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Mandantenbrief 03/2021
- Für alle (selbstständigen) Steuerpflichtigen: Keine Pfändung der Corona-Überbrückungshilfe
- Für alle Steuerpflichtigen: Neues zur Berichtigung wegen offenbarer Unrichtigkeiten
- Für alle Steuerpflichtigen: Schenkungsteuerlich sind Urenkel beim Freibetrag keine Enkel
- Für Wohnungsunternehmen: Erweiterte Gewerbesteuerkürzung bei entgeltlichen Reinigungsleistungen?
- Für Unternehmer: Kfz-Kostendeckelung bei Leasingsonderzahlung
- Für Selbstständige: Ermittlung eines Aufgabegewinns oder Veräußerungsgewinns von Anlagevermögen bei zuvor nur beschränkt abziehbaren Aufwendungen
- Für GmbH-Gesellschafter: Verdeckte Gewinnausschüttung wegen fehlender Verzinsung von Forderungen
- Für Erben: Wegfall der Steuerbefreiung für das Familienheim
- Für Kapitalanleger: Überführung von vor 2009 erworbenen Aktien vom Betriebsvermögen ins Privatvermögen
- Für Freiberufler: Auch tarifbegünstigte Veräußerung bei neuen Mandaten möglich
1. Für alle (selbstständigen) Steuerpflichtigen: Keine Pfändung der Corona-Überbrückungshilfe
Mit Beschluss vom 13.5.2020 hat das Finanzgericht Münster unter dem Aktenzeichen 1 V 1286/20 AO entschieden, dass die sogenannte Corona-Soforthilfe als zweckgebundene Forderung nicht übertragbar ist und damit auch dem Pfändungsverbot entsprechend der Regelung in § 851 Abs. 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) unterliegt.
Im Streitfall betreibt der Antragsteller (Antrag auf den vorläufigen Rechtsschutz) einen Reparaturservice und erzielt hieraus Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Aufgrund der Folgen der Corona-Pandemie war es dem Antragsteller nicht möglich, Reparaturaufträge zu erhalten. Dementsprechend beantragte er im März 2020 zur Aufrechterhaltung seines Gewerbebetriebes beim Bundesland Nordrhein-Westfalen eine Corona-Soforthilfe. Diese wurde ihm in seiner Eigenschaft als Kleinstunternehmer und Soloselbstständiger in Höhe von 9.000 Euro bewilligt und auch ausgezahlt.
Das Konto, auf das die Corona-Soforthilfe ausgezahlt wurde, war jedoch wegen Umsatzsteuerschulden aus Vorjahren durch das Finanzamt mit einem Pfändungs- und Einziehungsverfügung belastet. Die logische Folge: Die Bank verweigerte die Auszahlung der Corona-Soforthilfe. Der Antragsteller begehrte deshalb im Rahmen einer einstweiligen Anordnung die einstweilige Einstellung der Pfändung des Girokontos.
Der erste Senat des Finanzgerichts Münster hat mit der oben bereits zitierten Entscheidung mittels Beschluss dem Antrag stattgegeben und das Finanzamt verpflichtet, die Kontenpfändung bis Juni 2020 einstweilen einzustellen und die Pfändungs- und Einziehungsverfügung aufzuheben.
Die Argumentation der erstinstanzlichen Richter: Für den gerichtlichen Antrag bestehe ein Rechtsschutzbedürfnis, weil die Corona-Soforthilfe nicht von den zivilrechtlichen Pfändungsschutzregeln erfasst werde. Die Vollstreckung und die Aufrechterhaltung der Pfändungs- und Einziehungsverfügung führen vielmehr zu einem unangemessenen Nachteil für den Antragsteller. Durch eine Pfändung des Girokonto-Guthabens, das durch den Billigkeitszuschuss in Form der Corona-Soforthilfe erhöht worden sei, werde die Zweckbindung dieses Billigkeitszuschusses beeinträchtigt. Die Corona-Soforthilfe erfolge ausschließlich zur Milderung der finanziellen Notlagen des betroffenen Unternehmens im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie. Sie diene nicht der Befriedigung von Gläubigeransprüchen, die vor dem 01.03.2020 entstanden seien und somit nicht dem Zweck, die vor dem 01.03.2020 entstandenen Ansprüche des Finanzamts zu befriedigen. Da die Corona-Soforthilfe mit Bescheid vom 27.03.2020 für einen Zeitraum von drei Monaten bewilligt worden ist, ist die Vollstreckung bis zum 27.06.2020 einstweilen einzustellen.
2. Für alle Steuerpflichtigen: Neues zur Berichtigung wegen offenbarer Unrichtigkeiten
Ausweislich der Vorschrift des § 129 der Abgabenordnung (AO) kann die Finanzbehörde Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes unterlaufen sind, jederzeit berichtigen. Bei einem berechtigten Interesse des Beteiligten, also wenn es um eine geringere Steuer geht, ist sogar zu berichtigen.
Problembehaftet sind in diesem Zusammenhang häufig die ähnlichen offenbaren Unrichtigkeiten. Darunter fallen nur mechanische Versehen wie beispielsweise Eingabe- oder Übertragungsfehler, die ebenso mechanisch, d. h. ohne weitere Prüfung, erkannt und berichtigt werden können. Abzugrenzen von den ähnlichen offenbaren Unrichtigkeiten sind hingegen Fehler im Bereich der bewussten Willensbildung. Sie sind Schreib- oder Rechenfehlern nicht ähnlich. Ihre Folgen können deshalb auch nicht aufgrund der Vorschrift nach § 129 AO berichtigt werden. Zu solchen Fehlern gehören insbesondere die Auslegung oder Nichtanwendung einer Rechtsnorm oder Fehler bei der Würdigung tatsächlicher Feststellungen. Aber auch Fehler bei der Feststellung des ermittelten Sachverhalts, also eine mangelnde Sachverhaltsaufklärung, oder der Erfassung des feststehenden Sachverhalts, wie beispielsweise die Nichtbeachtung feststehender Tatsachen oder die Annahme eines in Wirklichkeit nicht gegebenen Sachverhalts, schließen eine Berichtigung aufgrund von offenbaren Unrichtigkeiten aus. Es handelt sich dabei demnach revisionsrechtlich grundsätzlich um Rechtsfehler.
Damit insoweit § 129 AO angewendet werden kann, muss ein mechanisches Versehen feststehen. Es genügt nicht, dass es bloß möglich erscheint, dass eine ähnliche offenbare Unrichtigkeit gegeben ist. Vielmehr muss ein davon abzugrenzender Fehler bei der Willensbildung nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens ausgeschlossen sein. Besteht auch nur die ernsthafte (also mehr als theoretische) Möglichkeit eines solchen Fehlers, kommt eine Berichtigung nach § 129 Satz 1 AO nicht in Betracht. Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung und ist zuletzt durch eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 10.12.2019 unter dem Aktenzeichen IX R 23/18 bestätigt worden.
Im Weiteren gilt: Das mechanische Versehen muss auch „beim Erlass eines Verwaltungsaktes“ unterlaufen sein. Der zu berichtigende Bescheid muss dadurch offenbar unrichtig geworden sein. Aus diesem konkreten Wortlaut des Gesetzes leiten die obersten Finanzrichter der Republik in ständiger Wiederholung ab, dass es genügt, wenn sich die Unrichtigkeit bei Offenlegung des aktenkundigen Sachverhalts für jeden unvoreingenommenen (objektiven) Dritten klar und deutlich offenbart. Unerheblich ist entsprechend der höchstrichterlichen Meinung, ob der Steuerpflichtige die Unrichtigkeit allein anhand des Bescheides und der ihm vorliegenden Unterlagen erkennen konnte, wie der Bundesfinanzhof in seiner Entscheidung vom 7.11.2013 unter dem Aktenzeichen 4 R 13/11 dargelegt hat.
