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Mandantenbrief 06/2020
- Für alle Steuerpflichtigen: Stundungswürdigkeit trotz Verletzung der Mitwirkungspflicht?
- Für Erben: Wegfall der Steuerbefreiung für ein Familienheim bei Aufgabe des Eigentums
- Für GmbH Gesellschafter: Zum Fälligkeitszufluss bei der Betriebsaufspaltung
- Für Arbeitnehmer und Arbeitgeber: Zahlungen für Werbung können Arbeitslohn sein
- Für Unternehmer: Kfz-Kosten-Deckelung beim Einnahme-Überschuss-Rechner
- Für Geschiedene: Prozesskosten als Werbungskosten beim Realsplitting
- Für Arbeitnehmer: Mit dem Taxi (nur) zur Arbeit (und nicht nach Paris)
1. Für alle Steuerpflichtigen: Stundungswürdigkeit trotz Verletzung der Mitwirkungspflicht?
In der Praxis kommt die folgende Konstellation recht häufig vor: Der Steuerpflichtige beantragt die Stundung einer Zahlung, welche seitens des Finanzamtes abgelehnt wird, weil der Steuerpflichtige seinen Mitwirkungspflichten nicht nachgekommen ist. Da die Ablehnungsentscheidung der Stundung im Ermessen des betroffenen Finanzbeamten steht, kommt damit auch immer wieder die Frage auf, ob insoweit eine ermessensgerechte oder ermessensfehlerhafte Entscheidung vorliegt.
Aktuell liefert hier das Finanzgericht Baden-Württemberg mit Urteil vom 04.06.2019 unter dem Aktenzeichen 5 K 3830/16 eine positive Entscheidung, die aufzeigt, dass eine vorschnelle Ablehnung der Stundung auch bei einer Verletzung der Mitwirkungspflicht des Steuerpflichtigen ermessensfehlerhaft sein kann.
Da sich die Argumentation und Urteilsbegründung durchaus auch für andere Fälle als Begründung eines Stundungsantrags eignet, soll diese im Weiteren etwas genauer dargestellt werden. So führt das Gericht aus: Bei der Entscheidung über die Gewährung einer Stundung handelt es sich um eine Ermessensentscheidung, die vom Gericht lediglich daraufhin überprüft werden kann, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder ob von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist. Das bedeutet, dass das Gericht auch die Tatsachenfeststellung und die Beweiswürdigung der Beklagten überprüfen darf bzw. muss. Tatsächlich kann nämlich die Rechtsverletzung auch in einer unzureichenden Feststellung oder Würdigung der bedeutsamen Tatsachen liegen.
Maßgeblicher Zeitpunkt für die gerichtliche Überprüfung einer Ermessensentscheidung durch das Gericht ist grundsätzlich der Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung, wie der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung, zuletzt durch das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 11.10.2017 unter dem Aktenzeichen IX R 2/17, zu entnehmen ist. Später eintretende Umstände sind nicht in die Rechtmäßigkeitsprüfung der Behördenentscheidung einzustellen.
Eine fehlerfreie Ermessensausübung setzt insoweit voraus, dass die Behörde den entscheidungserheblichen Sachverhalt einwandfrei und erschöpfend ermittelt hat. Dies hat bereits der Bundesfinanzhof in einer frühen Entscheidung vom 15.06.1983 unter dem Aktenzeichen I R 76/82 unumstößlich dargelegt. Bei der vollständigen Sachverhaltsermittlung hat die Finanzbehörde die Gesichtspunkte tatsächlicher und rechtlicher Art zu berücksichtigen, die nach Sinn und Zweck der Norm, die das Ermessen einräumt, maßgeblich sind.
Deutlich führen in diesem Zusammenhang die erstinstanzlichen Richter des Finanzgerichtes Baden-Württembergs aus: Zu einer diesbezüglichen erforderlichen vollständigen Ermittlung des Sachverhalts gehört zumindest die Auswertung des gesamten Akteninhalts, gegebenenfalls sogar einschließlich beigezogener oder beizuziehender Akten, jeweils nach dem Stand zum Zeitpunkt des Erlasses der Einspruchsentscheidung.
Ausgehend von diesen Grundsätzen kommt das Finanzgericht zu dem Schluss, dass die Ablehnung des Antrags auf Stundung einer Kindergeldrückforderung ermessensfehlerhaft ist, wenn die beklagte Behörde die Akten der für die Kindergeldfestsetzung zuständigen Familienkasse erst im Klageverfahren angefordert hat, sie also zum Zeitpunkt der Einspruchsentscheidung den entscheidungserheblichen Sachverhalt nur partiell gekannt hat und sie sich also nicht vor ihrer Entscheidung anhand der vollständigen Kindergeldakte aus dem Festsetzungsverfahren selbst ein Bild über den genauen Ablauf des Verfahrens gemacht hat.
Dies gilt ausweislich der Entscheidung insbesondere auch dann, wenn es unter Berücksichtigung des gesamten Akteninhalts nach Auffassung des Gerichts zweifelhaft ist, ob in dem Verhalten der Klägerin tatsächlich, wie von der Behörde angenommen, eine grobe Pflichtverletzung gesehen werden kann, die zu einer Ablehnung ihrer Stundungswürdigkeit berechtigen würde.
Dies führt unweigerlich zu der Frage, wann denn eine Stundungsmöglichkeit gegeben ist. Es liegt dabei in der Natur der Sache, dass die Finanzverwaltung hier die Stundungsmöglichkeit eher verneint. Erfreulicherweise benennt das Finanzgericht Baden-Württemberg unter seiner oben bereits zitierten Entscheidung jedoch auch, wann eine Stundungsmöglichkeit gegeben ist.
Danach ist die Stundungsmöglichkeit gegeben, wenn der Steuerpflichtige bzw. Kindergeldberechtigte seine mangelnde Leistungsfähigkeit weder selbst herbeiführt noch durch sein Verhalten in eindeutiger Weise gegen die Interessen der Allgemeinheit verstoßen hat. Letzteres ist insbesondere anzunehmen, wenn der Steuerpflichtige seine steuerlichen Verpflichtungen vorsätzlich oder grob fahrlässig vernachlässigt hat. Nicht jede unterlassene Mitteilung ist jedoch automatisch vorsätzlich oder grob fahrlässig. Eine Mitwirkungspflichtverletzung schließt eine Stundung im Allgemeinen zudem nur dann aus, wenn sie wesentlich und vorwerfbar Ursache für die unpünktliche Rückzahlung des Kindergeldes ist.
Die erfreuliche Entscheidung aus dem Ländle wird zudem von einem weiteren Urteil (welches ebenso erfreulich ist) des Finanzgerichtes Baden-Württemberg vom 18.09.2019 unter dem Aktenzeichen 12 K 234/19 flankiert.
