt werden.
Vor diesem Hintergrund muss der Bundesfinanzhof in München unter dem Aktenzeichen VI R 42/20 nun klären, ob Aufwendungen für eine nicht im Rahmen eines Dienstverhältnisses absolvierte Ausbildung zum Berufspiloten als vorab entstandene Werbungskosten abzugsfähig sind. Konkret geht es dabei um die Frage, ob eine Erstausbildung vorgelegen hat. Und noch konkreter geht es um die Frage, ob die Ausbildung zum Rettungshelfer im Rahmen des Zivildienstes eine Erstausbildung im Sinne der vorgenannten Regelung darstellt.
Im Streitfall möchte der Steuerpflichtige die Aufwendungen für seine Pilotenausbildung als vorweggenommene Werbungskosten bei seinen Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit abziehen. Dabei beruft er sich auf die absolvierte Ausbildung zum Rettungshelfer und führt diese als Erstausbildung an. Tatsächlich hat die Ausbildung jedoch nur ca. sechs Wochen gedauert und lediglich 320 Stunden Theorie und Praxis umfasst. Dennoch argumentiert der Steuerpflichtige, dass er mit der Ausübung des anerkannten Berufs eines Rettungshelfers seinen Lebensunterhalt hätte finanzieren können und es sich dementsprechend bei der Ausbildung um eine Erstausbildung im Sinne der gesetzlichen Vorschrift handelt. Die Argumentation ist daher durchaus schlüssig.
Immerhin gilt es zu bedenken, dass der Bundesfinanzhof bereits in seiner Entscheidung vom 27.10.2011 unter dem Aktenzeichen VI R 52/10 entschieden hat, dass eine erstmalige Berufsausbildung weder ein Berufsausbildungsverhältnis nach dem Berufsbildungsgesetz noch eine bestimmte Ausbildungsdauer voraussetzt. Die Ausbildung zum Rettungssanitäter ist ausweislich der vorgenannten Entscheidung ganz ausdrücklich eine erstmalige Berufsausbildung.
Dennoch versagte das Finanzamt im aktuell vorliegenden Fall den Werbungskostenabzug und berücksichtigte die geltend gemachten Ausbildungskosten nur im Rahmen des Höchstbetrags von 6.000 Euro als Sonderausgaben. Insbesondere im Hinblick auf die Kosten einer Pilotenausbildung wird dabei klar, dass der Höchstbetrag sehr, sehr schnell erreicht ist und somit der größte Teil der Ausbildungsaufwendungen nicht steuermindernd berücksichtigt werden kann. Wahrscheinlich genau aus diesem Grund zog der Steuerpflichtige vor Gericht.
Leider erlitt er auch hier eine Niederlage. Das erstinstanzliche Finanzgericht Düsseldorf entschied nämlich mit Urteil vom 24.9.2020 unter dem Aktenzeichen 14 K 3796/13 E, F, dass eine sechswöchige Ausbildung zum Rettungshelfer im Rahmen des Zivildienstes nicht die Anforderungen an die Mindestdauer und Mindestqualität einer erstmaligen Berufsausbildung erfüllt. Dieser Auffassung ist das Finanzgericht Düsseldorf nicht zuletzt deswegen, weil weder landes- noch bundesrechtlich eine einheitliche Ausbildung geregelt ist oder die Ausbildung mit einer Prüfung abgeschlossen werden muss. Dementsprechend kommen die Düsseldorfer Richter zu dem Schluss, dass die Aufwendungen für die Ausbildung zum Verkehrsflugzeugführer nicht als vorweggenommene Werbungskosten steuermindernd berücksichtigt werden dürfen.
Das letzte Wort wird in diesem Punkt jedoch noch der Bundesfinanzhof haben, sodass Betroffene sich auf das oben bereits zitierte Verfahren unter dem Aktenzeichen VI R 42/20 berufen sollten.
Hinweis: Anzumerken ist jedoch, dass sich der vorgenannte Steuerstreit auf Veranlagungszeiträume bezieht, die mittlerweile einer anderen Rechtslage unterliegen. Die ebenfalls zuvor genannte positive Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs wurde nämlich bereits vom Gesetzgeber seit dem Veranlagungszeitraum 2015 ausgehebelt, da ab diesem Veranlagungszeitraum die Erstausbildung bestimmte Mindestanforderungen erfüllen muss.
So definiert bereits das Einkommensteuergesetz: Eine Berufsausbildung als Erstausbildung liegt nur vor, wenn eine geordnete Ausbildung mit einer Mindestdauer von zwölf Monaten bei vorzeitiger Ausbildung und mit einer Abschlussprüfung durchgeführt wird. Eine geordnete Ausbildung liegt insoweit vor, wenn sie auf der Grundlage von Rechts- oder Verwaltungsvorschriften oder internen Vorschriften eines Bildungsträgers durchgeführt wird.
Ist eine Abschlussprüfung nicht vorgesehen, gilt die Ausbildung mit der tatsächlichen planmäßigen Beendigung als abgeschlossen. Eine Berufsausbildung als Erstausbildung hat auch abgeschlossen, wer die Abschlussprüfung einer durch Rechts- oder Verwaltungsvorschriften geregelten Berufsausbildung mit einer Mindestdauer von zwölf Monaten bestanden hat, ohne dass er zuvor die entsprechende Berufsausbildung durchlaufen hat.
In allen anderen Fällen möchte der Gesetzgeber jedoch keine Erstausbildung erkennen und auf diese Weise natürlich auch keinen vorweggenommenen Werbungskostenabzug für entsprechende Berufsausbildungskosten ermöglichen.
Tipp: Sofern sich ihr Streitfall daher auf einer Rechtslage bezieht, die vor 2015 gegolten hat, können Sie sich an das oben genannte Musterverfahren anhängen. Für alle Fälle danach gilt zunächst einmal das heute vorliegende Gesetz mit den oben genannten Regelungen. Sofern Sie nach diesen Kriterien daher keine Erstausbildung haben, besteht allenfalls noch die Möglichkeit, mit verfassungsrechtlichen Einwendungen gegen diese Norm vorzugehen. Sollte es diesbezüglich in naher Zukunft neue Musterverfahren geben, werden wir selbstverständlich darüber berichten.
3. Für alle Steuerpflichtigen: Aufwendungen für eine Liposuktion als außergewöhnliche Belastung
Entsprechend der Regelung in § 33 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) wird die Einkommensteuer auf Antrag ermäßigt, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands erwachsen. In diesem Zusammenhang entstehen Aufwendungen einem Steuerpflichtigen immer dann zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen sowohl den Umständen nach notwendig sind als auch einen angemessenen Betrag nicht übersteigen.
Ziel dieser Regelung in § 33 EStG ist es, zwangsläufige Aufwendungen für den existenznotwendigen Grundbedarf zu berücksichtigen, die sich wegen ihrer Außergewöhnlichkeit einer pauschalen Erfassung in allgemeinen Freibeträgen entziehen. Vom Aufwendungsbereich der Regelung ausgeschlossen sind dagegen die üblichen Aufwendungen der Lebensführung, die in Höhe des Existenzminimums bereits durch den Grundfreibetrag in der Steuertabelle abgegolten sind. In diesem Sinne hat auch bereits der Bundesfinanzhof in seiner Entscheidung vom 21.2.2018 unter dem Aktenzeichen VI R 11/16 geurteilt.