Ob schließlich ein mechanisches Versehen vorliegt, ist im Wesentlichen Tatfrage und muss nach den Verhältnissen des Einzelfalles und damit insbesondere nach der jeweiligen individuellen Aktenlage beurteilt werden. Ist es insoweit streitig, ob der zu berichtigende Bescheid überhaupt unrichtig ist, muss die Unrichtigkeit als solche auf der Hand liegen. Sie muss offenbar sein, also grundsätzlich ohne weiteres klar und deutlich aus dem Akteninhalt ersichtlich sein. Eine weitere Aufklärung des Sachverhalts, insbesondere durch Beweisaufnahme, kommt insofern allenfalls ergänzend (lediglich zur Absicherung) in Betracht, nicht jedoch zur Erforschung des Geschehens. An der erforderlichen Offenbarkeit fehlt es zumindest dann, wenn die Unrichtigkeit des Bescheides erst durch Abfrage subjektiver Einschätzung seinerzeit Beteiligter ermittelt werden muss. Aus diesem Grund hat der Bundesfinanzhof die Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung nicht als offenbare Unrichtigkeit angesehen und eine Befragung des Prüfers oder anderer Beteiligter in diesem Zusammenhang für untauglich erachtet. So die höchstrichterliche Entscheidung mit Urteil vom 29.1.2003 unter dem Aktenzeichen I R 20/02.
Anders ist hingegen die Sachlage, wenn die Unrichtigkeit eines Bescheides offenbar ist und feststeht. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn eine in der Steuererklärung angegebene Besteuerungsgrundlage fehlt, aber streitig ist, ob beim Erlass des Verwaltungsaktes ein mechanisches Versehen oder ein Denkfehler unterlaufen ist. Zur Beantwortung dieser für die Anwendung von § 129 Satz 1 AO entscheidenden Frage kann nicht allein auf den Akteninhalt abgestellt werden, denn die Qualität der persönlichen Fehlleistung, auf die die Rechtsprechung abstellt, ist üblicherweise in der Akte nicht dokumentiert. Lässt sich anhand des Akteninhalts nicht hinreichend sicher feststellen, ob ein mechanisches Versehen oder ein anderer Fehler zur Unrichtigkeit des Bescheides geführt hat, muss das Finanzgericht den Sachverhalt umfassend aufklären. So die aktuelle Entscheidung des Bundesfinanzhofs mit Urteil vom 10.3.2020 unter dem Aktenzeichen IX R 29/18.
Insoweit muss das Finanzamt auch die Voraussetzung der Berichtigungsvorschrift des § 129 AO beweisen können, wenn es sich auf diese Norm beruft. Sofern daher der Sachverhalt nicht abschließend aufgeklärt werden kann und auch nur eine rein theoretisch denkbare hypothetische Möglichkeit besteht, dass die Voraussetzungen der Änderungsnorm nicht gegeben sind, darf nicht berichtigt werden.
Tipp: In der Praxis sollte daher bei einem Sachverhalt, bei dem das Finanzamt aufgrund der Regelung des § 129 AO eine höhere Steuer begehrt, tunlichst darauf geachtet werden, dass auch tatsächlich beim Erlass des Verwaltungsaktes noch ein mechanisches Versehen gegeben war. Kann dies nicht zweifelsfrei dargelegt werden, wird es die Finanzverwaltung mit einer steuererhöhenden Änderung aufgrund dieser Vorschrift schwer haben.
3. Für alle Steuerpflichtigen: Schenkungsteuerlich sind Urenkel beim Freibetrag keine Enkel
Mit einem Beschluss vom 27.7.2020 über die Aussetzung der Vollziehung hat der Bundesfinanzhof unter dem Aktenzeichen II B 39/20 keine ernstlichen Zweifel daran geäußert, dass für den Erwerb eines Urenkels jedenfalls dann nur der schenkungssteuerliche Freibetrag in Höhe von 100.000 Euro zur Verfügung steht, wenn Angehörige der dazwischenliegenden Generationen (also Kinder und Enkel des Schenkers) noch am Leben sind.
Zum Hintergrund: Ausweislich der gesetzlichen Vorschrift in § 16 Abs. 1 des Erbschaftsteuergesetzes (ErbStG) bleibt in den Fällen der unbeschränkten Steuerpflicht der Erwerb der Kinder im Sinne der Steuerklasse I Nummer 2 und der Kinder verstorbener Kinder im Sinne der Steuerklasse I Nummer 2 in Höhe von 400.000 Euro steuerfrei. Der Erwerb der Kinder der Kinder im Sinne der Steuerklasse I Nummer 2 bleibt in Höhe von 200.000 Euro steuerfrei. Übrige Personen der Steuerklasse I können noch einen Freibetrag in Höhe von 100.000 Euro in Anspruch nehmen. Entsprechend der gesetzlichen Regelung in § 15 Abs. 1 ErbStG gilt die Steuerklasse I unter anderem für „die Kinder und Stiefkinder“ (Nr. 2) sowie für „die Abkömmlinge der in Nummer 2 genannten Kinder und Stiefkinder“.
Insoweit meint der Begriff „Kinder“ in § 16 Abs. 1 ErbStG nach Wortlaut und Systematik des Gesetzes eindeutig nicht Kindeskinder oder weitere Abkömmlinge, sondern ausschließlich Kinder. Dies gilt im Falle des § 16 Abs. 1 Nummer 3 ErbStG auch für die doppelte Verwendung des Wortes „Kinder“, sodass „Kinder der Kinder“ ausschließlich die Enkel sind, Urenkel jedoch nicht darunter fallen. Insoweit spricht alles dafür, dass Urenkel lediglich einen schenkungsteuerlichen Freibetrag von 100.000 Euro genießen können.
Es ist insoweit auch nicht ersichtlich, dass die von der Antragstellerin begehrte Auslegung dem Zweck der Freibeträge widersprechen würde. Vielmehr hätte die Gewährung gleicher Freibeträge auch bei Überspringen einer oder mehrerer Generationen eine Vervielfältigung der Freibeträge und damit gemessen an der Konzeption des Gesetzes eine Überbegünstigung zur Folge.
Steuerklassen und Freibeträge beruhen auf dem typisierten Grundmodell, dass jede Generation jeweils zwei Kinder hat, was die Verdopplung der Anzahl der Abkömmlinge in jeweils einer Generation zur Folge hat. Dies erklärt die Halbierung des Freibetrags für Kinder und Enkelkinder, denn bei zwei Kindern sind nach diesem Modell typischerweise vier Enkelkinder vorhanden.
Vor diesem Hintergrund ist es folgerichtig und systemgerecht, wenn sich die weitere Halbierung des Freibetrags nach § 16 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG in § 16 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG mit einem weiteren Schritt in der Generationenfolge deckt. Mit dem Übergang von der Generation der Enkel zur Generation der Urenkel verdoppelt sich wiederum die Anzahl der potentiell Begünstigten, denn bei vier Enkelkindern sind nach diesem Modell typischerweise acht Urenkel vorhanden. Zwar nimmt an dieser Stelle das Gesetz keine weiteren Halbierungen vor, was indes ohne weiteres damit zu erklären ist, dass eine Schenkung an Ururenkel sehr selten sein dürfte.
Wie der Bundesfinanzhof es daher dreht und wendet, nach diesen Maßstäben bestehen zumindest keine ernstlichen Zweifel daran, dass Urenkel lediglich einen Freibetrag in Höhe von 100.000 Euro beanspruchen können. Selbstverständlich bleibt ein etwaiges Hauptsacheverfahren abzuwarten.
4. Für Wohnungsunternehmen: Erweiterte Gewerbesteuerkürzung bei entgeltlichen Reinigungsleistungen?
Als erweiterte Gewerbesteuerkürzung bezeichnet man die Regelung in § 9 Nummer 1 Satz 2 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG). Danach tritt auf Antrag bei Unternehmen, die ausschließlich eigenen Grundbesitz oder neben eigenem Grundbesitz eigenes Kapitalvermögen verwalten und nutzen oder daneben Wohnungsbauten betreuen oder Einfamilienhäuser, Zweifamilienhäuser oder Eigentumswohnungen errichten und veräußern, anstelle der üblichen Kürzung, also der Kürzung in Höhe von 1,2 % des Einheitswertes des zum Betriebsvermögen gehörenden Grundbesitzes, die Kürzung um den Teil des Gewerbeertrages, der auf die Verwaltung und Nutzung des eigenen Grundbesitzes entfällt.