Darin entschieden die Richter: Beantragt die Steuerpflichtige die Stundung einer Kindergeldrückforderung bis zu einem bestimmten Zeitpunkt, ab dem sich Ratenzahlungen an andere Gläubiger reduzieren und deswegen Raten auf die Kindergeldrückforderung geleistet werden können, so ist die Ablehnung des Stundungsantrags durch die Familienkasse ermessensfehlerhaft, wenn die Familienkasse von der fehlerhaften Tatsache ausgegangen ist, dass die Steuerpflichtige Leistungen zur Grundsicherung bezieht und wenn die Familienkasse deswegen nicht berücksichtigt hat, dass eine Einziehung der Forderung möglich ist und die Einziehung eine erhebliche Härte für die Schuldnerin unter dem Gesichtspunkt bedeuten kann, dass die Schuldnerin deswegen die mit anderen Gläubigern vereinbarten Ratenzahlungen nicht mehr erfüllen kann.
Klar und deutlich wird auch in der weiteren Entscheidung des Finanzgerichtes Baden-Württemberg subsumiert, dass persönliche Stundungsgründe vorliegen können, wenn eine Stundung die wirtschaftliche Existenz des Antragstellers ermöglichen kann. Dies bedeutet konkret: Der Umstand, dass der Antragsteller im Kindergeldverfahren seine Mitwirkungspflichten verletzt hat, reicht für sich genommen nicht aus, um die Stundungsmöglichkeit des Antragstellers zu verneinen und auf eine Prüfung der Stundungsbedürftigkeit zu verzichten.
Alles in allem bieten die beiden erstinstanzlichen Entscheidungen eine hervorragende Argumentationsbasis für zukünftige Stundungsanträge, weshalb man sich nicht scheuen sollte, auf die beiden Entscheidungen zu verweisen.
2. Für Erben: Wegfall der Steuerbefreiung für ein Familienheim bei Aufgabe des Eigentums
Ausweislich der gesetzlichen Regelung in § 13 Abs. 1 Nummer 4b des Erbschaftsteuergesetzes (ErbStG) bleibt unter anderem der Erwerb von Todes wegen des Eigentums oder Miteigentums an einem im Inland belegenen bebauten Grundstück durch den überlebenden Ehegatten oder Lebenspartner steuerfrei, soweit der Erblasser darin bis zum Erbfall eine Wohnung zu eigenen Wohnzwecken genutzt hat oder bei der er aus zwingenden Gründen an einer Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken gehindert war. Zusätzlich muss die Immobilie beim Erwerber unverzüglich zur Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken bestimmt sein. Man spricht dabei von der sogenannten Steuerbefreiung für das Familienheim.
Ebenso gesetzlich geklärt ist jedoch auch, dass die Steuerbefreiung mit Wirkung für die Vergangenheit wegfällt, wenn der Erwerber das Familienheim innerhalb von zehn Jahren nach dem Erwerb nicht mehr zu Wohnzwecken selbst nutzt. Ist dies der Fall, fällt die Steuerbefreiung nur dann nicht weg, wenn der Erwerber aus zwingenden Gründen an einer Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken gehindert ist. Hierbei spricht man vom sogenannten Nachversteuerungstatbestand im Rahmen der Steuerbefreiung für das Familienheim.
Der zuvor beschriebene Nachversteuerungstatbestand greift auch in Sachverhalten, in denen der Erwerber das Familienheim zwar weiterhin bewohnt, das Eigentum daran aber innerhalb der genannten Frist auf einen Dritten übertragen hat. So die Auslegung des Bundesfinanzhofs in einer aktuellen Entscheidung vom 11.07.2019 unter dem Aktenzeichen II R 38/16.
Zwar lässt sich dem Wortlaut der gesetzlichen Regelung bei isolierter Betrachtung nicht ausdrücklich entnehmen, ob durch die Aufgabe des Eigentums oder des Miteigentums an dem Familienheim innerhalb von zehn Jahren nach dem Erwerb durch den überlebenden Ehegatten oder Lebenspartner die Steuerbefreiung rückwirkend entfällt, wenn jener das Familienheim weiter zu Wohnzwecken selbst nutzt.
Tatsächlich hat aber bereits der Bundesfinanzhof in einer Entscheidung vom 29.11.2017 unter dem Aktenzeichen II R 14/16 klargestellt, dass die Steuerbefreiung für das Familienheim voraussetzt, dass der verstorbene Ehegatte zivilrechtlicher Eigentümer oder Miteigentümer des Familienheims war und der überlebende Ehegatte das zivilrechtliche Eigentum oder Miteigentum an dem Familienheim von Todes wegen erwirbt.
Die Richter argumentieren daher im Einklang mit der Finanzverwaltung, dass nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes die Gewährung der Steuerbefreiung den Erwerb des Eigentums oder Miteigentums an dem Familienheim voraussetzt. Der Erwerb eines anderen Anspruchs oder Rechts in Bezug auf die Immobilie, so zum Beispiel eines durch eine Auflassungsvormerkung gesicherten Eigentumsverschaffungsanspruchs oder eines dinglichen Wohnrechts, genügt danach nicht den gesetzlichen Anforderungen für die Steuerbefreiung.
Der Wortlaut des Nachversteuerungstatbestands greift mit der Formulierung „nach dem Erwerb“ zudem die oben genannte Anforderung an die Gewährung der Steuerbefreiung auf. „Nach dem Erwerb“ hat in diesem Zusammenhang nach Auffassung des erkennenden Senats nicht nur zeitliche Bedeutung. Die Bezugnahme auf den „Erwerb“ bringt vielmehr auch zum Ausdruck, dass ein (Fort-)Bestehen des durch den Erwerb geschaffenen Rechtszustandes und damit von Eigentum oder Miteigentum des überlebenden Ehegatten oder Lebenspartners am Familienheim für den Erhalt der Steuerbefreiung vorausgesetzt wird.
Darüber hinaus lässt die Formulierung „Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken“ den Schluss zu, dass die Steuerbefreiung für das erworbene Familienheim wegfallen soll, wenn der überlebende Ehegatte oder Lebenspartner innerhalb von zehn Jahren nach dem Erwerb das Eigentum an dem Familienheim verliert. Hätten in dem Nachversteuerungstatbestand lediglich Aussagen zur weiteren Nutzung des Familienheims innerhalb von zehn Jahren nach dem Erwerb getroffen werden sollen, hätte die kürzere Formulierung „Selbstnutzung zu Wohnzwecken“ oder „Nutzung zu eigenen Wohnzwecken“ ausgereicht. Wenn die in der Wendung „Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken“ enthaltene Dopplung eine Bedeutung haben soll, bezieht sie sich auf die Nutzung und die Eigentümerstellung.