Unter dem Strich ist jedoch hervorzuheben, dass der Bundesfinanzhof in seiner ständigen Rechtsprechung davon ausgeht, dass Krankheitskosten ohne Rücksicht auf die Art und die Ursache der Erkrankung dem Steuerpflichtigen aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig erwachsen. Allerdings werden nur solche Aufwendungen als Krankheitskosten berücksichtigt, die zum Zwecke der Heilung einer Krankheit oder mit dem Ziel getätigt werden, die Krankheit erträglicher zu machen, wie die obersten Finanzrichter der Republik bereits in ihrer Entscheidung vom 17.7.1981 unter dem Aktenzeichen VI R 77/78 herausgearbeitet haben. Insoweit hat auch bereits der Bundesfinanzhof mit einer weiteren Entscheidung vom 1.2.2001 unter dem Aktenzeichen III R 22/00 klargestellt, dass Aufwendungen für die eigentliche Heilbehandlung typisierend als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden, ohne dass es im Einzelfall der ausweislich des Gesetzestextes an sich gebotenen Prüfung der Zwangsläufigkeit dem Grunde und der Höhe nach bedarf. Eine derart typisierende Behandlung von Krankheitskosten ist zur Vermeidung eines unzumutbaren Eindringens in die Privatsphäre geboten.
Für die Praxis ist jedoch wichtig, dass dies nur dann gilt, wenn die Aufwendungen nach den Erkenntnissen und Erfahrungen der Heilkunde und nach den Grundsätzen eines gewissenhaften Arztes zur Heilung oder Linderung der Krankheit angezeigt sind und vorgenommen werden. Insoweit hat der Bundesfinanzhof sowohl in seiner Entscheidung vom 18.6.1997 unter dem Aktenzeichen III R 84/96 als auch in seiner Entscheidung vom 19.4.2012 unter dem Aktenzeichen VI R 74/10 herausgearbeitet, dass eine medizinische Indikation vorliegen muss.
Dementsprechend hat der Steuerpflichtige die Zwangsläufigkeit von Aufwendungen im Krankheitsfall in einer Reihe von Fällen formalisiert nachzuweisen, was in der Regel durch eine Verordnung eines Arztes oder Heilpraktikers erfolgt. Entsprechend der gesetzlichen Regelung in § 33 Abs. 4. EStG wurde die Bundesregierung ermächtigt, die Einzelheiten des Nachweises von Aufwendungen für außergewöhnliche Belastungen durch Rechtsverordnung zu bestimmen. Mit dem durch das sogenannte Steuervereinfachungsgesetz 2011 eingeführten § 64 der Einkommensteuerdurchführungsverordnung (EStDV) ist bei bestimmten Maßnahmen und Aufwendungen der Nachweis der Zwangsläufigkeit in bestimmter, vorgegebener, qualifizierter Form zu führen.
Ausschlaggebend ist im Ergebnis die Regelung in § 64 Abs. 1 Nummer 1 EStDV. Danach hat der Steuerpflichtige den Nachweis der Zwangsläufigkeit der Aufwendungen im Krankheitsfall durch eine Verordnung eines Arztes oder Heilpraktikers für Arznei-, Heil- und Hilfsmittel zu führen. Bei wissenschaftlich nicht anerkannten Behandlungsmethoden, wie z.B. Frisch- und Trockenzellenbehandlung, Sauerstoff-, Chelat- und Eigenbluttherapie ist der Nachweis der Zwangsläufigkeit durch ein amtsärztliches Gutachten oder eine ärztliche Bescheinigung des medizinischen Dienstes der Krankenversicherung zu erbringen. Ganz besonders wichtig in diesem Zusammenhang, da es in der Praxis ein häufiger Stolperstein ist: Entsprechend der ausdrücklichen Regelung in § 64 Absatz 2 EStDV muss der Nachweis vor Beginn der Heilmaßnahme ausgestellt sein.
Entsprechend den mit de Entscheidung des Bundesfinanzhofs aufgestellten grundsätzlichen Voraussetzungen aus dem Urteil vom 26.6.2014 unter dem Aktenzeichen VI R 513/13 und dem Urteil vom 18.6.2015 unter dem Aktenzeichen VI R 68/14 gilt insoweit: Wissenschaftlich anerkannt ist eine Behandlungsmethode nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, wenn Qualität und Wirksamkeit dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen. Dies wird angenommen, wenn „die große Mehrheit der einschlägigen Fachleute (Ärzte, Wissenschaftler)“ die Behandlungsmethode befürwortet und über die Zweckmäßigkeit der Therapie Konsens besteht. Dies setzt im Regelfall voraus, dass über Qualität und Wirksamkeit der Methode zuverlässige, wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen gemacht werden können. Der Erfolg muss sich aus wissenschaftlich einwandfrei durchgeführten Studien über die Zahl der behandelten Fälle und die Wirksamkeit der Methode ablesen lassen. Die Therapie muss in einer für die sichere Beurteilung ausreichenden Zahl von Behandlungsfällen erfolgreich gewesen sein.
Maßgeblicher Zeitpunkt für die wissenschaftliche Anerkennung im Sinne des § 64 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Buchstabe f EStDV ist der Zeitpunkt der Vornahme der Behandlung, da das Nachweiserfordernis darüber Kenntnis geben soll, ob eine Behandlungsmethode im Zeitpunkt der Behandlung medizinisch indiziert und die angefallenen Aufwendungen daher zwangsläufig zum Zweck der Heilung oder Linderung einer Krankheit entstanden sind.
Unter Anwendung dieser Grundsätze kommt mit Entscheidung vom 17.8.2021 das Finanzgericht Rheinland-Pfalz unter dem Aktenzeichen 5 K 1321/20 zu dem Schluss, dass Aufwendungen für eine Liposuktion zumindest im Jahr 2018 nicht als außergewöhnliche Belastung nach § 33 EStG abzugsfähig sind. Nach Auffassung der Richter handelt es sich im Jahr 2018 bei einer Liposuktion, die zur Behandlung eines Lipödems durchgeführt wird, nicht um eine wissenschaftlich anerkannte Behandlungsmethode entsprechend den oben geschilderten Voraussetzungen der Einkommensteuerdurchführungsverordnung.
Hinweis: Wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache war das erstinstanzliche Finanzgericht Rheinland-Pfalz jedoch gezwungen, die Revision zum Bundesfinanzhof zuzulassen, da in der Rechtsprechung bisher noch nicht abschließend geklärt ist, ob es sich im Streitjahr 2018 um eine wissenschaftlich anerkannte Behandlungsmethode handelt.
Erfreulicherweise haben die Steuerpflichtigen die Revision beim Bundesfinanzhof auch eingelegt, weshalb dieser nun unter dem Aktenzeichen VI R 18/21 zu klären hat, ob entsprechende Aufwendungen auch ohne die Nachweiserfordernis des § 64 Abs. 1 Nummer 2 Satz 1 Buchstabe f EStDV als außergewöhnliche Belastung abziehbar sind.
Betroffene sollten sich daher an das Musterverfahren anhängen und haben insoweit eine Chance auf positive Entscheidung und Abzug der entsprechenden Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung.
4. Für alle Steuerpflichtigen: Wie hoch darf das Vermögen des Unterhaltsempfängers beim Unterhaltsfreibetrag nach § 33a EStG sein?
Mit Blick auf die gesetzliche Regelung in § 33a Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) wird bei Steuerpflichtigen, denen Aufwendungen für den Unterhalt oder die Berufsausbildung einer gesetzlich unterhaltsberechtigten Person erwachsen, auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, dass die Aufwendungen bis zu einem im Gesetz bestimmten Höchstbetrag vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden. Nach § 33a Abs. 1 Satz 2 EStG erhöht sich dieser Höchstbetrag um den Betrag der im jeweiligen Veranlagungszeitraum nach § 10 Abs. 1 Nr. 3 EStG für die Absicherung der unterhaltsberechtigten Person aufgewandten Beträge; dies gilt nicht für Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge, die bereits nach § 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 EStG anzusetzen sind.