Vor dem Hintergrund dieser Regelung musste die Finanzgerichtsbarkeit entscheiden, ob entgeltliche Reinigungsleistungen an die Gesellschafterin einer GmbH als schädliche eigenständige Nebentätigkeiten eingeordnet werden müssen. In diesem Zusammenhang entspricht es dabei der ständigen Rechtsprechung der obersten Gerichte, dass der Begriff der Ausschließlichkeit gleichermaßen qualitativ, quantitativ wie zeitlich zu verstehen ist.
Dementsprechend ist die erweiterte Gewerbesteuerkürzung grundsätzlich ausgeschlossen, wenn die Verwaltung oder Nutzung des eigenen Grundbesitzes die Grenzen der Gewerblichkeit überschreitet. Eine gewerbliche Betätigung, die nicht zu den im Gesetz genannten unschädlichen Nebentätigkeiten zählt, schließt daher grundsätzlich die erweiterte Kürzung aus, selbst wenn sie von absolut untergeordneter Bedeutung ist. Die neben der Vermögensverwaltung des Grundbesitzes erlaubten, jedoch nicht begünstigten Tätigkeiten sind dabei abschließend im Gesetz aufgezählt. Darüber hinaus sind Nebentätigkeiten lediglich ausnahmsweise nicht begünstigungsschädlich, wenn sie der Verwaltung und Nutzung des eigenen Grundbesitzes im engeren Sinne dienen und als zwingend notwendiger Teil einer wirtschaftlich sinnvoll gestalteten eigenen Grundstücksverwaltung und Grundstücksnutzung angesehen werden können.
Diese Grundsätze hatte bereits der Bundesfinanzhof in seiner Entscheidung vom 17.5.2006 unter dem Aktenzeichen VIII R 39/05 dargelegt. In der genannten Entscheidung stellten die obersten Finanzrichter der Republik ebenso fest, dass auch eine geringfügige Mitvermietung von Betriebsvorrichtungen einer ausschließlichen Grundstücksverwaltung im Sinne der Vorschrift entgegensteht und somit bei Mitvermietung von Betriebsvorrichtungen keine erweiterte Kürzung in Anspruch genommen werden kann. Für die Praxis eine durchaus bittere Entscheidung.
Vor diesem Hintergrund kam das Finanzgericht Berlin-Brandenburg in seiner Entscheidung vom 7.7.2020 unter dem Aktenzeichen 8 K 8320/17 zu dem Schluss, dass wenn ein ansonsten unstreitig grundstücksverwaltendes Unternehmen unter anderem durch eine angestellte Reinigungskraft entgeltliche Reinigungsleistungen im fremden Gebäuden erbringt, die nicht zwingend als notwendiger Teil einer wirtschaftlich sinnvoll gestalteten eigenen Grundstücksverwaltung anzusehen sind, dem Unternehmer die erweiterte Gewerbesteuerkürzung nicht zusteht. Wie schon eingangs gesagt, ging es im Streitfall konkret um die Reinigung des Treppenhauses und des Hauseingangs eines im Eigentum der Gesellschafter des Unternehmens stehenden Hauses. Insoweit führt das erstinstanzliche Finanzgericht Berlin-Brandenburg ebenso weiterhin aus, dass die Übernahme von Reinigungsleistungen an fremden Gebäuden auch keine „Betreuung von Wohnungsbauten“ im Sinne der Vorschrift darstellt.
Das Gericht hat es dabei offen gelassen, ob das streitgegenständliche Gebäude überhaupt ein solcher Wohnungsbau ist, da die Richter ganz konkret davon ausgegangen sind, dass keine Betreuungsleistungen gegeben sind.
Insoweit ist es umstritten, ob „Wohnungsbauten“ auch gemischt-genutzte Gebäude umfassen oder nicht. In der Rechtsprechung wird insoweit die Meinung vertreten, dass gemischt-genutzte Gebäude keine Wohnungsbauten sind. In diesem Zusammenhang hatte bereits das Niedersächsische Finanzgericht in einer Entscheidung vom 19.9.2018 unter dem Aktenzeichen 10 K 174/16 schlicht definiert, dass ausgehend von dem Wortlaut des Begriffes „Wohnungsbauten“ der Begriff ausschließlich Gebäude umfasst, die zu Wohnzwecken genutzt werden. Die Richter kamen seinerzeit insbesondere zu diesem Schluss, da eine gesetzliche Definition des Begriffes „Wohnungsbauten“ nicht gegeben ist. Ganz konkret muss an dieser Stelle jedoch angefügt werden, dass gegen die erstinstanzliche Entscheidung des Niedersächsischen Finanzgerichtes noch die Revision beim Bundesfinanzhof anhängig ist. Unter dem Aktenzeichen IV R 32/18 muss nämlich noch geklärt werden, ob eine „Betreuung von Wohnbauten“ auch dann gegeben sein kann, wenn zu dem auch verwalteten fremden Grundbesitz in untergeordnetem Umfang Gebäudeeinheiten gehören, in denen sich nicht nur Wohnungen, sondern auch vereinzelt Gewerbeeinheiten befinden.
Im vorliegenden Fall des Finanzgerichtes Berlin-Brandenburg sollte jedoch die Frage des Wohnungsbaus überhaupt nicht weiter problematisiert werden. Im Streitfall gehen die Richter vielmehr davon aus, dass es bereits an einer Betreuungsleistungen durch das Unternehmen fehlt. Insoweit definiert allerdings das Gesetz nicht selbst, was unter einer Betreuung zu verstehen ist. Die Betreuung wird deshalb in der Literatur funktionell verstanden, so die Richter des Finanzgerichtes Berlin-Brandenburg. Soweit es um die Errichtung von Wohngebäuden geht, wird unter Betreuung jede technische, finanzielle und wirtschaftliche Hilfe und Unterstützungshandlung hierbei verstanden. Die Rechtsprechung versteht den Anwendungsbereich aber nicht einschränkend auf Baubetreuung, sondern erfasst auch die Bewirtschaftungsbetreuung bereits fertig gestellter Gebäude. Insoweit wird hierzu auf die Tätigkeit als Verwalter von Wohnungseigentumsanlagen verwiesen.
Die Übernahme der Reinigung eines Treppenhauses kann allerdings selbst nicht als Bewirtschaftungsbetreuung angesehen werden, denn insoweit handelt es sich nur um einen Ausschnitt der Wohnungsbewirtschaftung selbst. Eine Gebäudereinigung gehört zwar zu den Tätigkeiten, die für eine ordnungsgemäße Instandhaltung eines Gebäudes erforderlich sind, die Reinigungsleistung ist aber keine Betreuungsleistung.
Weil jedoch der Bundesfinanzhof bisher zur Reichweite der Betreuungsleistung keine Stellung genommen hat, musste das Finanzgericht Berlin-Brandenburg zur Fortbildung des Rechts die Revision zulassen. Abschließend wird sich daher nochmals der Bundesfinanzhof unter dem Aktenzeichen III R 49/20 mit der Angelegenheit befassen und klären müssen, ob nicht gegebenenfalls doch eine unschädliche Nebentätigkeit vorliegt und die erweiterte Gewerbesteuerkürzung sehr wohl in Anspruch genommen werden kann. Die Angelegenheit wird daher noch spannend bleiben.
5. Für Unternehmer: Kfz-Kostendeckelung bei Leasingsonderzahlung
Ausweislich der Regelung in § 163 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) können Steuern niedriger festgesetzt werden und einzelne Besteuerungsgrundlagen, die die Steuern erhöhen, können bei der Festsetzung der Steuer unberücksichtigt bleiben, wenn die Erhebung der Steuer nach Lage des einzelnen Falles unbillig wäre.
Billigkeitsmaßnahmen der Finanzverwaltung dienen dabei allein der Anpassung des steuerrechtlichen Ergebnisses an die Besonderheiten des Einzelfalls, um Rechtsfolgen auszugleichen, die das Ziel der typisierenden gesetzlichen Vorschrift verfehlen und deshalb ungerecht erscheinen. Sie gleichen Härten im Einzelfall aus, die der steuerrechtlichen Wertentscheidung des Gesetzgebers nicht entsprechen und damit zu einem vom Gesetzgeber nicht gewollten Ergebnis führen. Durch Billigkeitsmaßnahmen darf die allgemeine Geltung des Gesetzes aber nicht unterlaufen werden.