Insgesamt vertreten die obersten Finanzrichter der Republik auch die Auffassung, dass es dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung entspricht, die Steuerbefreiung rückwirkend entfallen zu lassen, wenn der überlebende Ehegatte oder Lebenspartner das Eigentum oder Miteigentum an dem Familienheim innerhalb von zehn Jahren nach dem Erwerb aufgibt.
Dementsprechend lautet die Entscheidung: Die Steuerbefreiung für den Erwerb eines Familienheims durch den überlebenden Ehegatten oder Lebenspartner entfällt rückwirkend, wenn der Erwerber das Eigentum an dem Familienheim innerhalb von zehn Jahren nach dem Erwerb auf einen Dritten überträgt. Dies gilt selbst dann, wenn die Selbstnutzung zu Wohnzwecken aufgrund eines lebenslangen Nießbrauchs fortgesetzt wird. Entscheidend ist insoweit, dass das Eigentumsrecht abgegeben wurde.
Für die Praxis bedeutet dies auch: Wurde die Steuerbefreiung für Familienheime in Anspruch genommen, dürfen innerhalb von zehn Jahren keine weiteren vorweggenommenen Erbfolgen der Immobilie stattfinden, da insoweit der Eigentumsverlust beim überlebenden Ehegatten oder Lebenspartner zur Nachversteuerung in der Erbschaftsteuer führen würde. In der Praxis sollte daher schon bei Anfertigung der Erbschaftsteuererklärung geprüft werden, welche weiteren Planungen gegebenenfalls angegangen werden sollten.
3. Für GmbH Gesellschafter: Zum Fälligkeitszufluss bei der Betriebsaufspaltung
Häufig werden Anteile an einer GmbH im Rahmen einer Betriebsaufspaltung gehalten. Ist dies der Fall, müssen vereinfacht gesagt sämtliche Zahlungen der GmbH an den Gesellschafter im Rahmen der Betriebsaufspaltung im Besitzunternehmen auch versteuert werden. Dabei ist es durchaus möglich, dass das Besitzunternehmen der Betriebsaufspaltung keine Bilanz aufstellt, sondern zulässigerweise eine Einnahmenüberschussrechnung nach § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) durchführt. Ist dies der Fall, gilt auch grundsätzlich das Zufluss- Abflussprinzip des § 11 EStG.
Danach sind Einnahmen innerhalb des Kalenderjahres bezogen (und zu versteuern), in dem sie dem Steuerpflichtigen zugeflossen sind. Geldbeträge fließen dem Steuerpflichtigen grundsätzlich dadurch zu, dass sie bar ausgezahlt oder einem Konto des Empfängers beim Kreditinstitut gutgeschrieben werden. Da sich die Erlangung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht nach den tatsächlichen Verhältnissen richtet, kann das Zufließen grundsätzlich nicht fingiert werden. Wohlgemerkt „grundsätzlich“!
Eine Ausnahme macht die Rechtsprechung hierbei nämlich insbesondere bei beherrschenden Gesellschaftern einer Kapitalgesellschaft. Bei diesen wird regelmäßig angenommen, dass sie über eine von der Gesellschaft geschuldete Vergütung bereits im Zeitpunkt der Fälligkeit verfügen können und ihnen damit entsprechende Einnahmen zugeflossen sind. Gerechtfertigt wird dies damit, dass der beherrschende Gesellschafter es in der Hand habe, solche Beträge stehen oder sich auszahlen zu lassen, wie der Bundesfinanzhof insbesondere in seiner Entscheidung vom 14.02.1984 unter dem Aktenzeichen VIII R 221/80 erläuternd dargestellt hat. Insgesamt spricht man dabei von dem sogenannten Fälligkeitszufluss.
Dieser Fälligkeitszufluss liegt regelmäßig vor, wenn der beherrschende Gesellschafter entsprechende Vergütungen zum Fälligkeitszeitpunkt nicht bezahlt. Trotz Nichtzahlung sind diese dann als beim Gesellschafter zugeflossen zu behandeln.
Die Rechtsprechung hat allerdings auch Ausnahmen von dem Grundsatz des Fälligkeitszuflusses anerkannt. So hat der Bundesfinanzhof bereits in verschiedenen Entscheidungen und Beschlüssen, beispielsweise mit Beschluss vom 20.12.2011 unter dem Aktenzeichen VIII B 46/11, klargestellt, dass kein Zufluss anzunehmen ist, wenn die GmbH zahlungsunfähig ist.
Das praktische Problem dabei ist nun jedoch, was der Maßstab für die Zahlungsunfähigkeit ist. Diese kann (in verschiedenen Rechtsgebieten) nämlich durchaus unterschiedlich definiert werden.
So ist der Begriff der Zahlungsunfähigkeit in erster Linie im Insolvenzrecht beheimatet. In diesem Bereich ist ein Schuldner zahlungsunfähig, wenn er nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Relevant ist dieser Begriff insbesondere für das Insolvenzantragsrecht und vor allem bei Kapitalgesellschaften für die Insolvenzantragspflicht der Geschäftsführer. Aufgrund der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist in diesem Zusammenhang zudem die Zahlungsunfähigkeit von der bloßen Zahlungsstockung abzugrenzen. Letztere ist wiederum anzunehmen, wenn sich das Unvermögen zur Tilgung der fälligen Verbindlichkeiten innerhalb einer kurzen Zeit beheben lässt. Die Frage, ob noch von einer vorübergehenden Zahlungsstockung oder schon von einer (endgültigen bzw. dauerhaften) Zahlungsunfähigkeit auszugehen ist, muss allein aufgrund objektiver Umstände beurteilt werden. Hierzu bedarf es einer Gesamtbewertung der Höhe der Liquiditätslücke, der kurzfristig zu erwartenden Einnahmen sowie der Fähigkeit des Unternehmens, sich am Kreditmarkt Finanzmittel zu besorgen. Die im maßgeblichen Zeitpunkt verfügbaren und innerhalb von drei Wochen in Liquidität umsetzbaren Vermögensgegenstände sind in Beziehung zu setzen zu den am selben Stichtag fälligen und in den nächsten drei Wochen fällig werdenden Verbindlichkeiten. Ergibt sich eine innerhalb von drei Wochen nicht zu beseitigende Unterdeckung von 10% oder mehr, ist regelmäßig von Zahlungsunfähigkeit des Schuldners auszugehen.
Vorstehendes gilt nur dann nicht, wenn ausnahmsweise mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass die Liquiditätslücke zwar erst mehr als drei Wochen später, aber in absehbarer Zeit vollständig oder fast vollständig beseitigt werden wird und den Gläubigern ein Zuwarten nach den besonderen Umständen des Einzelfalls zuzumuten ist.