Damit der sogenannte Unterhaltsfreibetrag in Anspruch genommen werden kann, ist weitere Voraussetzung, dass weder der Steuerpflichtige noch eine andere Person Anspruch auf einen Kinderfreibetrag oder auf Kindergeld für die unterhaltene Person hat und die unterhaltene Person selbst kein oder wenn nur ein geringes Vermögen besitzt. Schon ausweislich der gesetzlichen Regelung bleibt bei der Vermögensprüfung dabei ein angemessenes Hausgrundstück im Sinne des zwölften Buches Sozialgesetzbuch unberücksichtigt.
Tatsächlich hat der Bundesfinanzhof bereits in einer Entscheidung vom 5.5.2010 unter dem Aktenzeichen VI R 29/09 klargestellt: Die gesetzliche Unterhaltsberechtigung im Sinne des § 33a Abs. 1 Satz 1 EStG knüpft an die zivilrechtlichen Voraussetzungen eines Unterhaltsanspruches (Anspruchsgrundlage, Bedürftigkeit, Leistungsfähigkeit) an. Die Bedürftigkeit des Unterhaltsempfängers im Sinne des § 1602 BGB ist daher Voraussetzung für die Annahme einer Unterhaltsberechtigung. So weit so gut, aber was bedeuten die Aussagen der obersten Finanzrichter dabei ganz konkret?
Faktisch ist danach Bedürftigkeit gegeben, wenn die unterhaltene Person weder Vermögen hat noch Einkünfte aus einer Erwerbstätigkeit erzielt. Der Gesetzgeber geht typisierend davon aus, dass bei eigenem, nicht nur geringfügigem Vermögen eine Unterhaltsbedürftigkeit nicht gegeben ist und die Unterhaltsaufwendungen damit nicht zwangsläufig anfallen. So auch der Bundesfinanzhof in einem Urteil vom 14.8.1997 unter dem Aktenzeichen III R 68/96. Maßgeblich ist dabei das Nettovermögen, dies bedeutet der Wert der aktiven Vermögensgegenstände, vermindert um die Schulden des Unterhaltsempfängers. Die Finanzverwaltung nimmt dabei ausweislich ihrer Regelung in den Einkommensteuerrichtlinien an, dass ein Vermögen bis zu einem Wert von 15.500 Euro als unschädlich angesehen werden kann. Fraglich ist jedoch nun, ob dieser Wert auch Bestand haben kann.
Dabei ist darauf hinzuweisen, dass die Rechtsprechung zumindest für den Veranlagungszeitraum 2005 die Grenze teilweise bestätigt hat. So ist es insbesondere einer Entscheidung des Finanzgerichtes Hamburg vom 15.12.2007 unter dem Aktenzeichen 7 K 212/07 sowie auch einer Entscheidung des Finanzgerichts Münsters vom 10.6.2015 unter dem Aktenzeichen 9 K 3230/14 E zu entnehmen. Als Rechtfertigung wird in den Urteilen auch die Wertgrenze zum Schonvermögen bei der Grundsicherung für Arbeitssuchende herangezogen. Der Bundesfinanzhof hat diese Grenze wiederholt für die Veranlagungszeiträume 1999 bis 2001 und 2005 gebilligt. Dies insbesondere auch, obwohl der Wert seit dem Jahr 1975 (damals: 30.000 DM) nicht erhöht worden ist.
In der Literatur gibt es jedoch (aus unserer Ansicht auch vollkommen zu Recht) kritische Stimmen, die eine starre Grenze bis zu 15.500 Euro als nicht mehr sachgerecht ansehen. Zumindest die für eine Altersversorgung aufgewendeten Unterhaltszahlungen seien zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen unter Hinweis auf § 90 Abs. 2 Nr. 2 und Abs. 3 SGB XII als geringes Vermögen anzusehen. Für eine Anpassung des Betrages könne der Umstand sprechen, dass die Vermögensgrenzen für verwertbare Vermögensgegenstände im Zusammenhang mit der Grundsicherung für Arbeitsuchende neu geregelt worden seien. So betrage nach § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 i. V. m. Abs. 2 Satz 2 Nrn. 1 bis 3 SGB II der Grundfreibetrag gestaffelt nach Altersklassen nunmehr höchstens 10.050 Euro und der Schonbetrag für Altersvorsorgevermögen nach § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 i. V. m. Abs. 2 Satz 2 Nrn. 1 bis 3 SGB II 750 Euro je vollendetem Lebensjahr des Hilfebedürftigen, höchstens aber 50.250 EUR.
Ebenso sind weitere durchaus nachvollziehbare Stimmen zu vernehmen, die einen Vergleich mit dem selbst bewohnten Hausgrundstück bemühen. Insoweit sei der Umstand, dass das Gesetz ein selbstbewohntes Hausgrundstück als geringes Vermögen beurteile und damit eine Verknüpfung mit dem Sozialrecht festschreibe ein Hinweis darauf, dass der seit Jahrzehnten unveränderte Betrag von 15.500 Euro nicht mehr ausreichend ist. Schon allein unter dem Gesichtspunkt der Inflation (welche zudem bei einem Hausgrundstück automatisch berücksichtigt wird) erscheint dies logisch.
Trotz dieser Aussagen in der Literatur ist das Finanzgericht Rheinland-Pfalz in seiner Entscheidung vom 26.8.2021 unter dem Aktenzeichen 6 K 1098/21 der Auffassung, dass die Grenze aus den Einkommensteuerrichtlinien in Höhe von 15.500 Euro auch für das Streitjahr 2019 zu beachten ist.
Dies begründen die erstinstanzlichen Richter damit, dass der Betrag höher ist als der Betrag, der zur Sicherung des Existenzminimums erforderlich ist. Der Wert übersteigt insoweit den für den Veranlagungszeitraum 2019 geltenden Wert in Höhe von 9.186 Euro zwar nicht mehr um ein Vielfaches, aber dennoch deutlich. Auch der im Streitjahr maßgebliche sozialrechtliche Grundfreibetrag in Höhe von 10.050 Euro für Personen, die nach dem 31.12.1963 geboren sind, ist überschritten. Ob die Grenze auch im Hinblick auf Altersvorsorgebeiträge der unterhaltsberechtigten Personen weiter fort gilt, ist nach Auffassung der erstinstanzlichen Richter aus Rheinland-Pfalz für den vorliegenden Fall unerheblich und muss daher nicht entschieden werden.
Dementsprechend hat das Gericht den Unterhaltsfreibetrag vorliegend nicht gewährt, obwohl sich im konkreten Streitfall das Vermögen des Unterhaltsempfängers lediglich leicht oberhalb des Schonvermögens in Höhe von 15.500 Euro bewegte.
Wie es scheint nur widerwillig haben die erstinstanzlichen Richter die Revision zum Bundesfinanzhof wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen. Unter dem Aktenzeichen VI R 21/22 wird nun erfreulicherweise der Bundesfinanzhof zu klären haben, ob ein Schonvermögen in Höhe von 15.500 Euro tatsächlich noch als angemessen bezeichnet werden kann, obgleich dieser Betrag nahezu unverändert seit bereits 1975 gilt.
Betroffene sollten sich daher an das Musterverfahren anhängen. Dies gilt umso mehr, wenn das unschädliche Schonvermögen in Höhe von 15.500 Euro nur leicht überschritten ist und deshalb der Unterhaltsfreibetrag direkt zur Gänze wegfällt.
5. Für alle Steuerpflichtigen: Liegt ein privates Veräußerungsgeschäft vor, wenn die Wohnung an das Kind und (!) den ehemaligen Partner überlassen wird?