Im Zuge der Vereinheitlichung der Anwendung von Billigkeitswegen kann das Bundesministerium der Finanzen daher Verwaltungsvorschriften erlassen, die die entscheidenden Ermessenserwägungen der Finanzbehörde festschreiben und damit deren Ermessen auf null reduzieren.
Ein solches Ermessenslenken der Verwaltungsentscheidung ist auch im Schreiben des Bundesfinanzministeriums vom 18.11.2009 enthalten. Darin hat das Finanzministerium grundsätzlich eine Begrenzung der pauschalen Wertansätze nach der Ein-Prozent-Methode zugelassen. Gemeint ist die sogenannte Kostendeckelung. Zum Hintergrund: Der pauschale Nutzungswert nach der Ein-Prozent-Methode kann die für das genutzte Kraftfahrzeug insgesamt tatsächlich entstandenen Aufwendungen übersteigen.
Wird dies im Einzelfall nachgewiesen, so sind diese Beträge höchstens mit den Gesamtkosten des Kraftfahrzeugs anzusetzen. Bei mehreren privat genutzten Kraftfahrzeugen könnten die zusammengefassten pauschal ermittelten Wertansätze auf die nachgewiesenen tatsächlichen Gesamtaufwendungen dieser Kraftfahrzeuge begrenzt werden. Eine fahrzeugbezogene „Kostendeckelung“ ist also zulässig. Zu den Gesamtaufwendungen für das Kraftfahrzeug (Gesamtkosten) gehören Kosten, die unmittelbar dem Halten und dem Betrieb des Kraftfahrzeugs zu dienen bestimmt sind und im Zusammenhang mit seiner Nutzung zwangsläufig anfallen würden, nicht aber die Sonderabschreibungen. Außergewöhnliche Kraftfahrzeugkosten sind dagegen vorab der beruflichen oder privaten Nutzung zuzurechnen. Aufwendungen, die ausschließlich der privaten Nutzung zuzurechnen sind, sind vorab als Entnahme zu behandeln.
Sofern jedoch ausweislich des vorgenannten Schreibens der Finanzverwaltung ein Anspruch im Billigkeitswege auf Anwendung der sogenannten Kostendeckelung für einen Veranlagungszeitraum infrage kommt, kommt die Anwendung dieser Billigkeitsregelung nicht in Betracht, wenn die in diesem Jahr zu erfassenden Betriebsausgaben zuzüglich einmalig geleisteter Betriebsausgaben anderer Veranlagungszeiträume den Ansatz nach der Ein-Prozent-Methode übersteigen. Bei den Betriebsausgaben anderer Veranlagungszeiträume handelt es sich insbesondere häufig um die Leasingsonderzahlung, welche auch für den jeweiligen Veranlagungszeitraum geleistet wurde.
Die von der Finanzverwaltung im Rahmen der Anwendung der sogenannten Kostendeckelung getroffene Auslegung des Begriffs der „tatsächlich entstandenen Aufwendungen“ als nicht rein steuerrechtlichen, sondern darüber hinaus wirtschaftlichen Begriff zu sehen, ist insoweit nicht bedenklich. Die Anwendung des Zu- und Abflussprinzips im Sinne des § 11 des Einkommensteuergesetzes (EStG) bei der Kostendeckelung hinsichtlich einer Leasingsonderzahlung widerspricht hingegen ausweislich der Auffassung des Schleswig-Holsteinischen Finanzgerichtes mit Urteil vom 26.8.2020 unter dem Aktenzeichen 5 K 194/18 dem Gleichheitsgrundsatz und dem Grundsatz der Gesamt- und Totalgewinngleichheit.
Dieser Aussage folgend hat auch das erstinstanzliche Gericht die Kfz-Kostendeckelung, wie vom Finanzamt verlangt, nicht gewährt. Ob nun eine Unbilligkeit darin liegt, dass bei der Deckelung des nach der Ein-Prozent-Methode ermittelten Entnahmewerts für die private Fahrzeugnutzung auf die tatsächlichen Kosten bei einem Überschussrechner nicht allein auf die in den Streitjahren abgeflossen Fahrzeugkosten abgestellt wird, sondern zusätzlich der rechnerisch auf die Streitjahre entfallende Anteil der in früheren Veranlagungszeiträumen für das Fahrzeug geleisteten Leasingsonderzahlung zu berücksichtigen ist, klärt aktuell der Bundesfinanzhof unter dem Aktenzeichen VIII R 26/20.
Betroffene Steuerpflichtige sollten daher in vergleichbaren Fällen Einspruch einlegen und auf das Musterverfahren verweisen.
6. Für Selbstständige: Ermittlung eines Aufgabegewinns oder Veräußerungsgewinns von Anlagevermögen bei zuvor nur beschränkt abziehbaren Aufwendungen
In zwei unterschiedlichen Verfahren hat der Bundesfinanzhof in München klargestellt, dass bei der Ermittlung eines Aufgabegewinns oder des Veräußerungsgewinns von Wirtschaftsgütern aus dem Betriebsvermögen immer der sich nach Abzug der Abschreibung ergebende Buchwert des entsprechenden Wirtschaftsgutes maßgeblich ist. Dies gilt selbst dann, wenn während der Ausübung der unternehmerischen Tätigkeit die Abschreibung nicht oder nicht komplett gewinnmindernd berücksichtigt werden durfte.
In einem ersten Verfahren geht es dabei um das häusliche Arbeitszimmer. Im vorliegenden Fall hatte der Unternehmer seine unternehmerische Tätigkeit eingestellt, sodass es zur Ermittlung eines Aufnahmegewinns kam. In diesem Zusammenhang stellt das oberste Finanzgericht der Republik fest, dass bei der Ermittlung des Aufgabegewinns der sich ausweislich der Buchführung ergebende Buchwert des häuslichen Arbeitszimmers zu berücksichtigen ist, wie er sich nach Abzug der Abschreibung ergibt.
Konkret führt das Gericht wie folgt aus: Zu den Einkünften aus selbstständiger Arbeit gehört der Gewinn aus der Veräußerung des Vermögens, das der unternehmerischen Tätigkeit dient. Als Veräußerung gilt in diesem Zusammenhang auch die Aufgabe des Betriebes. Der Aufgabegewinn ist durch Gegenüberstellung des sich aus der Schlussbilanz ergebenden Buchwertes des Betriebsvermögens einerseits und des Aufgabe-Endvermögens andererseits zu ermitteln. Dies ist bereits zurückzuführen auf eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 7.3.1996 unter dem Aktenzeichen IV R 52/93. Werden im Zusammenhang mit der Betriebsaufgabe die entsprechenden Wirtschaftsgüter nicht veräußert, so ist für die Ermittlung des Aufgabe-Endvermögens der gemeine Wert im Zeitpunkt der Aufgabe anzusetzen.
Der Wert des Betriebsvermögens ist dabei (auch bei einem Einnahme-Überschuss-Rechner) mit einer Schlussbilanz zu ermitteln. Steuerpflichtige, die zuvor eine Einnahme-Überschuss-Rechnung erstellt haben, müssen zur Ermittlung des Werts des Betriebsvermögens im Aufgabezeitpunkt zum Betriebsvermögensvergleich übergehen.
Insoweit ist ein zum notwendigen Betriebsvermögen gehörendes häusliches Arbeitszimmer als selbstständiges Wirtschaftsgut des Anlagevermögens mit den Anschaffungskosten, vermindert um die Abschreibung, in die Schlussbilanz aufzunehmen. Weitergehend stellen die obersten Finanzrichter der Republik dann fest, dass der nach Abzug der Abschreibung ergebende Buchwert des häuslichen Arbeitszimmers ungeachtet der Abzugsbeschränkung des häuslichen Arbeitszimmers in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nummer 6b des Einkommensteuergesetzes (EStG) für die Berechnung des Aufgabegewinns maßgebend ist.
Nach Auffassung des Bundesfinanzhofs steht dem nicht entgegen, dass der Betriebsausgabenabzug für das häusliche Arbeitszimmer, welches nicht den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Tätigkeit gebildet hatte, entsprechend der Abzugsbeschränkung auf 1.250 Euro jährlich beschränkt war und zu den nur beschränkt abziehbaren Aufwendungen auch die Abschreibung gehörte.