Das schon erwähnte Praxisproblem besteht jetzt insbesondere darin, dass diese Definition zwar für das Insolvenzantragsrecht maßgebend ist, jedoch nicht unbedingt auf oder in das Steuerrecht übertragbar ist. Der Bundesfinanzhof geht nämlich vielmehr von einem engeren, mit der vorgenannten Definition nicht identischen Begriff der Zahlungsunfähigkeit aus. So formuliert der Bundesfinanzhof zur Zahlungsunfähigkeit beispielsweiseschon in seinem Urteil vom 22.05.1973 unter dem Aktenzeichen VIII R 97/70, dass die GmbH die für fällige Verbindlichkeiten notwendigen Zahlungsmittel schlechterdings nicht aufbringen kann. Vorgenannte Definition ist wohl im Sinne der faktischen Unmöglichkeit der Zahlung zu verstehen. Dies bedeutet: Es dürfen also gar keine liquiden Mittel mehr vorhanden gewesen sein. Für diese Deutung spricht auch, dass der Bundesfinanzhof mehrfach darauf hingewiesen hat, dass er von einer in Illiquidität im Zusammenhang von § 11 EStG in der Regel erst dann ausgeht, wenn ein Insolvenzverfahren bereits eingeleitet ist.
Im Ergebnis bedeutet dies: Damit der Fälligkeitszufluss nicht greift, muss tatsächlich dargelegt werden können, dass die GmbH definitiv keine Mittel zur Begleichung zur Verfügung hat.
Aktuell streitbefangen ist hingegen, ob ein rechtliches Zugriffshindernis zu einem anderen Ergebnis führt und so insbesondere eine absolute Zahlungsunfähigkeit quasi fingiert wird. Ein solches rechtliches Zugriffshindernis könnte § 64 Satz 1 GmbH-Gesetz (GmbHG) sein. Danach sind die Geschäftsführer der Gesellschaft zum Ersatz von Zahlungen verpflichtet, die nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft oder nach Feststellung ihrer Überschuldung geleistet werden.
In einem aktuellen Urteil des Finanzgerichtes Münster vom 04.09.2019 unter dem Aktenzeichen 4 K 2538/2 16 E, G hat jedoch der dort erkennende Senat grundsätzliche Zweifel daran, ob eine Norm wie § 64 Satz 1 GmbHG den Fälligkeitszufluss tatsächlich hindern kann. Unter dem Strich bleibt die Frage damit (zumindest zunächst) unbeantwortet.
Abschließend wird sich nun der Bundesfinanzhof in München unter dem Aktenzeichen III R 58/19 mit der Angelegenheit zu beschäftigen haben. Betroffene Gesellschafter sollten sich daher an das Musterverfahren anhängen, wenn dies für sie vorteilhaft sein sollte, könnte oder definitiv sogar ist.
4. Für Arbeitnehmer und Arbeitgeber: Zahlungen für Werbung können Arbeitslohn sein
In der Praxis wird immer wieder diskutiert, wie man vom vorhandenen Bruttogehalt ein höheres Nettogehalt bekommt. Neben den üblichen Gestaltungen zu dieser Thematik kommen dabei regelmäßig Sachverhalte heraus, bei denen Leistungen des Arbeitgebers an seine Mitarbeiter schlicht nicht im Bereich des Arbeitslohnes eingeordnet werden.
Handelt es sich nämlich aus Sicht des Arbeitnehmers um andere Einkünfte als solche aus nichtselbstständiger Arbeit, entfällt die Lohnsteuer und dem folgend auch die Sozialversicherungspflicht. Was die Lohnsteuer angeht ist dann zwar zu prüfen, ob die Leistung nicht im Rahmen einer anderen Einkunftsart beim Arbeitnehmer einkommensteuerpflichtig ist, jedoch ist dies meist eher nachrangig. Ein deutlicher Vorteil wird vielmehr dadurch erzielt, dass die Zahlung der Sozialversicherung entzogen wurden und somit mit Blick auf Arbeitnehmer- und Arbeitgeberanteil ein deutlicher Vorteil sowohl beim Mitarbeiter als auch beim Chef gegeben ist.
Eine solche Vorgehensweise wurde auch in einem Sachverhalt angegangen, der Gegenstand eines Verfahrens beim Finanzgericht Münster war. Im Streitfall hatte der Arbeitgeber seinen Arbeitnehmern Entgelte für die Anbringung von Werbung auf deren privaten Fahrzeugen gezahlt. Dabei schloss der Arbeitgeber mit einer Vielzahl von Mitarbeitern Mietverträge über Werbeflächen an ihren privaten Fahrzeugen ab, die entweder Aufkleber oder Kennzeichenhalter mit Schriftzügen des Unternehmens betrafen. Ein Teil der Mitarbeiter verpflichtete sich, auf dem privaten Pkw Aufkleber auf dem Kofferraumdeckel anzubringen. Der andere Teil der Mitarbeiter verpflichtete sich zur Anbringung von Kennzeichenhaltern mit Werbeaufdruck der Firma. In beiden Vertragsvarianten erhielten die Mitarbeiter ein Entgelt in Höhe von 255 Euro im Jahr. Der Vertrag war dabei auf die Dauer des Arbeitsverhältnisses befristet.
Der besondere Clou an der Vorgehensweise: Aus Sicht der Arbeitnehmer wurde argumentiert, dass es sich bei der Zahlung um sonstige Einkünfte im Sinne des § 22 Nummer 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) handelt. Damit war die Zahlung nicht nur der Sozialversicherung entzogen, vielmehr sind solche sonstigen Einkünfte auch für die Arbeitnehmer nicht einkommensteuerpflichtig, wenn sie im Kalenderjahr weniger als 256 Euro betragen. Im Ergebnis hat so der Arbeitgeber den Betriebsausgabenabzug der Zahlung, während der Arbeitnehmer diese weder einkommensteuerlich noch sozialversicherungsrechtlich zu erfassen hat.
Im Rahmen der Lohnsteueraußenprüfung wurde diese Vorgehensweise jedoch bemängelt und die Zahlung als Arbeitslohn eingeordnet. Dies ist auch der Grund, warum der Sachverhalt gerichtsanhängig wurde. Für die Praxis ist es daher von enormer Bedeutung zu wissen, wann Zahlungen an den Mitarbeiter definitiv zum Arbeitslohn gehören und insoweit auch der Lohnsteuer und der Sozialversicherung zu unterwerfen sind oder wann auch andere Leistungen gegeben sein können.