Entsprechend der gesetzlichen Regelung in § 22 Nummer 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) sind sonstige Einkünfte auch Einkünfte aus einem privaten Veräußerungsgeschäft im Sinne der Regelung des § 23 EStG. Dazu gehören unter anderem Veräußerungsgeschäfte bei Grundstücken, bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als zehn Jahre betragen hat.
Tatsächlich sind jedoch nicht alle Immobilien von der Veräußerung betroffen. Ausgenommen sind insbesondere solche, die im Zeitraum zwischen Anschaffung oder Fertigstellung und Veräußerung ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken gedient haben (Alternative 1) oder im Jahre der Veräußerung und in den beiden vorangegangenen Jahren zu eigenen Wohnzwecken genutzt wurden (Alternative 2).
Eine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken setzt in beiden Alternativen voraus, dass eine Immobilie zum Bewohnen geeignet ist und vom Steuerpflichtigen auch bewohnt wird. Der Steuerpflichtige muss das Gebäude zumindest auch selbst nutzen. Unschädlich ist es, wenn er es gemeinsam mit seinen Familienangehörigen oder einem Dritten bewohnt. Schon mit Entscheidung vom 21.5.2019 hat der Bundesfinanzhof unter dem Aktenzeichen IX R 6/18 klargestellt, dass eine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken hingegen nicht vorliegt, wenn der Steuerpflichtige die Wohnung entgeltlich oder unentgeltlich einem Dritten überlässt, ohne sie zugleich selbst zu bewohnen.
Sinn und Zweck der Ausnahmeregelung von der Besteuerung ist es laut der Gesetzesbegründung, die ungerechtfertigte Besteuerung von Veräußerungsgewinnen bei Aufgabe des Wohnsitzes, beispielsweise wegen eines Wechsels des Arbeitsplatzes, zu vermeiden. Dieser Zweck, der letztendlich auch der Förderung der Mobilität von Arbeitnehmern dient, würde jedoch bei Annahme der Steuerschädlichkeit bei einer kurzfristigen Veräußerung wegen eines Arbeitsplatzwechsels bzw. bei kurzfristiger Zwischenvermietung vor einer Veräußerung, um einen Leerstand zu vermeiden, konterkariert werden.
Eine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken ist daher beim privaten Veräußerungsgeschäft zudem so zu verstehen, wie seinerzeit beim Eigenheimzulagengesetz. Danach liegt eine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken auch dann vor, wenn der Steuerpflichtige Teile einer zu eigenen Wohnzwecken genutzten Wohnung oder die Wohnung insgesamt einem einkommensteuerlich zu berücksichtigendem Kind unentgeltlich oder zur teilweisen oder alleinigen Nutzung überlässt. Die Nutzung der Wohnung durch das Kind ist dem Eigentümer in diesem Fall als eigene zuzurechnen, weil es im Rahmen seiner unterhaltsrechtlichen Verpflichtung liegt, für die Unterbringung des Kindes zu sorgen. So auch bereits die Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 21.5.2019 unter dem Aktenzeichen IX R 6/18.
Die Rechtsprechung fußt auf dem mit der Steuerbegünstigung nach dem Eigenheimzulagengesetz verfolgten Zweck, insbesondere Familien mit Kindern den Erwerb von Wohneigentum zu ermöglichen. Eine andere Beurteilung ist dagegen geboten, wenn der Eigentümer seiner von ihm getrennt lebenden Ehefrau eine Wohnung zur Verfügung stellt. Besteht die zum Wesen der Ehe gehörende Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft auf Dauer nicht mehr und überlässt der unterhaltsverpflichtete Eigentümer der von ihm getrennt lebenden Ehefrau anstelle des Barunterhalts eine Wohnung zur unentgeltlichen Nutzung, wird die Wohnung aus der Sicht des überlassenden Ehegatten nicht zu eigenen, sondern zu fremden Wohnzwecken genutzt. Dies hat auch bereits der Bundesfinanzhof in einer frühen Entscheidung zum Eigenheimzulagengesetz vom 26.1.1994 unter dem Aktenzeichen X R 17/91 herausgearbeitet.
Eine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken beim privaten Veräußerungsgeschäft liegt auch dann nicht vor, wenn die Wohnung nach dem Auszug des Steuerpflichtigen aus dem gemeinsamen Familienheim nicht einem steuerlich zu berücksichtigendem Kind zur alleinigen Nutzung, sondern auch einer anderen (gegebenenfalls auch unterhaltsberechtigten) Person wie der ehemaligen Lebensgefährtin und Kindesmutter zur gemeinsamen Nutzung mit dem Kind überlassen wird. Tatsächlich hat jedoch bereits das Hessische Finanzgericht in einer Entscheidung vom 30.9.2015 unter dem Aktenzeichen 1 K 1654/14 die Nutzung zu eigenen Wohnzwecken bei unentgeltlicher Überlassung einer Wohnung an minderjährige Kinder und den anderen Elternteil verneint. Die schlichte Begründung seinerzeit: Ein Gebäude dient nur dann der Nutzung zu eigenen Wohnzwecken, wenn es vom Steuerpflichtigen selbst tatsächlich und auf Dauer bewohnt wird. Bei gemeinsamer Nutzung mit Familienangehörigen bzw. bei teilweiser unentgeltlicher Überlassung an fremde Personen liegt eine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken nur dann vor, wenn die eigene Haushaltsführung möglich bleibt.
Ob diese strenge Auslegung jedoch weiterhin Bestand haben wird, bleibt vorerst abzuwarten. Aus Gründen der Fortbildung des Rechtes hat das erstinstanzliche Finanzgericht München nämlich aktuell die Revision zum Bundesfinanzhof zugelassen. Erfreulicherweise hat der Steuerpflichtige die Revision auch eingelegt, sodass schließlich der Bundesfinanzhof unter dem Aktenzeichen IX R 11/21 die Gelegenheit bekommt, diese strenge Sichtweise des Finanzgerichtes zu überprüfen (und hoffentlich zu entschärfen).
Tipp: Wer von einer ähnlichen Situation betroffen ist, sollte nach Möglichkeit den Sachverhalt schon gänzlich anders gestalten, sodass es überhaupt nicht zu einem privaten Veräußerungsgeschäft kommt. Ist der Sachverhalt hingegen bereits realisiert, sollte man sich an das anhängige Musterverfahren anhängen.
6. Für alle Steuerpflichtigen: Ordnungsmäßigkeit eines Fahrtenbuches trotz kleinerer Mängel und Ungenauigkeiten
Was sich in der Überschrift als fast zu schön anhört, um wahr zu sein, ist jedoch im Grunde nach (auch wenn die Finanzverwaltung dies nicht wissen möchte) schon seit Jahren Realität. Denn bereits mit Entscheidung vom 10.4.2008 hat der Bundesfinanzhof unter dem Aktenzeichen VI R 38/06 entschieden, dass die Aufzeichnungen im Fahrtenbuch eine hinreichende Gewähr für ihre Vollständigkeit und Richtigkeit bieten müssen. Dies ist so weit nicht erstaunlich und auch nicht im Gegensatz zur Auffassung der Finanzverwaltung. Die obersten Finanzrichter der Republik haben jedoch auch seinerzeit schon weiter ausgeführt: Kleinere Mängel führen nicht zur Verwerfung des Fahrtenbuchs und zur Anwendung der Ein-Prozent-Regelung, wenn die Angaben insgesamt plausibel sind.