Insoweit schließt die teilweise beschränkte Abziehbarkeit der Aufwendungen für das Arbeitszimmer einschließlich der Abschreibung weder die Zugehörigkeit des Arbeitszimmers zum Betriebsvermögen aus, noch beeinflusst sie den für das Arbeitszimmer zu ermittelnden Buchwert. Insoweit hatte bereits der Bundesfinanzhof in einer Entscheidung vom 25.3.2015 unter dem Aktenzeichen X R 14/12 entschieden, dass bei der Berechnung des Gewinns aus der Veräußerung eines zum notwendigen Betriebsvermögen gehörenden Wirtschaftsgutes grundsätzlich der Buchwert im Veräußerungszeitpunkt anzusetzen ist. Eine Erhöhung des Buchwerts um den nicht abzugsfähigen Teil der Absetzung für Abnutzung darf insoweit nicht vorgenommen werden. In der damaligen Entscheidung ging es dabei um ein zum notwendigen Betriebsvermögen gehörendes Wohnmobil. Diese Grundsätze sind auch auf das häusliche Arbeitszimmer zu übertragen.
Insoweit begrenzen die Regelungen in § 4 Abs. 5 EStG zwar die abziehbaren Betriebsausgaben, setzen aber die übrigen Regelungen der Bewertung und Abschreibung für betroffene Wirtschaftsgüter nicht außer Kraft. Die nicht abziehbaren Betriebsausgaben werden bei einem nur teilweisen Abzugsverbot wie im Streitfall zunächst in voller Höhe als Betriebsausgaben erfasst, wodurch sich der Buchwert des Arbeitszimmers um den vollen Betrag der Abschreibung vermindert, und bei der Ermittlung des Jahresergebnisses dem Gewinn wieder hinzugerechnet. Die infolge der Abzugsbeschränkung teilweise nicht abziehbare Abschreibung kann auch nicht auf andere Weise gewinnmindernd bei der Ermittlung des Aufgabegewinns berücksichtigt werden.
Folglich kommt der Bundesfinanzhof in seinem Urteil vom 16.06.2020 unter dem Aktenzeichen VIII R 15/17 zu dem Schluss, dass der sich nach Abzug der Abschreibung ergebende Buchwert des häuslichen Arbeitszimmers auch dann für die Berechnung des Aufgabegewinns maßgeblich ist, wenn die Abziehbarkeit der Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer während der Ausübung der unternehmerischen Tätigkeit beschränkt war. Eine Gewinnkorrektur im Hinblick auf den nicht abzugsfähigen Teil der Abschreibung kommt nach Auffassung des Bundesfinanzhofs nicht in Betracht.
Die Besteuerung des Aufgabegewinns unter Berücksichtigung des um die nicht abziehbare Abschreibung geminderten Buchwerts des häuslichen Arbeitszimmers soll insoweit nicht gegen Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) verstoßen, insbesondere soll nicht gegen den Grundsatz der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit verstoßen werden. Die etwas merkwürdige Begründung dazu: Die bei der Berechnung des laufenden Gewinns verfassungsrechtlich zulässige Beschränkung des Betriebsausgabenabzugs wird im Rahmen der Besteuerung der Betriebsaufgabe nicht vertieft, sondern lediglich nicht wieder rückgängig gemacht.
Für die Praxis muss man daher durchaus überlegen, ob ein häusliches Arbeitszimmer auch tatsächlich zum notwendigen Betriebsvermögen gehören muss. Dem könnte entgegengewirkt werden, indem mittels privater Mitbenutzung des Raumes kein notwendiges Betriebsvermögen mehr gegeben ist. Auf diese Weise würde unter dem Strich dann auch verhindert werden, dass bei Betriebsaufgabe oder Betriebsveräußerung eine Besteuerung des Teils der Abschreibung stattfindet, die niemals steuermindernd berücksichtigt wurde.
Auf eine Änderung der Rechtsprechung dem Grunde nach ist jedoch eher nicht zu hoffen, da insbesondere hinsichtlich der Ermittlung des Gewinns aus der Veräußerung eines zum Betriebsvermögen gehörenden, jedoch teilweise privat genutzten Kraftfahrzeuges eine ganz ähnliche Entscheidung mit Urteil vom 16.06.2020 unter dem Aktenzeichen VIII R 9/18 ergangen ist. Im Grunde geht auch hier die Entscheidung in dieselbe Richtung: Wird ein zum Betriebsvermögen gehörendes, jedoch teilweise privat genutztes Kraftfahrzeug veräußert, erhöht der gesamte Unterschiedsbetrag zwischen Buchwert und Veräußerungserlös den Gewinn. Der tatsächliche Umstand, dass die für das Fahrzeug wirklich in Anspruch genommene Abschreibung infolge der Besteuerung der Nutzungsentnahme bei wirtschaftlicher Betrachtung teilweise neutralisiert wird, soll insoweit weder eine lediglich anteilige Berücksichtigung des Veräußerungserlöses bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinns noch eine gewinnmindernde Korrektur des Veräußerungsgewinns in Höhe der auf die private Nutzung entfallende Abschreibung rechtfertigen.
Im Endeffekt wird man mit dieser Rechtsprechung leben müssen, auch wenn sie dem steuerlichen Gerechtigkeitsgefühl widerspricht.
7. Für GmbH-Gesellschafter: Verdeckte Gewinnausschüttung wegen fehlender Verzinsung von Forderungen
In der Praxis geht es immer wieder um die Frage, ob eine nicht angemessene Verzinsung einer auf einem Verrechnungskonto ausgewiesenen Forderung der Gesellschaft gegenüber ihrem Gesellschafter als eine verdeckte Gewinnausschüttung in Gestalt einer verhinderten Vermögensmehrung gelten kann. Ganz aktuell kommt diesbezüglich das Schleswig-Holsteinische Finanzgericht in seiner Entscheidung vom 28.5.2020 unter dem Aktenzeichen 1 K 67/17 zu dem Schluss, dass eine nicht erfolgte Verzinsung der Forderungen gegenüber dem Gesellschafter zumindest dem Grunde nach eine verdeckte Gewinnausschüttung darstellen kann.
Zunächst daher eine kurze Standortbestimmung zur Thematik: Verdeckte Gewinnausschüttungen im Sinne der Vorschrift in § 8 Abs. 3 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) sind nach ständiger Rechtsprechung Vermögensminderungen und verhinderte Vermögensmehrungen, die nicht auf einer offenen Gewinnausschüttung beruhen, sich auf den Unterschiedsbetrag im Sinne des § 4 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG), also den Gewinn, auswirken und durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst sind. Vorstehende Definition kann dabei unter anderem dem Urteil des Bundesfinanzhofs vom 10.7.2002 unter dem Aktenzeichen I R 37/01 entnommen werden.
Verdeckte Gewinnausschüttungen können in der Gestalt einer verhinderten Vermögensmehrung insbesondere auch insoweit gegeben sein, als ein Verrechnungskonto des Gesellschafters bei der GmbH, das ein Saldo zugunsten der Kapitalgesellschaft aufweist, nicht angemessen verzinst wird. Der Grund: Für Verrechnungskonten gelten dieselben Grundsätze wie für Darlehensgewährungen zwischen der Kapitalgesellschaft und ihrem Gesellschafter. Dies hat bereits der Bundesfinanzhof in einer Entscheidung vom 23.6.1981 unter dem Aktenzeichen VIII R 102/80 klargestellt. Danach gilt: Führt die Kapitalgesellschaft für ihre Gesellschafter, die bei ihr angestellt sind, Verrechnungskonten, von denen sie nach Einbuchung der Gehälter Auszahlungen für private Zwecke der Gesellschafter vornimmt, so liegen in Höhe der die Gehaltsbuchung übersteigenden Sollbuchungen auf den Verrechnungskonten Kreditgewährungen der Gesellschaft an ihre Gesellschafter vor.