Insoweit gilt grundsätzlich: Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit sind nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG Gehälter, Löhne, Gratifikationen, Tantiemen und andere Bezüge und Vorteile, die für eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt werden, unabhängig davon, ob ein Rechtsanspruch auf sie besteht. Diese Bezüge oder Vorteile gelten dann als für eine Beschäftigung gewährt, wenn sie durch das individuelle Dienstverhältnis veranlasst sind, ohne dass ihnen eine Gegenleistung für eine konkrete (einzelne) Dienstleistung des Arbeitnehmers zugrunde liegen muss. Eine Veranlassung durch das individuelle Dienstverhältnis ist zu bejahen, wenn die Einnahmen dem Empfänger mit Rücksicht auf das Dienstverhältnis zufließen und sich als Ertrag der nichtselbständigen Arbeit darstellen, wenn sich die Leistung des Arbeitgebers also im weitesten Sinne als Gegenleistung für die Zurverfügungstellung der individuellen Arbeitskraft des Arbeitnehmers erweist. Diese Auffassung entspricht dabei der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, wie beispielsweise im Urteil vom 07.05.2014 unter dem Aktenzeichen VI R 73/12 geäußert.
Für die Praxis bedeutet dies aber keineswegs, dass grundsätzlich immer Arbeitslohn bzw. Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit gegeben sind. Vorteile, die sich bei objektiver Würdigung aller Umstände nicht als Entlohnung, sondern lediglich als notwendige Begleiterscheinung betriebsfunktionaler Zielsetzungen erweisen, sind nicht als Arbeitslohn anzusehen. Vorteile besitzen danach keinen Arbeitslohncharakter, wenn sie im ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers gewährt werden. Das ist der Fall, wenn sich aus den Begleitumständen wie Anlass, Art und Höhe des Vorteils, Auswahl der Begünstigten, freie oder nur gebundene Verfügbarkeit, Freiwilligkeit oder Zwang zur Annahme des Vorteils und seiner besonderen Geeignetheit für den jeweils verfolgten betrieblichen Zweck ergibt, dass diese Zielsetzung ganz im Vordergrund steht und ein damit einhergehendes eigenes Interesse des Arbeitnehmers, den betreffenden Vorteil zu erlangen, vernachlässigt werden kann. Auch dies entspricht mittlerweile der gefestigten Rechtsprechung, wie beispielsweise einem Urteil des Bundesfinanzhofs vom 14.11.2013 unter dem Aktenzeichen VI R 36/12 zu entnehmen ist.
Damit aber noch nicht genug. Arbeitslohn liegt auch dann nicht vor, wenn die Zuwendung wegen anderer Rechtsverhältnisse oder aufgrund sonstiger, nicht auf dem Dienstverhältnis beruhender Beziehungen zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber gewährt wird. In diesem Zusammenhang hat der Bundesfinanzhof in seiner Entscheidung vom 05.11.2013 unter dem Aktenzeichen VIII R 22/11 klargestellt: Kann der Arbeitnehmer die von seinem Arbeitgeber erworbenen Genussrechte nur dadurch verwerten, dass er sie nach Ablauf der Laufzeit an diesen veräußert und hängt die Höhe des Rückkaufswerts der Genussrechte davon ab, wie das Anstellungsverhältnis endet, handelt es sich bei dem Überschuss aus dem Rückverkauf der Genussrechte um Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit.
Die Beantwortung der Frage, ob ein Leistungsaustausch zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer aufgrund einer Sonderrechtsbeziehung einer anderen Einkunftsart oder dem nicht einkommensteuerbaren Bereich zuzurechnen ist oder der Leistungsaustausch durch das Dienstverhältnis veranlasst wurde und damit den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zuzurechnen ist, kann nur aufgrund einer wertenden Betrachtung aller wesentlichen Umstände des Einzelfalles unter Berücksichtigung wirtschaftlicher Gesichtspunkte erfolgen. So schon die obersten Finanzrichter der Republik in ihrer Entscheidung vom 01.02.2007 unter dem Aktenzeichen VI R 72/05.
Darauf aufbauend wurde im vorliegenden Fall beim Finanzgericht Münster auch das Kriterium des überwiegenden eigenbetrieblichen Interesses bzw. der im Vordergrund stehenden betriebsfunktionalen Zielsetzungen herangezogen. Danach reicht es nicht aus, dass nach der äußerlichen Gestaltung getrennte Verträge vorliegen. Vielmehr muss nach objektiver Betrachtung dem gesonderten Rechtsverhältnis eine wirtschaftliche Eigenständigkeit zukommen, bei der die betriebsfunktionale Zielsetzung des Arbeitgebers im Vordergrund steht. Hieran fehlt es, wenn die Rechtsbeziehung nicht auch losgelöst vom Dienstverhältnis als marktgerechtes entgeltliches Geschäft bestehen könnte
Die rechtliche Einordnung einer Zuwendung des Arbeitgebers an den Arbeitnehmer nach den genannten Kriterien muss für den Rechtsanwender nach den objektiv erkennbaren Umständen nachvollziehbar sein. Auf die subjektive Einschätzung der an der Zuwendung Beteiligten oder die Bezeichnung durch die Beteiligten kommt es nicht an. Es gelten die Regeln der objektiven Beweislast. Dabei spricht die Lebenserfahrung dafür, dass im Verhältnis zwischen einem Arbeitgeber und einem von ihm beschäftigten Arbeitnehmer alle Zuwendungen im Zweifel unter dem Gesichtspunkt des Austauschs von Dienstleistung und Gegenleistung erfolgen.
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze und der Würdigung des Gesamtumstandes kommt daher im vorliegenden Fall das Finanzgericht Münster mit seinem Urteil vom 03.12.2019 unter dem Aktenzeichen 1 K 3320/18 L zu folgendem Schluss: Das vom Arbeitgeber an seinen Arbeitnehmer gezahlte Entgelt für die Anbringung von Werbung auf dem privaten Fahrzeug des Arbeitnehmers, ohne Vereinbarung einer mindestens zu erbringenden jährlichen oder monatlichen Fahrleistung, ohne Vereinbarung eines zeitlichen Umfangs der Nutzung des Pkw, ohne Vereinbarung, ob und wo der Pkw im öffentlichen Parkraum sichtbar abgestellt werden muss und ohne Verpflichtung des Arbeitnehmers, den Pkw in einem bestimmten Zustand zu halten, ist Arbeitslohn.