Ganz aktuell hat das erstinstanzliche Niedersächsische Finanzgericht in seiner Entscheidung vom 16.6.2021 unter dem Aktenzeichen 9 K 276/19 diesen Ball aufgenommen und ebenso gegen die Auffassung der Finanzverwaltung entschieden, dass kleinere Mängel und Ungenauigkeiten nicht dazu führen, dass ein Fahrtenbuch nicht mehr ordnungsgemäß ist. Mit Hinblick auf die hohe Relevanz dieser Entscheidungen und vor allem den wichtigen Einsatz in der Praxis, werden wir im Folgenden die Urteilsbegründung des erstinstanzlichen Finanzgerichtes aus Niedersachsen genauer betrachten:
Grundsätzlich gilt, dass Einnahmen, die nicht in Geld bestehen, also beispielsweise Wohnung, Kost, Waren, Dienstleistungen oder sonstige Sachbezüge, gemäß der einkommensteuerlichen Vorschrift in § 8 Abs. 2 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) mit den um übliche Preisnachlässe geminderten „normalen“ Preisen am Abgabeort anzusetzen sind. Für die private Nutzung eines betrieblichen Kraftfahrzeugs zu privaten Fahrten gilt dann die Regelung des § 6 Abs. 1 Nummer 4 Satz 2 EStG entsprechend spezifizierend.
Kann das Kraftfahrzeug auch für Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte sowie Fahrten nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a Satz 3 EStG genutzt werden, erhöht sich der Wert in Satz 2 für jeden Kalendermonat um 0,03 Prozent des Listenpreises im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG für jeden Kilometer der Entfernung zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte sowie der Fahrten nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a Satz 3 EStG. Der Wert nach den Sätzen 2 und 3 kann mit dem auf die private Nutzung und die Nutzung zu Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte sowie Fahrten nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a Satz 3 EStG entfallenden Teil der gesamten Kraftfahrzeugaufwendungen angesetzt werden, wenn die durch das Kraftfahrzeug insgesamt entstehenden Aufwendungen durch Belege und das Verhältnis der privaten Fahrten und der Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte sowie Fahrten nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a Satz 3 EStG zu den übrigen Fahrten durch ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch nachgewiesen werden. Die Regelung des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 3 zweiter Halbsatz EStG gilt entsprechend.
Das schon rein praktische Problem an dieser gesetzlichen Subsumtion ist, dass der Begriff des ordnungsgemäßen Fahrtenbuchs im Sinne des Vorgenannten gesetzlich nirgendwo näher bestimmt ist. Lediglich aus dem Wortlaut und aus dem Sinn und Zweck der Regelung folgt, dass die dem Nachweis des Privatanteils an der Gesamtfahrleistung dienenden Aufzeichnungen eine hinreichende Gewähr für ihre Vollständigkeit und Richtigkeit bieten und mit vertretbarem Aufwand auf ihre materielle Richtigkeit hin überprüfbar sein müssen. Insoweit hat die Rechtsprechung im Laufe der Jahre entwickelt, dass dazu auch gehört, dass das Fahrtenbuch zeitnah (im Sinne von sofort nach Abschluss der Fahrt) und in geschlossener Form zu führen ist, um so nachträgliche Einfügung oder Änderungen auszuschließen oder als solche erkennbar zu machen. Hierfür hat das Fahrtenbuch neben dem Datum und den Fahrtzielen grundsätzlich auch den jeweils aufgesuchten Kunden oder Geschäftspartner bzw. - wenn ein solcher nicht vorhanden ist - den konkreten Gegenstand der dienstlichen Verrichtung aufzuführen. Bloße Ortsangaben im Fahrtenbuch reichen allenfalls dann aus, wenn sich der aufgesuchte Kunde oder Geschäftspartner aus der Ortsangabe zweifelsfrei ergibt oder wenn sich dessen Name auf einfache Weise unter Zuhilfenahme von Unterlagen ermitteln lässt, die ihrerseits nicht mehr ergänzungsbedürftig sind. Außerdem muss es die zu erfassenden Fahrten einschließlich des an ihrem Ende erreichten Gesamtkilometerstands vollständig und in ihrem fortlaufenden Zusammenhang wiedergeben.
Die Aufzeichnungen müssen Angaben zu den geschäftlichen Reisen enthalten, anhand derer sich die berufliche Veranlassung der Fahrten plausibel nachvollziehen und gegebenenfalls auch nachprüfen lässt. Konkret dazu hat sich der Bundesfinanzhof in seiner Entscheidung vom 16.3.2006 unter dem Aktenzeichen VI R 87/04 ausgelassen. Insoweit genügt es nicht, wenn nur allgemein und pauschal die betreffenden Fahrten als „Dienstfahrten“ oder „Kundenbesuch“ bezeichnet werden, wie ebenfalls bereits höchstrichterlich durch Entscheidung vom 13.11.2012 unter dem Aktenzeichen VI R 3/12 geklärt wurde.
Die genannten Angaben müssen sich in hinreichend übersichtlicher und geordneter Form regelmäßig schon dem Fahrtenbuch selbst entnehmen lassen und dadurch eine stichprobenartige Überprüfung ermöglichen. Das schließt es nicht aus, im Fahrtenbuch gegebenenfalls auch Abkürzungen für bestimmte, häufiger aufgesuchte Fahrtziele und Kunden oder für einzelne regelmäßig wiederkehrende Reisezwecke zu verwenden, solange die gebrauchten Kürzel entweder aus sich heraus verständlich oder z.B. auf einem dem Fahrtenbuch beigefügten Erläuterungsblatt näher aufgeschlüsselt sind und der geschlossene Charakter der Fahrtenbuchaufzeichnungen dadurch nicht beeinträchtigt wird. Eine große Anzahl von nicht aus sich heraus verständlichen und nicht hinreichend erläuterten Abkürzungen führt zur Verwerfung des Fahrtenbuches.
Die Aufzeichnungen im Fahrtenbuch müssen außerdem eine hinreichende Gewähr für ihre Vollständigkeit und Richtigkeit bieten. Sie müssen mit vertretbarem Aufwand auf ihre materielle Richtigkeit hin überprüfbar sein. Weisen die Fahrtenbücher inhaltliche Unregelmäßigkeiten auf, kann dies die materielle Richtigkeit der Kilometerangaben in Frage stellen. Ebenso wie eine Buchführung trotz einiger formeller Mängel aufgrund der Gesamtbewertung noch als formell ordnungsgemäß erscheinen kann, führen jedoch auch kleinere Mängel nicht zur Verwerfung des Fahrtenbuchs und Anwendung der Ein-Prozent-Regelung, wenn die Angaben insgesamt plausibel sind. Maßgeblich ist, ob trotz der Mängel noch eine hinreichende Gewähr für die Vollständigkeit und Richtigkeit der Angaben gegeben und der Nachweis des zu versteuernden Privatanteils an der Gesamtfahrleistung des Dienstwagens möglich ist.
Vor diesem Hintergrund kommt nun das Niedersächsische Finanzgericht in der oben bereits zitierten Entscheidung zu dem erfreulichen Schluss: Kleinere Mängel und Ungenauigkeiten führen nicht zur Verwerfung des Fahrtenbuchs und Anwendung der Ein-Prozent-Regelung, wenn die Angaben insgesamt plausibel sind. Bei den kleineren Mängeln und Ungenauigkeiten ging es im Streitfall im Wesentlichen um die Verwendung von Abkürzungen für Kunden und Ortsangaben, die fehlende Ortsangabe bei Übernachtungen im Hotel, Differenzen aus dem Vergleich der Fahrten zwischen den Kilometern im Fahrtenbuch und laut Routenplaner sowie fehlende Aufzeichnung von Tankstopps.
Trotzdem war für das Gericht maßgeblich, ob im Hinblick auf die Mängel noch eine hinreichende Gewähr für die Vollständigkeit und Richtigkeit der Angaben gegeben und der Nachweis des Privatanteils an der Gesamtfahrleistung des Dienstwagens möglich ist.