Schon damals haben die obersten Finanzrichter der Republik klargestellt, dass Einkünfte aus Kapitalvermögen der Gesellschafter in Form von verdeckten Gewinnausschüttungen dabei insoweit in Betracht kommen, als der Kredit zinslos oder zu einem unangemessen niedrigen Zins gewährt wird. In jüngerer Vergangenheit schlägt auch das erstinstanzliche Finanzgericht München mit Urteil vom 25.4.2016 in seinem rechtskräftigen Urteil unter dem Aktenzeichen 7 K 531/15 in dieselbe Kerbe. Auch aufgrund dieser Entscheidung stellt die fehlende Verzinsung eines Gesellschafter-Verrechnungskontos eine verdeckte Gewinnausschüttung dar, wenn eine GmbH, wie im Streitfall, von Anfang an auf die Rückzahlung der als Darlehen bezeichneten und ihrem beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer gewährten Beträge verzichtet.
Die Begründung ähnelt sich dabei in allen diesen Entscheidungen: Ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter würde einem fremden Dritten keine Darlehen zinslos überlassen. Ein dennoch erfolgter Zinsverzicht gegenüber dem Gesellschafter stellt deshalb eine durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasste verhinderte Vermögensmehrung dar, die als verdeckte Gewinnausschüttung zu beurteilen ist.
Fraglich bleibt daher im nächsten Schritt die Höhe der verdeckten Gewinnausschüttung. Im vorliegenden Fall hatte die GmbH die Gelder, die sie über das Verrechnungskonto an ihren Gesellschafter ausgereicht hatte, nicht refinanziert. Für diesen Fall legte das Gericht fest, dass sich die verdeckte Gewinnausschüttung der Höhe nach danach bestimmt, welche Zinsen die GmbH hätte erzielen können, wenn sie die Gelder auf der Grundlage eines hypothetischen Darlehensvertrages an einen fremden Dritten gegeben hätte.
In diesem Zusammenhang ist es dann wie so häufig: Wenn hypothetische Annahmen getroffen werden, läuft die eigentliche Ermittlung regelmäßig auf eine Schätzung hinaus. Für diese Schätzung muss dann die sogenannte Bandbreitenbetrachtung genutzt werden. Dabei dürften die banküblichen Haben-Zinsen, die die GmbH erzielen könnte, als Untergrenze gelten, während die banküblichen Soll-Zinsen als Obergrenze für die verhinderte Vermögensmehrung angesetzt werden können. Sollte man im Einzelfall auch solche Daten nicht konkret ermitteln können, ist als letztes Mittel auf die statistischen Werte der Bundesbank zurückzugreifen.
Im Hinblick auf das aktuelle Niedrigzinsumfeld wäre es natürlich schön, bei der Bemessung der verdeckten Gewinnausschüttung allein darauf abzustellen, in welcher Höhe die GmbH auf die Erzielung möglicher Guthabenzinsen verzichtet hat. Gerade wegen des Niedrigzinsumfeldes wird insoweit eine hohe Guthabenverzinsung bei einer Bank regelmäßig nicht möglich sein, da insoweit der Zinsertrag definitiv nur marginal sein wird. Diese Vorgehensweise kommt jedoch für das Finanzgericht Schleswig-Holstein nicht in Betracht. Ein Grund dafür ist auch, dass der Zinssatz schon deshalb immer für den konkreten Einzelfall zu bestimmen ist, damit das Risiko, dass das Darlehen nicht zurückgezahlt werden kann, ebenso individuell berücksichtigt wird.
Auch wenn die Entscheidung des Finanzgerichtes Schleswig-Holstein sehr eindeutig ist, haben die erstinstanzlichen Richter die Revision zum Bundesfinanzhof zugelassen. Erfreulicherweise wird dieser daher noch mal die Gelegenheit bekommen, sich mit der Frage zu beschäftigen, ob die nicht angemessene Verzinsung einer auf einem Verrechnungskonto ausgewiesenen Forderung der Gesellschaft gegenüber ihrem Gesellschafter zu einer verdeckten Gewinnausschüttung in Gestalt einer verhinderten Vermögensmehrung führen kann. Das Urteil dürfte sicherlich mit Spannung zu erwarten sein. Zwar ist es durchaus vorstellbar, dass insoweit die Richter die Auffassung ihrer erstinstanzlichen Kollegen teilen, jedoch wird es sicherlich auch interessant sein, welche Aussagen die obersten Finanzrichter zum Thema der Bewertung der verdeckten Gewinnausschüttung machen.
8. Für Erben: Wegfall der Steuerbefreiung für das Familienheim
Ausweislich der gesetzlichen Regelung in § 13 Abs. 1 Nummer 4b des Erbschaftsteuergesetzes (ErbStG) ist der Erwerb von Todes wegen des Eigentums oder Miteigentums an einem im Inland gelegenen bebauten Grundstücks durch den überlebenden Ehegatten oder den überlebenden Lebenspartner von der Erbschaftsteuer befreit, soweit der Erblasser darin bis zum Erbfall eine Wohnung zu eigenen Wohnzwecken genutzt hat oder bei der er aus zwingenden Gründen an einer Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken gehindert war und die ebenfalls beim Erwerber unverzüglich zur Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken bestimmt ist. Was sich vorstehend etwas sperrig anhört, da sich die Formulierungen am Gesetzestext orientieren, ist nichts anderes als die Steuerbefreiung für das Familienheim.
In der Rechtsprechung ist dabei immer wieder streitbefangen, wie die Regelung des § 13 Abs. 1 Nummer 4b Satz 5 ErbStG auszulegen ist. Danach fällt die Steuerbefreiung nämlich mit Wirkung für die Vergangenheit weg, wenn der Erwerber das Familienheim innerhalb von zehn Jahren nach dem Erwerb nicht mehr zu Wohnzwecken selbst nutzt. Es sei denn (dies bedeutet die Steuerbefreiung fällt doch wieder nicht weg, es handelt sich also um eine sogenannte Rückausnahme) der Erwerber ist aus zwingenden Gründen an einer Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken gehindert.
An verschiedensten Stellen in der Rechtsprechung ist nun wieder streitbefangen, was denn in diesem Zusammenhang „zwingende Gründe“ sind. Es liegt insoweit in der Natur der Sache, dass zahlreiche Gründe aus Sicht des Steuerpflichtigen zwingend sind, sodass auch bei Aufgabe der Selbstnutzung die Steuerbefreiung nicht rückwirkend wegfällt. Das Finanzamt sieht hingegen entsprechende Gründe regelmäßig nicht als zwingend an.
Leider hat das Finanzamt aktuell Unterstützung durch das Finanzgericht Münster aufgrund dessen Entscheidung vom 10.12.2020 unter dem Aktenzeichen 3 K 420/20 Erb erhalten. Ausweislich dieses Urteils gilt: Veräußert der Erbe das Familienheim innerhalb von zehn Jahren, entfällt die Erbschaftsteuerbefreiung auch dann, wenn der Auszug tatsächlich und nachweislich auf ärztlichen Rat hin aufgrund einer Depressionserkrankung erfolgt. So die zunächst einmal nur schwer nachvollziehbare Entscheidung des erstinstanzlichen Gerichtes.
Im Urteilsfall beerbte die Klägerin ihren 2017 verstorbenen Ehemann zur Hälfte. Zur Erbschaft gehörte auch das hälftige Miteigentum an dem bislang von den Eheleuten gemeinsam bewohnten Einfamilienhaus, also dem sogenannten Familienheim im Sinne dieser Vorschrift. Ende 2018 veräußerte die Klägerin das Einfamilienhaus und zog schließlich im Jahr 2019 in eine zuvor erworbene Eigentumswohnung um. Das Finanzamt änderte daraufhin den Erbschaftsteuerbescheid versagte die Steuerbefreiung für das Familienheim. Hiergegen wandte die Klägerin jedoch ein, dass sie nach dem Tod ihres Ehemanns unter Depressionen und Angstzuständen gelitten habe, insbesondere weil ihr Mann in dem Haus, also in dem Familienheim, verstorben sei. Daraufhin habe ihr Arzt geraten, die Umgebung zu wechseln, weshalb sie aus zwingenden Gründen an einer weiteren Selbstnutzung gehindert gewesen sei.