Trotz dieser resoluten Entscheidung der Münsteraner war die Revision zum Bundesfinanzhof wegen einer grundsätzlichen Bedeutung der Streitfrage zuzulassen. Erfreulicherweise haben die Steuerpflichtigen im vorliegenden Fall auch die Revision beim Bundesfinanzhof eingelegt. Unter dem Aktenzeichen VI R 20/20 muss daher der Bundesfinanzhof klären, ob ein Entgelt, dass der Arbeitgeber seinen Arbeitnehmern für die Anbringung eines mit der Werbung des Arbeitgebers versehenen Kennzeichenalters an deren privaten Fahrzeugen zahlt, Arbeitslohn ist oder nicht. Sicherlich werden wir auch über die Entscheidung und Begründung des Bundesfinanzhofs berichten.
5. Für Unternehmer: Kfz-Kosten-Deckelung beim Einnahme-Überschuss-Rechner
Nach wie vor ist die Entnahmebesteuerung rund um den betrieblichen Pkw immer wieder Streitgegenstand in zahlreichen finanzgerichtlichen Verfahren. Hier daher zunächst noch einmal die Basics. Grundsätzlich ist insoweit wie folgt vorzugehen:
Für die private Nutzung eines betrieblichen Kraftfahrzeugs, das zu mehr als 50% betrieblich genutzt wird, erfolgt die Entnahmebesteuerung nach den gesetzlichen Regelungen in § 6 Abs. 1 Nummer 4 Satz 2 und Satz 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Satz 2 der Vorschrift beinhaltet dabei die sogenannte Ein-Prozent-Regelung, während Satz 3 der Gesetzesnorm die sogenannte Fahrtenbuchregelung beheimatet.
Im Gesamtzusammenhang muss die Bemessung der Nutzungsentnahme für ein betriebliches Kraftfahrzeug nach der Ein-Prozent-Regelung als eine spezialgesetzliche Bewertungsregel gesehen werden. Dies bedeutet: Nur wenn die Ein-Prozent-Regelung aufgrund der Gesetzesausführung im Satz 3 wegen eines ordnungsgemäßen Fahrtenbuchs nicht eingreift, ist die Nutzungsentnahme nach den allgemeinen Regeln mit dem darauf entfallenden Aufwand zu bewerten.
Hinsichtlich des Nutzungswertansatzes für die private Nutzung eines überwiegend betrieblich genutzten Kraftfahrzeugs ist für jeden Kalendermonat ein Prozent des inländischen Listenpreises im Zeitpunkt der Erstzulassung zuzüglich der Kosten für Sonderausstattung einschließlich Umsatzsteuer anzusetzen. Soweit der Grundsatz. Wie schon gesagt, kann die private Nutzung eines betrieblichen Kraftfahrzeugs auch abweichend von der sogenannten Ein-Prozent-Regelung mit den auf die Privatfahrten entfallenden Aufwendungen nach der Fahrtenbuchmethode angesetzt werden. Voraussetzung dafür ist, dass die für das betriebliche Kraftfahrzeug insgesamt entstehenden Aufwendungen durch Belege nachgewiesen werden und das Verhältnis der privaten zu den übrigen Fahrten durch ein tatsächlich ordnungsgemäßes Fahrtenbuch ermittelt werden kann. Insgesamt eine genaue, aber auch sehr aufwändige Methode.
Die Anknüpfung der sog. Ein-Prozent-Regelung an den Listenpreis stellt eine typisierend-pauschalierende Regelung dar, die sich im Rahmen des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums bewegt. Es handelt sich um einen sachgerechten Maßstab, wie die Rechtsprechung bereits mehrfach erläutert hat. Der Ansatz des Gesetzgebers in § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG, die Bewertung der privaten Nutzungsentnahme anhand der Ein-Prozent-Regelung ausgehend vom Listenpreis vorzunehmen, entspricht dem Erfordernis, die Entnahmen des Steuerpflichtigen für die private Lebensführung nach dem Nutzungsvorteil zu bemessen, der dem Steuerpflichtigen zukommt. Soweit die Ein-Prozent-Regelung zum Tragen kommt, will (gerade) der Bezug zum inländischen Listenpreis sicherstellen, dass alle Vorteile, die mit der Zurverfügungstellung des Fahrzeugs für den Steuerpflichtigen verbunden sind, umfasst werden (folglich auch Steuern, Versicherungsprämien, Reparatur- und Wartungskosten, Treibstoffkosten). Die so vom Gesetzgeber zu Grunde gelegte Bemessungsgrundlage des Bruttolistenpreises bezweckt also nicht, die tatsächlichen Neuanschaffungskosten des Fahrzeugs - und erst recht nicht dessen gegenwärtigen Wert im Zeitpunkt der Überlassung - möglichst realitätsgerecht abzubilden. Die Bewertung des Nutzungsvorteils ist mit dem Ansatz in Höhe von 1% des Bruttolistenpreises je Monat eine grob typisierende Regelung, da sie stark divergierende Sachverhalte zusammenfasst. Hierzu zählen die Nutzung neuer oder gebrauchter bzw. teurer oder preiswerter Kfz, der unterschiedliche Umfang der betrieblichen bzw. privaten Nutzung, die unterschiedliche Nutzungsdauer von betrieblichen Kraftfahrzeugen, die divergierenden Möglichkeiten der AfA und die unterschiedliche Höhe von Umsatzsteuersätzen.
Vor diesem Hintergrund der gesetzessystematischen Einordnung hat der Bundesfinanzhof auch bereits in seiner Entscheidung vom 15.05.2018 unter dem Aktenzeichen X R 28/15 klargestellt, dass, auch wenn die Anwendung der Ein-Prozent-Regelung seit 2006 voraussetzt, dass das betriebliche Kraftfahrzeug zu mehr als 50 % auch betrieblich genutzt wird, es verfassungsrechtlich nicht geboten ist, die nach der Ein-Prozent-Regelung ermittelte Nutzungsentnahme auf 50% der Gesamtaufwendungen für das Kraftfahrzeug zu begrenzen.
Nach diesen Maßstäben erfolgt die Besteuerung der Nutzungsentnahme für private PKW-Nutzungen nach dem Regelungssystem des Einkommensteuergesetzes also nur entweder durch den Ansatz der Ein-Prozent-Regelung ohne weitere Voraussetzungen oder durch den Ansatz der tatsächlichen Aufwendungen der privaten Nutzung unter der Voraussetzung, dass der Steuerpflichtige ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch führt. Eine sogenannte Kostendeckelung ist hingegen im gesetzlichen Regelungssystem überhaupt nicht vorgesehen.
Die Kostendeckelung entstammt insoweit lediglich einer Billigkeitsregel in der Verwaltungsanweisung des Bundesfinanzministeriums vom 18.11.2009 unter dem Aktenzeichen IV C 6 - S 2177/07/10004. Dort heißt es in Randziffer 18: Der pauschale Nutzungswert nach der Ein-Prozent-Regelung sowie die nicht abziehbaren Betriebsausgaben für Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte und Familienheimfahrten können die für das genutzte Kraftfahrzeug insgesamt tatsächlich entstandenen Aufwendungen übersteigen. Wird das im Einzelfall nachgewiesen, so sind diese Beträge höchstens mit den Gesamtkosten des Kraftfahrzeugs anzusetzen.