Sehr erfreulich stellen die Richter fest, dass es selbst dem Finanzamt zuzumuten ist, fehlende Angaben zu Hotelübernachtungen aus vorliegenden Reisekostenunterlagen zu ermitteln, sofern es sich um vereinzelte Fälle handelt. Leider muss jedoch erwähnt werden, dass diese Auffassung in der erstinstanzlichen Rechtsprechung nicht überall so vertreten wird. So sieht es beispielsweise das Finanzgericht Köln in seinem Urteil vom 15.9.2016 unter dem Aktenzeichen 10 K 2497/15 deutlich strenger. Davon grenzt sich jedoch aktuell das Niedersächsische Finanzgericht deutlich ab.
In der Regel müssen die Angaben zu den Kilometerständen zwar sofort, dies bedeutet am Ende jeder Fahrt gemacht werden. Lediglich Präzisierungen des beruflichen Zwecks dürfen gegebenenfalls noch innerhalb einer Woche nachgeholt werden. Die Indizwirkung, die von fehlenden Gebrauchsspuren und einem gleichmäßigen Schriftbild eines Fahrtenbuchs in Bezug auf eine unzulässige Nacherstellung ausgeht, kann jedoch jederzeit vom Steuerpflichtigen entsprechend entkräftet werden.
Insoweit machen die erstinstanzlichen Richter auch ganz deutlich klar, dass die Anforderungen an das ordnungsgemäße Führen eines Fahrtenbuchs nicht überspannt werden dürfen, damit aus der widerlegbaren Typisierung der Ein-Prozent-Regelung in der Praxis nicht eine unwiderlegbare Typisierung wird. Gerade im Hinblick auf die stark typisierende Ein-Prozent-Regelung wäre dies aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht zu rechtfertigen, da insoweit eine Übermaßbesteuerung drohen würde. Immerhin stützt der Bundesfinanzhof in seiner Entscheidung vom 13.12.2012 unter dem Aktenzeichen V R 51/11 die Verfassungsmäßigkeit der Ein-Prozent-Regelung als (so das Gericht) „groben Klotz“ mit teilweise stark belastender Wirkung unter anderem auf die Möglichkeit, zur Vermeidung einer Übermaßbesteuerung ein Fahrtenbuch zu führen. Dementsprechend stellt das Fahrtenbuch eine sogenannte Escape-Klausel dar, an welche die Anforderungen nicht in nahezu unerreichbarer Höhe gehoben werden dürfen.
Tipp: Wer daher selbst mit dem Finanzamt aufgrund lediglich kleinerer Mängel und Ungenauigkeiten in seinem Fahrtenbuch Streit hat, sollte auf das aktuelle erstinstanzliche Urteil aus Niedersachsen, aber auch auf die frühere Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 10.4.2008 unter dem Aktenzeichen VI R 38/06 verweisen. Handelt es sich wirklich lediglich um kleinere Mängel und Ungenauigkeiten, sollte man an dieser Stelle den Streit mit dem Finanzamt im Einspruchsverfahren und gegebenenfalls auch den gerichtlichen Streit nicht scheuen, solange noch eine hinreichende Gewähr für die Vollständigkeit und Richtigkeit des Fahrtenbuchs gegeben ist.
7. Für Berufssportler: Werbungskostenabzug einer Sportunfähigkeitsversicherung?
Mit Urteil vom 12.1.2021 hat das Finanzgericht Düsseldorf unter dem Aktenzeichen 10 K 2192/17 G leider den Werbungskostenabzug eines Berufssportlers für die Sportunfähigkeitsversicherung verneint.
Konkret hat das Finanzgericht folgende Entscheidung getroffen: Werden durch die zur Absicherung von Einnahmenausfällen abgeschlossene Sportunfähigkeitsversicherung eines Berufssportlers sowohl die dem beruflichen als auch die dem privaten Bereich zuzuordnenden Risiken von Krankheit und Unfall abgedeckt, sind die gezahlten Beiträge aufgrund des wegen der Mitveranlassung durch die private Lebensführung eingreifenden Aufteilungs- und Abzugsverbots nicht als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit abzugsfähig.
Die Abgrenzung eines beruflich veranlassten Teils der Aufwendungen nach objektiv nachprüfbaren Merkmalen kommt jedenfalls dann nicht in Betracht, wenn der auf das Risiko typischer Sportverletzungen entfallende Anteil des Versicherungsbeitrags sich nicht den Versicherungsunterlagen entnehmen lässt.
Im Urteilssachverhalt ging es um einen Profifußballer, der die Prämien für seine Sportunfähigkeitsversicherung von der Steuer absetzen wollte. Die Versicherungen sahen Leistungen für den Fall vor, dass der Kläger aufgrund eines Unfalls oder einer Krankheit vorübergehend oder dauerhaft seinen Sport nicht ausüben kann. Eine Beschränkung auf berufsspezifische Krankheits- oder Unfallrisiken enthielten die Versicherungsbedingungen nicht. Der Kläger argumentierte, dass wegen seiner Tätigkeit als Fußballer erhöhte Risiken für seine Gesundheit bestünden. Bei jeder Art von Erkrankung oder Verletzung könne er seinen Beruf nicht mehr in der gewohnten Weise ausführen.
Wie auch zuvor das Finanzamt lehnte das Finanzgericht Düsseldorf den Abzug der Versicherungsbeiträge als Werbungskosten ab. Es handele sich um Sonderausgaben mit der Folge, dass sich die Versicherungsbeiträge wegen der geltenden Höchstbeträge steuerlich nicht auswirkten. Auch einen teilweisen Abzug der Aufwendungen als Werbungskosten lehnten die Richter ab.
Der Kläger habe nicht nur berufstypische Risiken abgesichert. Vom Versicherungsumfang seien auch im privaten Bereich verursachte Unfälle und Erkrankungen erfasst. Die Versicherung diene dem Ausgleich krankheitsbedingter Einnahmeausfälle. Das Risiko, den Lebensstandard nicht länger durch die eigene Erwerbstätigkeit sichern zu können, gehöre zum Bereich der privaten Lebensführung.
Hinweis: Die Revision wurde zur Fortbildung des Rechts zugelassen, jedoch ist diese soweit ersichtlich bisher nicht eingelegt worden.
8. Für erbende Unternehmer: Das Problem des nicht begünstigten Verwaltungsvermögens bei der Erbschaftsteuer
Vereinfacht gesagt ist Betriebsvermögen bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer regelmäßig begünstigungsfähig. Zu diesem begünstigungsfähigen Betriebsvermögen gehört ausweislich der gesetzlichen Regelung in § 13b Abs. 1 des Erbschaftsteuergesetzes (ErbStG) regelmäßig land- und forstwirtschaftliches Vermögen, Betriebsvermögen oder auch Beteiligungen an Mitunternehmerschaften sowie Anteile an Kapitalgesellschaften, wenn die unmittelbare Beteiligung mehr als 25% am Nennkapital beträgt.
Sogenanntes Verwaltungsvermögen kann hingegen nicht in den Genuss einer steuerlichen Begünstigung von Betriebsvermögen gelangen, was regelmäßig problembehaftet ist, da die Steuervergünstigungen hier bis zu 100% betragen können. Insoweit muss in den Fokus gerückt werden, was alles unter das schädliche Verwaltungsvermögen fällt.