Mindestens aus rein menschlicher Sicht dürften hier definitiv entsprechend zwingende Gründe vorliegen. Steuerjuristisch sieht dies zumindest das erstinstanzliche Finanzgericht jedoch anders. Das Finanzgericht Münster folgt nämlich dieser Auffassung nicht und hat, wie schon eingangs erwähnt, die Klage negativ beschieden. Die Steuerbefreiung für ein Familienheim, welches der Erbe innerhalb von zehn Jahren nicht mehr zu eigenen Wohnzwecken nutzt, fällt nach Auffassung des erstinstanzlichen Gerichtes nur dann nicht weg, wenn der Erbe aus dem besagten zwingenden Gründen an einer Selbstnutzung gehindert sei. Derartige zwingende Gründe möchte das Gericht jedoch im vorliegenden Fall nicht erkennen. So räumt der dritte Senat des Finanzgerichtes Münsters an dieser Stelle zwar ein, dass die Depressionserkrankung und der Tod des Ehemanns im Familienheim die Klägerin zwar erheblich psychisch belastet hätten. Einen zwingenden Grund können sie jedoch darin nicht erkennen. Ein solcher sei vielmehr nur dann gegeben, wenn das Führen eines Haushaltes schlechthin beispielsweise aufgrund einer Pflegebedürftigkeit absolut unmöglich sei. Diese strengen Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall nicht gegeben.
Nach Auffassung des Gerichtes ist eine solche restriktive Gesetzesauslegung der Rückausnahme zur Steuerbefreiung für das Familienheim auch verfassungsrechtlich geboten, da die Steuerbefreiung für Familienheime Grundeigentümer gegenüber Inhabern anderer Vermögenswerte bevorzuge.
Fraglich ist, ob eine solche restriktive Meinung richtig sein kann und auch tatsächlich haltbar ist. Der Senat hat die Revision zum Bundesfinanzhof zugelassen. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist leider nicht ersichtlich, ob auch tatsächlich Revision eingelegt worden ist. Zur weiteren Argumentationshilfe muss man jedoch sagen, dass auch eine entsprechende Erkrankung, die zu einer erheblichen psychischen Belastung führt (wie es im vorliegenden Sachverhalt wohl absolut unstrittig ist) durchaus in den Bereich eines zwingenden Grundes fällt. Schließlich ist es insoweit keine Alternative, dass einer entsprechenden Depressionserkrankung nicht begegnet wird und schließlich eine Pflegebedürftigkeit resultiert, welche dann den Verkauf des Familienheims aus rein steuerlicher Sicht rechtfertigen würde.
Es bleibt daher zu hoffen, dass im vorliegenden Sachverhalt die Revision eingelegt wird und der Bundesfinanzhof diesbezüglich auch eine entsprechend nachvollziehbare Entscheidung trifft.
9. Für Kapitalanleger: Überführung von vor 2009 erworbenen Aktien vom Betriebsvermögen ins Privatvermögen
Grundsätzlich gehören auch Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen an einer Körperschaft, also aus der Veräußerung von Aktien, zu den Einkünften aus Kapitalvermögen. Allerdings ist dabei die historische Entwicklung der Besteuerungssystematik im Rahmen der Einkünfte aus Kapitalvermögen zu beachten. Die Norm, wonach Aktienveräußerungen als Einkünfte aus Kapitalvermögen gelten, ist nämlich erstmals auf Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen anzuwenden, die nach dem 31.12.2008 erworben worden sind.
Vor diesem Hintergrund hat aktuell das Finanzgericht Münster mit Gerichtsbescheid vom 26.3.2020 unter dem Aktenzeichen 8 K 1192/18 F klargestellt, dass die Überführung von vor 2009 erworbenen Aktien vom Betriebsvermögen in das Privatvermögen nicht dem Erwerb von Aktien gleichsteht. Diese Einordnung führt in der Folge dazu, dass ein späterer Veräußerungsgewinn deshalb nicht zu den Einkünften aus Kapitalvermögen führt, wie der achte Senat des Finanzgerichts Münster entgegen der fiskalischen Auffassung des Finanzamtes klarstellte.
Zum besseren Verständnis werden folgende Details des Urteilsfalls dargestellt. Die Klägerin war im vorliegenden Fall eine GmbH & Co. KG, welche im Jahr 2007 ein Aktienpaket erwarb. Bis zum Jahr 2011 erzielte die GmbH & Co. KG als gewerblich geprägte Gesellschaft Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Im Jahr 2011 endete jedoch die gewerbliche Prägung und die Klägerin erklärte die Betriebsaufgabe. Fortan war sie ausschließlich vermögensverwaltend tätig, weshalb alle Gegenstände, die bisher zum Anlagevermögen der gewerblich geprägten Tätigkeit gehörten, nun Privatvermögen der Gesellschafter darstellen. Bei den an der Klägerin beteiligten natürlichen Personen bilden die im Eigentum der Gesellschaft stehenden Wirtschaftsgüter daher Privatvermögen, was im Jahr 2011 (insbesondere im Hinblick auf das Aktienpaket) zur Aufdeckung und Versteuerung stiller Reserven führte.
Im Jahr 2014 veräußerte die Klägerin das Aktienpaket. Das Finanzamt behandelte die Gewinne aus der Veräußerung des Aktienpakets als steuerpflichtige Einkünfte aus Kapitalvermögen und zwar auch insoweit, als der Gewinn auf die an der Klägerin beteiligten Privatpersonen entfiel. Gegen diese fiskalische Auslegung wenden sich die Kläger mit der Begründung, dass sie die Aktien vor Inkrafttreten der Regelung zur Abgeltungssteuer erworben haben (also vor dem Veranlagungsjahr 2009) und ein Veräußerungsgewinn deshalb gemäß der gesetzlichen Übergangsregelung nicht steuerbar sei. Vielmehr würden insoweit steuerfreie Einkünfte vorliegen, da der Veräußerungstatbestand dieser Wertpapiere noch dem privaten Veräußerungsgeschäft unterliegen würde und die dort maßgebliche Jahresfrist bereits abgelaufen war.
Das Finanzamt blieb jedoch bei seiner Auffassung und begründet diese damit, dass die später veräußerten Aktien im Rahmen der Beendigung der gewerblichen Prägung der Klägerin in das Privatvermögen der Gesellschafter überführt worden seien und diese Überführung einem Erwerb im Jahre 2011 gleichsteht. Insoweit ging die Finanzverwaltung davon aus, dass die Aktien im Abgeltungssteuerzeitalter erworben wurden und somit deren Veräußerung auch zu Einkünften aus Kapitalvermögen führt.
Dem stellte sich, wie eingangs schon gesagt, der achte Senat des Finanzgerichts Münsters entgegen. Zwar trifft es zu, dass Gewinne aus der Veräußerung von Aktien seit 2009 unabhängig von der Dauer der Behaltensfrist steuerpflichtig sind. Ausweislich der maßgeblichen Übergangsvorschrift in § 52 Abs. 28 Satz 11 des Einkommensteuergesetzes (EStG) gilt dies aber nur für solche Aktien, die nach dem 31.12.2008 erworben worden sind.
Unter einem Erwerb im Sinne dieser Vorschrift können hingegen nur Vorgänge zu erfassen sein, die mit einem Rechtsträgerwechsel einhergehen. Ganz konkret sind in der gesetzlichen Vorschrift nämlich keine Erwerbsfiktionen wie beispielsweise die Entnahme aus dem Betriebsvermögen genannt, sodass solche Vorgänge einem Aktienerwerb auch nicht gleichstehen können.
Ebenso prüften die Richter die Gesetzesbegründung zum Entwurf des Unternehmensteuerreformgesetzes 2008. Auch aus dieser Gesetzesbegründung ergeben sich keinerlei Hinweise, dass der Gesetzgeber die Überführung eines Wirtschaftsguts aus dem Betriebsvermögen in das Privatvermögen als Erwerb ansehen wollte. Da insoweit die Beendigung der gewerblichen Prägung der GmbH & Co. KG nicht zu einem Rechtsträgerwechsel geführt hat, hat im vorliegenden Fall im Kalenderjahr 2011 auch kein Rechtsträgerwechsel und damit auch keine Anschaffung stattgefunden. Somit können die Aktien steuerfrei im Rahmen der sonstigen Einkünfte (also beim privaten Veräußerungsgeschäft) veräußert werden.
Hinweis: Zur Fortbildung des Rechts hat das Finanzgericht Münster die Revision zum Bundesfinanzhof zulassen müssen. Bisher ist jedoch nicht gewiss, ob sich der Fiskus traut, hier den Revisionszug zu besteigen. Aus unserer Sicht hat der Fiskus mit seiner Argumentation nämlich keine Chance.