Vor diesem Hintergrund räumt das erstinstanzliche Finanzgericht Rheinland-Pfalz zwar in seiner Entscheidung vom 10.12.2019 unter dem Aktenzeichen 3 K 2681/19 ein, dass Steuern grundsätzlich auch im Billigkeitswege aufgrund der Vorschrift des § 163 der Abgabenordnung (AO) niedriger festgesetzt werden können, wenn die Erhebung der Steuer nach Lage des einzelnen Falls unbillig wäre. Einen Anspruch auf die Anwendung der Billigkeitsregelung im vorgenannten Verwaltungserlass des Bundesfinanzministeriums sehen die erstinstanzlichen Richter aus Rheinland-Pfalz jedoch nicht. Dies gilt umso mehr, wenn bei einem geleasten Fahrzeug die monatlichen Fahrzeugkosten unter Einbeziehung der über die Laufzeit des Leasingvertrages verteilten Sonderzahlung höher sind als die Ein-Prozent-Regelung des Listenpreises.
Im Endeffekt urteilen die Richter des Finanzgerichtes Rheinland-Pfalz daher, dass für die Deckelung des Entnahmewerts bei privater Nutzung eines überwiegend betrieblich genutzten Kraftfahrzeugs auf die Höhe der in diesem Veranlagungszeitraum tatsächlich angefallenen Betriebsausgaben keine gesetzliche Grundlage besteht, und diese daher nicht unbedingt durchgeführt werden muss.
Erfreulicherweise waren die Richter der ersten Instanz jedoch gezwungen, die Revision zum Bundesfinanzhof zuzulassen, weil die Entscheidung grundsätzliche Bedeutung hat, insbesondere da die Verwaltungsanweisung des Bundesfinanzministeriums eine entsprechende Billigkeitsregelung vorsieht.
Unter dem Aktenzeichen VIII R 11/20 ist die Rechtsfrage nun auch beim Bundesfinanzhof in München anhängig. Konkret werden daher die obersten Finanzrichter der Republik zu klären haben: Ist der Entnahmewert für die private Fahrzeugnutzung bei einem Überschussrechner auf die im Streitjahr tatsächlich abgeflossenen Fahrzeugkosten zu deckeln, oder ist der nach der Ein-Prozent-Regelung ermittelte (höhere) Wert im Hinblick darauf anzusetzen, dass die im Vorjahr für das Fahrzeug geleistete Leasingsonderzahlung anteilig dem Streitjahr zuzurechnen ist? Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit wird uns daher diese Thematik abermals beschäftigen.
Hinweis: Wie schon eingangs gesagt, sind Streitfragen rund um die Nutzungsentnahme und auch insbesondere rund um die Bewertung der privaten Nutzung eines betrieblichen Fahrzeugs nach der Ein-Prozent-Regelung Dauergast bei der Finanzrechtsprechung. Daher sei an dieser Stelle noch auf zwei weitere Verfahren der jüngsten Vergangenheit verwiesen, die bereits vor dem Bundesfinanzhof abgeurteilt wurden.
So hat der Bundesfinanzhof in seiner Entscheidung vom 09.11.2017 unter dem Aktenzeichen III R 20/16 entschieden: Ist die private Nutzung eines betrieblichen Fahrzeugs nach der Ein-Prozent-Regelung zu bewerten, ist der inländische Bruttolistenpreis zu schätzen, wenn das Fahrzeug ein Importfahrzeug ist und weder ein inländischer Bruttolistenpreis vorhanden ist noch eine Vergleichbarkeit mit einem bau- und typengleichen inländischen Fahrzeug besteht.
Insoweit ist der inländische Bruttolistenpreis jedenfalls dann nicht zu hoch geschätzt, wenn die Schätzung sich an den typischen Bruttoabgabepreisen orientiert, die Importfahrzeughändler, welche das betreffende Fahrzeug selbst importieren, von ihren Endkunden verlangen.
In einer weiteren Entscheidung rund um die Ein-Prozent-Regelung haben die obersten Finanzrichter der Republik am 08.11.2018 unter dem Aktenzeichen III R 13/16 klargestellt, dass auch die Privatnutzung von Taxen dem Anwendungsbereich der Ein-Prozent-Regelung unterfällt. Listenpreis ist insoweit nur der Preis, zu dem der Steuerpflichtige das Fahrzeug als Privatkunde erwerben könnte.
6. Für Geschiedene: Prozesskosten als Werbungskosten beim Realsplitting
Geht eine Ehe in die Brüche und wird geschieden, steht leider im Nachgang auch regelmäßig der Streit um das Geld im Raum. Nicht selten kommt es an dieser Stelle zu Prozessen mit rechtsanwaltlicher Vertretung zwischen den früheren Ehegatten. Der eine Ehegatte möchte schlicht nachehelichen Unterhalt erhalten, während der andere ihn nicht zahlen möchte.
In einem Verfahren vor dem Finanzgericht Münster war nun unter dem Aktenzeichen 1 K 494/18 umstritten, wie die Prozesskosten des Empfängers des nachehelichen Unterhalts berücksichtigt werden können.
Im Urteilsfall begehrte der Empfänger des nachehelichen Unterhalts, die anteiligen Prozesskosten entweder als außergewöhnliche Belastungen oder als Werbungskosten zu berücksichtigen.
Dem Abzug als außergewöhnliche Belastung steht dabei die Regelung des § 33 Absatz 2 Satz 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) im Wege. Danach ist nämlich der Abzug als außergewöhnliche Belastungen von Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreits ausgeschlossen. Einzige Ausnahme: Es handelt sich um Aufwendungen, ohne die der Steuerpflichtige Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen könnte. Da die Ausnahme vom Abzugsverbot tatsächlich auch eher eine Ausnahme in der Realität sein dürfte, sind die meisten Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreites, insbesondere also die Prozesskosten, nicht als außergewöhnliche Belastung abzugsfähig. So war es auch im vorliegenden Fall hinsichtlich der Prozesskosten zur Erstreitung des nachehelichen Unterhaltes.
Offen ist an dieser Stelle jedoch weiterhin die Frage, ob entsprechende Aufwendungen nun noch als Werbungskosten abgezogen werden können. Immerhin wurden durch die Unterhaltsempfängerin im vorliegenden Fall sonstige Einkünfte realisiert, da der Unterhaltszahlende einen entsprechenden Antrag auf Realsplitting nach § 10 Absatz 1a Nummer 1 EStG gestellt hatte.