Nur auszugsweise sei an dieser Stelle aufgezählt, dass dazu beispielsweise Zahlungsmittel, Geschäftsguthaben und Geldforderungen gehören. Ebenso werden regelmäßig Wertpapiere oder vergleichbarer Forderungen zum schädlichen Verwaltungsvermögen gehören. Darüber hinaus sind Kunstgegenstände, Münzen, Edelmetalle, Oldtimer, Yachten sowie sonstige typischerweise der privaten Lebensführung dienende Gegenstände zu nennen, es sei denn der Handel, die Herstellung, die Verarbeitung oder die Vermietung dieser Gegenstände stellen den Hauptzweck des Betriebes dar. Für die Praxis sehr relevant ist, dass Anteile an Kapitalgesellschaften auch zum schädlichen Verwaltungsvermögen gehören können, wenn die unmittelbare Beteiligung 25% oder weniger beträgt.
Nachfolgend sollen jedoch Grundstücke im Zentrum stehen. Zum schädlichen Verwaltungsvermögen gehören nämlich auch Dritten zur Nutzung überlassene Grundstücke. Konkret heißt es im Gesetz in § 13b Abs. 4 Nummer 1 ErbStG, dass Dritten zur Nutzung überlassene Grundstücke, Grundstücksteile, grundstücksgleiche Rechte und Bauten zum Verwaltungsvermögen gehören.
In Satz 2 der Vorschrift erfolgt dann jedoch eine Aufzählung von mehreren sogenannten Rückausnahmen. So sind (auch wieder nur als beispielsweise Aufzählung gedacht) Nutzungsüberlassungen im Rahmen der Verpachtung eines ganzen Betriebes regelmäßig unschädlich. So zumindest unter den Voraussetzungen des § 13b Absatz 4 Nummer 1 Buchstabe b ErbStG. Weiterhin sind Nutzungsüberlassungen an Dritte außen vor und nicht mehr schädlich, wenn sowohl der überlassende Betrieb als auch der nutzende Betrieb zu einem Konzern gehören. Auch wenn es sich um ein sogenanntes Wohnungsunternehmen handelt, liegt in den Immobilien kein schädliches Verwaltungsvermögen.
Aktuell ist jedoch fraglich, ob einem Dritten zur Nutzung überlassene Immobilien tatsächlich schädliches Verwaltungsvermögen bei der Erbschaftsteuer bzw. Schenkungsteuer sein können, wenn der eigentliche Gewerbebetrieb mit der Immobilie betrieben wird und auch erst möglich ist. Auch wenn man an dieser Stelle meint, dass auch solches Immobilienvermögen dann begünstigt sein muss, hat das erstinstanzliche Finanzgericht Köln in seiner Entscheidung vom 10.6.2021 unter dem Aktenzeichen 7 K 2718/20 im Sinne der Finanzverwaltung entschieden. Danach wird die Überlassung von Grundstücksteile im Rahmen eines Parkhausbetriebes als nicht begünstigtes Verwaltungsvermögen eingestuft.
Die erstinstanzlichen Richter aus Köln subsumieren insoweit wie folgt: Unter den Begriff „Dritten zur Nutzung überlassene Grundstücke, Grundstücksteile” im Sinne von § 13b Abs. 4 Nr. 1 ErbStG fallen grundsätzlich auch solche Grundstücksteile, die im Rahmen eines (ertragsteuerlich) originären gewerblichen Geschäftsbetriebes zusammen mit weiteren gewerblichen Leistungen (hier: Betrieb eines Parkhauses) überlassen werden. Der Gesetzgeber sieht nur unter engen Voraussetzungen die Nutzungsüberlassung von Grundstücken an Dritte als verwaltungsvermögensunschädlich an. Eine Rückausnahme von der Eigenschaft als Verwaltungsvermögen wird nur dann zugelassen, wenn der Charakter des Verwaltungsvermögens durch eine unternehmerische Tätigkeit überlagert wird.
Die Überlassung von Grundstücksteilen (vorübergehende Vermietung von Parkplätzen) im Rahmen eines Parkhausbetriebes führt zu von der Begünstigung des Betriebsvermögens ausgeschlossenem Verwaltungsvermögen im Sinne des § 13b Abs. 4 Nr. 1 ErbStG. Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht im Hinblick darauf, dass es sich bei dem Betrieb eines Parkhauses nach ertragsteuerlichen Grundsätzen um eine originär gewerbliche Tätigkeit handelt.
Ein Parkhausgrundstück stellt daher nach Auffassung des erstinstanzlichen Finanzgerichts Köln kein begünstigtes Vermögen im Sinne des § 13b Abs. 2 ErbStG dar.
Mit der Frage, was nun alles zum schädlichen Verwaltungsvermögen gehört, muss sich aktuell auch der Bundesfinanzhof in München unter dem Aktenzeichen II R 27/21 beschäftigen. Vorliegend geht es konkret um die Frage, ob die gesetzliche Regelung des § 13b Absatz 4 Nummer 1 ErbStG derart einschränkend auszulegen ist, dass es sich bei einem Grundstück, auf welchem ein Parkhaus betrieben wird, nicht um schädliches Verwaltungsvermögen handelt, da die Grundstücksüberlassung beim Parkhausbetrieb den Hauptzweck der unternehmerischen Tätigkeit darstellt.
Betroffene, die ähnliche Konstellationen vorzuweisen haben, sollten sich daher an das höchstrichterliche Musterverfahren anhängen. Insbesondere bei einem Hotelbetrieb im eigenen Grundstück könnte es sich dabei um eine ähnliche Konstellation handeln.
9. Für Unternehmer: Was gilt bei der Betriebsaufspaltung mit minderjährigen Kindern?
Im Urteilssachverhalt, der der Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 14.4.2021 zugrunde lag, ging es unter dem Aktenzeichen X R 5/19 um einen Fall der Betriebsaufspaltung, in dem an der Betriebsgesellschaft auch ein minderjähriges Kind beteiligt war.
Der Sachverhalt skizzierte sich im Wesentlichen wie folgt: Die klagende Steuerpflichtige beherrschte das Besitzunternehmen. Tatsächlich beherrschte sie allerdings das Betriebsunternehmen in Form einer GmbH nicht, da sie lediglich zu 50% an der GmbH beteiligt war. Daran ändert sich auch nichts dadurch, dass sie zur Geschäftsführerin der GmbH bestellt war. Die Anteile ihres minderjährigen Kindes konnten nämlich der Klägerin aufgrund mangelnder gleich gelagerter Interessen nicht zugerechnet werden. So die Zusammenfassung der Entscheidung des Bundesfinanzhofs.
Dezidiert argumentierten die obersten Finanzrichter wie folgt: Eine Betriebsaufspaltung setzt immer voraus, dass einer Betriebsgesellschaft wesentliche Grundlagen für ihren Betrieb von einem Besitzunternehmen überlassen werden und die hinter dem Betriebs- und dem Besitzunternehmen stehenden Personen einen einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillen haben. Ein solcher einheitlicher geschäftlicher Betätigungswillen ist anzunehmen, wenn die Person oder auch eine Personengruppe, die das Besitzunternehmen beherrscht, auch in der Betriebsgesellschaft ihren Willen durchsetzen kann. So die ständige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, welche zurückzuführen ist auf eine Entscheidung des Großen Senats des Bundesfinanzhofs vom 8.11.1971 unter dem Aktenzeichen GrS 2/71.
Ob die damit umschriebenen Voraussetzungen einer sachlichen und personellen Verflechtung vorliegen, ist nach den Verhältnissen des einzelnen Falles zu entscheiden. Ist aufgrund besonderer sachlicher und personeller Gegebenheiten eine so enge wirtschaftliche Verflechtung zwischen dem Besitzunternehmen und der Betriebsgesellschaft zu bejahen, dass das Besitzunternehmen durch die Vermietung- oder Verpachtungstätigkeit über die Betriebsgesellschaft am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr teilnimmt, so ist das Besitzunternehmen nach den ständigen zur Betriebsaufspaltung ergangenen Entscheidungen des Bundesfinanzhofs gewerblich tätig. Beispielhaft ergibt sich diese Einordnung aus der Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 16.5.2013 unter dem Aktenzeichen IV R 54/11.