10. Für Freiberufler: Auch tarifbegünstigte Veräußerung bei neuen Mandaten möglich
Ausweislich der gesetzlichen Regelung in § 18 Abs. 3 in Verbindung mit § 16 Abs. 1 Satz 1 Nummer 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) gehört zu den Einkünften aus selbstständiger Arbeit auch der Gewinn aus der Veräußerung des Vermögens, welches der selbstständigen Arbeit dient. Man spricht dabei von einer Praxisveräußerung, beispielsweise von der Veräußerung einer Steuerberater- oder Rechtsanwaltskanzlei. Für diesen Veräußerungsgewinn sieht § 34 Abs. 2 Nummer 1 eine Tarifbegünstigung vor. Alternativ zu dieser ermäßigten Besteuerung des Veräußerungsgewinns sieht § 34 Abs. 3 EStG auf Antrag unter weiteren Voraussetzungen die Gewährung eines ermäßigten Steuersatzes vor.
Selbstverständlich ist in der Praxis dieser ermäßigte Steuersatz heiß begehrt, weshalb es immer wieder Auseinandersetzungen mit der Finanzverwaltung gibt, die die geringere Besteuerung natürlich nur sehr ungern gewährt. Die Regeln sollte man sich daher genauer angucken.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs setzt die Veräußerung einer Praxis voraus, dass der Steuerpflichtige die für die Ausübung der selbstständigen Tätigkeit wesentlichen vermögensmäßigen Grundlagen entgeltlich und definitiv auf einen anderen überträgt. Hierzu gehören insbesondere die immateriellen Wirtschaftsgüter der Praxis wie der Mandantenstamm oder der Praxiswert. Dies hat beispielsweise der Bundesfinanzhof in seinem Urteil vom 21.8.2018 unter dem Aktenzeichen VIII R 2/15 klargestellt.
Darüber hinaus muss der Veräußerer seine freiberufliche Tätigkeit in dem bisherigen örtlichen Wirkungskreis wenigstens für eine gewisse Zeit einstellen. Dies beruht auf der Überlegung, dass bei fortdauernder Tätigkeit des Freiberuflers in seinem bisherigen örtlichen Wirkungskreis eine weitere Nutzung der persönlichen Beziehungen zu den früheren Mandanten auf eigene Rechnung des „Veräußerers“ naheliegt und es dadurch nicht zu einer definitiven Übertragung der wesentlichen Betriebsgrundlagen der Praxis auf den Erwerber kommt.
Wann eine solche definitive Übertragung der wesentlichen Betriebsgrundlagen vorliegt, hängt grundsätzlich von den Umständen des Einzelfalls ab. Neben der Dauer der Einstellung der freiberuflichen Tätigkeit sind insbesondere die räumliche Entfernung einer wieder aufgenommenen Berufstätigkeit zur veräußerten Praxis, die Vergleichbarkeit der Betätigungen, die Art und Struktur der Mandate sowie die Nutzungsdauer des erworbenen Praxiswertes zu berücksichtigen. Wie so häufig besteht eine starre zeitliche Grenze, nach der die Tätigkeit steuerunschädlich wieder aufgenommen werden kann, nicht. Dies ist besonders hervorzuheben, da teilweise insbesondere von Seiten der Finanzverwaltung zu hören ist, dass mindestens eine Wartezeit von drei Jahren einzuhalten ist. Dies kann so nicht hingenommen werden. Je nach den Umständen des Einzelfalls kann auch ein Zeitraum von etwa zwei bis drei Jahren schon ausreichend sein, wie insbesondere der einschlägigen Literatur zu der Thematik zu entnehmen ist.
Nimmt der Veräußerer seine freiberufliche Tätigkeit nach einer gewissen Zeit wieder auf, kann dies auch dann schädlich sein, wenn die Wiederaufnahme zum Zeitpunkt der Übertragung der Praxis nicht geplant war. Maßgebend ist allein, ob es objektiv zu einer definitiven Übertragung der wesentlichen Praxisgrundlagen gekommen ist. Maßnahmen des Veräußerers, die wegen einer von Anfang an geplanten Wiederaufnahme dazu dienen sollen, die spätere Rückgewinnung der Mandanten zu erleichtern, können eine definitive Übertragung des Mandantenstamm von vornherein ausschließen bzw. die erforderliche Zeitspanne für die Einstellung der Tätigkeit verlängern.
Mit seiner Entscheidung vom 11.2.2020 hat der Bundesfinanzhof mittels Beschluss unter dem Aktenzeichen VIII B 131/19 wiederholt festgelegt, dass es grundsätzlich unschädlich ist, wenn der Veräußerer als Arbeitnehmer oder als freier Mitarbeiter im Auftrag und für Rechnung des Erwerbers tätig wird, denn der Erwerber ist trotzdem zivilrechtlich und wirtschaftlich in der Lage, die Beziehungen zu den früheren Mandanten des Veräußerers zu verwerten.
Auch eine geringfügige Fortführung der bisherigen freiberuflichen Tätigkeit steht der Annahme einer begünstigten Praxisveräußerung nicht entgegen, wie schon der Bundesfinanzhof mit Beschluss vom 20.1.2009 unter dem Aktenzeichen VIII B 58/08 klargestellt hat. Eine solche geringfügige Tätigkeit liegt insbesondere dann regelmäßig vor, wenn die auf sie entfallenden Umsätze in den letzten drei Jahren vor der Veräußerung weniger als 10 % der gesamten Einnahmen ausmachten.
Ganz besonders hervorzuheben, da die Aussage des Bundesfinanzhofs konträr zur Meinung der Finanzverwaltung steht, ist die Tatsache, dass die obersten Finanzrichter der Republik es für unschädlich halten, wenn der Praxisveräußerer im Rahmen einer geringfügigen Tätigkeit auch neue Mandate betreut. Entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung schließt dies das Vorliegen einer begünstigten Praxisveräußerung nicht automatisch aus.
Die Annahme einer begünstigten Praxisveräußerung hängt vielmehr maßgeblich davon ab, ob es zu einer endgültigen Übertragung der wesentlichen Betriebsgrundlagen der Praxis auf den Erwerber kommt. Zweifelhaft ist dies, wenn der Veräußerer weiterhin die persönliche Beziehung zu früheren Mandanten auf eigene Rechnung nutzt. Dies kann er allerdings tun, indem er (einzelne) Mandanten auf eigene Rechnung weiter betreut, aber auch dadurch, dass er die Beziehung zu früheren Mandanten nutzt, um neue Mandanten zu finden. In beiden Fällen nutzen sowohl der Veräußerer als auch der Erwerber das (bisherige) durch Mandanten und Praxisübernahme bedingte Wirkungsfeld für ihre freiberufliche Tätigkeit, zu der neben der Mandantenbetreuung auch die Gewinnung neuer Mandate zählt. Eine solche fortdauernde bzw. neuerliche Nutzung ehemaliger Mandantenbeziehungen steht der Annahme einer begünstigten Praxisveräußerung allerdings nur dann entgegen, wenn sie die Geringfügigkeitsgrenze überschreitet. Eine geringfügige Tätigkeit des Veräußerers im bisherigen örtlichen Wirkungskreis schließt die Annahme einer begünstigten Praxisveräußerung hingegen nicht aus, auch wenn sie die Betreuung neuer Mandate umfasst. So die erfreuliche Auffassung der obersten Richter der Republik, die sich damit ganz deutlich gegen die (bisherige) Verwaltungsauffassung stellen.
Hinweis: Mittlerweile ist jedoch die bisherige Verwaltungsauffassung auch Geschichte. Abweichend von der seinerzeitigen Meinung der Finanzverwaltung wird nunmehr bundeseinheitlich die Auffassung vertreten, dass die Hinzubemessung neuer Mandanten (oder beispielsweise bei Ärzten Patienten) im Rahmen einer geringfügigen Tätigkeit für die Annahme einer begünstigten Veräußerung unschädlich ist. Diese erfreuliche Auffassung ist beispielsweise dem Erlass des Finanzministeriums Sachsen-Anhalt vom 14.5.2020 unter dem Aktenzeichen 45-S 2242-85 zu entnehmen.