Eine sachliche Verflechtung setzt voraus, dass das Besitzunternehmen dem Betriebsunternehmen zumindest eine für das Betriebsunternehmen wesentliche Betriebsgrundlage überlässt. Da das überlassene Vermögen regelmäßig auch für das Besitzunternehmen eine besondere wirtschaftliche Bedeutung hat, wird (gerade) durch diese sachliche Verflechtung gewährleistet, dass die Einflussnahme auf beide Unternehmen und ihre Geschäftspolitik koordiniert wird. Denn erst durch die Überlassung einer wesentlichen Betriebsgrundlage an das Betriebsunternehmen fungiert diese als unternehmerisches Instrument der Beherrschung.
Für die personelle Verflechtung ist erforderlich, dass der Gesellschafter nach den gesellschaftsrechtlichen Stimmverhältnissen in der Lage ist, seinen Willen in beiden Unternehmen durchzusetzen, wie bereits der Bundesfinanzhof in einem Urteil vom 26.11.1992 unter dem Aktenzeichen IV R 15/91 herausgearbeitet hat. Diese Voraussetzung war ausweislich des oben bereits geschilderten Sachverhalts nicht erfüllt. Zwar war die klagende Steuerpflichtige Alleineigentümerin des überlassenen Grundstücks, allerdings war sie nicht in der Lage, auch in der GmbH ihren Willen so durchzusetzen, dass eine personelle Verflechtung gegeben ist.
Damit ein Gesellschafter eine GmbH beherrscht, ist es gesellschaftsrechtlich notwendig, dass er über die Mehrheit der Stimmrechte verfügt, die der Gesellschaftsvertrag für Gesellschafterbeschlüsse vorschreibt. Dies gilt selbst dann, wenn der Gesellschafter ansonsten die laufende Geschäftsführung innehat, also die sogenannten Geschäfte des täglichen Lebens bestimmt. Im Ergebnis reichen dementsprechend exakt 50% der Stimmen noch nicht aus.
Im Hinblick auf die personelle Verflechtung ist es entscheidend, ob die hinter dem Besitzunternehmen und der Betriebsgesellschaft stehenden Personen einen einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillen haben. Denn dann unterscheidet sich die Tätigkeit des Besitzunternehmens von der Tätigkeit eines normalen Vermieters. Ob diese Voraussetzung vorliegt, ist nach den Verhältnissen des einzelnen Falles zu entscheiden, wobei hieran nach Auffassung des Großen Senats des Bundesfinanzhofs strenge Anforderungen zu stellen sind.
Das Besitzunternehmen kann auch das Einzelunternehmen einer natürlichen Person sein, die an der Betriebsgesellschaft beteiligt ist. Auch in diesem Fall muss jedoch einwandfrei sichergestellt sein, dass dieser Gesellschafter in der Betriebsgesellschaft seinen Willen durchsetzen kann. Dazu bedarf es im Fall einer GmbH der Mehrheit der Anteile. Etwas anderes gilt nur dann, wenn für Beschlüsse der Gesellschafter eine qualifizierte Mehrheit vorgesehen ist. Dies war jedoch im vorliegenden Fall nicht gegeben. Die Anzahl der Stimmen richtete sich nach dem Umfang der Anteile. An dieser Voraussetzung hat der zehnte Senat auch in seinen Urteilen vom 30.11.2005 unter dem Aktenzeichen X R 56/04 und vom 2.9.2008 unter dem Aktenzeichen X R 32/05 ausdrücklich festgehalten. Folglich reicht eine Pattsituation, bei der ein Gesellschafter nur exakt 50% der Stimmen der Betriebsgesellschaft hält, grundsätzlich nicht aus.
Fraglich und für die allgemeine Praxis von besonderem Interesse war vorliegend jedoch die Tatsache, dass weitere Anteile an der GmbH durch ein minderjähriges Kind der klagenden Steuerpflichtigen gehalten wurden. Doch auch hier gilt: Eine über den Stimmenanteil von 50% hinausgehende Zurechnung der Stimmen des minderjährigen Kindes an die Klägerin für ertragssteuerrechtliche Zwecke kann mangels gleichgelagerter wirtschaftlicher Interessen nicht vorgenommen werden.
Die im Rahmen der Betriebsaufspaltung notwendige Beherrschung kann im Fall der Beteiligung mehrerer Personen an einem Unternehmen auch dadurch erfüllt werden, dass die an beiden Unternehmen beteiligten Personen zwar in unterschiedlicher Höhe beteiligt sind, zusammen in beiden Unternehmen aber über die Mehrheit der Stimmen verfügen. Wie im Fall der für eine Besitz-Gesellschaft entwickelten Personengruppentheorie wird bei einer Betriebsaufspaltung, bei der auf Seiten des Besitzunternehmens nur eine Person, auf Seiten des Betriebsunternehmens aber mehrere Personen beteiligt sind, das Handeln der Gesellschafter des Betriebsunternehmens durch gleichgerichtete Interessen bestimmt.
Solche gleichgerichteten Interessen lagen im Streitfall jedoch nicht im Hinblick auf die Interessen der Klägerin und ihres minderjährigen Sohns vor und konnten auch nicht zur Beherrschung der GmbH führen.
Aufgrund der Bestellung eines Ergänzungspflegers können die Anteile des minderjährigen Sohns der klagenden Steuerpflichtigen nicht zugerechnet werden. Der Ergänzungspfleger vertritt die Interessen des minderjährigen Sohns in der Betriebskapitalgesellschaft unabhängig von den Interessen der Klägerin, sodass die Vermutung gleichgelagerter wirtschaftlicher Interessen von Mutter und minderjährigem Sohn nicht zum Tragen kommt.
Gemäß § 1626 Abs. 1 Satz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) umfasst die elterliche Sorge - hier der Klägerin - zwar auch das Vermögen des Kindes (Vermögenssorge). Ist jedoch ein Ergänzungspfleger bestellt, erstreckt sich die elterliche Sorge gemäß § 1630 Abs. 1 BGB nicht auf Angelegenheiten des Kindes, für die ein Ergänzungspfleger bestellt ist. Dies betrifft gerade das Verhältnis der Eltern zum Ergänzungspfleger nach § 1909 BGB.
Aufgrund der Bestellung des Ergänzungspflegers im Beschluss vom 07.06.2010 sind ausdrücklich und vollumfänglich die Gesellschafterrechte und damit insbesondere auch die Stimmrechte des minderjährigen Gesellschafters im Verhältnis zur GmbH nicht mehr Teil der Vermögenssorge der Klägerin.
Zusammengefasst kann die Entscheidung des Bundesfinanzhofs daher wie folgt dargelegt werden:
Die personelle Verflechtung verlangt (abgesehen vom hier nicht relevanten Sonderfall der faktischen Beherrschung), dass der das Besitzunternehmen beherrschende Gesellschafter auch in der Betriebskapitalgesellschaft die Stimmenmehrheit innehat und dort in der Lage ist, seinen Willen durchzusetzen; eine Beteiligung von exakt 50% der Stimmen reicht nicht aus.
Sind sowohl ein Elternteil als auch dessen minderjähriges Kind an der Betriebskapitalgesellschaft beteiligt, sind die Stimmen des Kindes jedenfalls dann nicht dem Elternteil zuzurechnen, wenn in Bezug auf die Gesellschafterstellung des Kindes eine Ergänzungspflegschaft angeordnet ist.