Ausweislich dieser Regelung können Unterhaltsleistung an den geschiedenen oder dauernd getrennt lebenden unbeschränkt einkommensteuerpflichtigen Ehegatten bis zu 13.805 Euro im Kalenderjahr als Sonderausgabe abgezogen werden, wenn der Geber dies mit Zustimmung des Empfängers beantragt.
Da der Empfänger insoweit sonstige Einkünfte realisiert, stellt sich zunächst ganz allgemein die Frage des Werbungskostenabzugs, welche das bereits erwähnte Finanzgericht Münster mit Urteil vom 03.12.2019 für den Steuerpflichtigen positiv beantwortet.
Werbungskosten sind nämlich Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Dabei hat die Rechtsprechung immer wieder unter Rückgriff auf das Veranlassungsprinzip den Werbungskostenbegriff ausgelegt. Hiernach sind Werbungskosten die Aufwendungen, die durch die jeweilige Erwerbstätigkeit veranlasst sind. Eine solche Veranlassung liegt vor, wenn ein objektiver Zusammenhang mit der Erwerbstätigkeit besteht und wenn die Aufwendungen subjektiv zur Förderung der Erwerbstätigkeit getätigt werden.
Ob also Aufwendungen der Erwerbsphäre oder der privaten Lebensführung zuzuordnen sind oder nicht, entscheidet sich unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalles. Aufwendungen sind nur dann als durch die Einkunftsart veranlasst anzusehen, wenn sie hierzu in einem steuerrechtlich anzuerkennenden wirtschaftlichen Zusammenhang stehen. Maßgebend dafür, ob ein solcher Zusammenhang besteht, ist zum einen die wertende Beurteilung des die betreffenden Aufwendungen auslösenden Moments, zum anderen die Zuweisung dieses maßgebenden Besteuerungsgrundsatzes zur einkommensteuerrechtlich relevanten Erwerbssphäre. Was sich sehr theoretisch anhört, bedeutet im vorliegenden Sachverhalt nichts anderes, als dass die Kosten einer Rechtsverfolgung, also die Beratungs-, Vertretungs- und Prozesskosten, definitiv Werbungskosten sein können, wenn der Gegenstand des Prozesses mit der Einkunftsart zusammenhängt, in deren Rahmen die Aufwendungen geltend gemacht werden. Auch Prozesskosten teilen daher grundsätzlich die einkommensteuerrechtliche Qualifikation der Aufwendungen, die Gegenstand des Prozesses waren. Ausschlaggebend ist insoweit, worin der Anknüpfungspunkt für die Bestimmung des Gegenstands des Verfahrens gesehen wird.
Dabei muss herausgestellt werden, dass der Zusammenhang mit der Einkunftsart sich nach objektiven Gesichtspunkten richtet und nicht nach den Vorstellungen des Steuerpflichtigen. Auch soweit es sich bei der betreffenden Einkunftsart um sonstige Einkünfte handelt (wie die, die beim Realsplitting erzielt werden), können die hiermit zusammenhängenden Kosten der Rechtsverfolgung Werbungskosten sein.
Hintergrund ist hier die gesetzgeberische Entscheidung, wonach Unterhaltszahlungen gemäß der gesetzlichen Norm in § 22 Nummer 1a EStG als steuerbare Einkünfte zu behandeln sind, soweit für diese beim Zahlungsverpflichteten der Sonderausgabenabzug möglich ist. Ist dies der Fall, sind derartige Unterhaltszahlungen den übrigen Einkünften insoweit vollständig gleichgestellt. Daraus folgt nicht zuletzt, dass auch ein Werbungskostenabzug bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen vollumfänglich möglich sein muss und auch tatsächlich ist. So die klare Aussage der Münsteraner Richter.
Unter Einbeziehung und Berücksichtigung dieser Rechtsprechungsgrundsätze besteht im vorliegenden Streitfall der für den Werbungskostenabzug erforderliche Zusammenhang der Prozesskosten mit der Erwerbssphäre, soweit Gegenstand des Verfahrens vor dem Gericht die als sonstige Einkünfte zu versteuernden Unterhaltszahlungen waren.
Auslösendes Moment für die Verausgabung dieser Prozesskosten war im vorliegenden Fall das Ziel der Klägerin, von ihrem geschiedenen Ehemann die Zahlung nachehelichen Unterhalts zu erlangen. Indem die Klägerin das Verfahren vor Gericht betrieb, wollte sie erreichen, dass ihr zukünftig Einkünfte in Form von Unterhaltsleistungen zufließen. Durch die späteren, von der Klägerin als steuerbare Einkünfte deklarierten Unterhaltszahlungen hat sich sodann die mit der Prozessführung bereits begründete Einkünfteerzielungsabsicht realisiert. Das auslösende Moment ist daher der Erwerbssphäre und nicht der Privatsphäre der Klägerin zuzurechnen. Ganz klar gesagt: Gegenstand des Verfahrens war gerade die zukünftige Erzielung der steuerbaren Einkünfte.
Entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung steht dem Werbungskostenabzug dabei nicht entgegen, dass bei Anstrengung der zivilrechtlichen Verfahren noch nicht feststand, ob durch eine entsprechende Wahlrechtsausübung die Steuerpflicht der Unterhaltszahlung begründet werden würde. Die Steuerbarkeit der Unterhaltszahlung bei der Klägerin hing nämlich von einem entsprechenden, mit ihrer Zustimmung gestellten Antrags ihres geschiedenen Ehemanns ab.
Hierzu entscheidet jedoch das erstinstanzliche Finanzgericht Münster, dass dieses Antragserfordernis den wirtschaftlichen Zusammenhang zwischen der Aufwendung der Prozesskosten und der Erzielung der Unterhaltsleistungen nicht unterbricht. Insoweit sind der Antrag des Gebers und die Zustimmung des Unterhaltsempfängers lediglich rechtsgestaltend, indem sie den Rechtscharakter des Aufwands beim Geber ändern und gleichzeitig die Steuerpflicht beim Empfänger bewirken.
Im Ergebnis können daher Prozesskosten für der Bestreitung des nachehelichen Unterhalts als steuermindernde Werbungskosten bei den sonstigen Einkünften abgezogen werden, wenn und soweit die Unterhaltszahlungen zu steuerpflichtigen Einkünften führen.
Wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache musste jedoch das erstinstanzliche Finanzgericht in seiner zu begrüßenden Entscheidung die Revision zum Bundesfinanzhof zulassen. Da sich die Finanzverwaltung nicht damit abfinden möchte, dass Werbungskosten auch dann gegeben sind, obwohl der kausale Zusammenhang zwischen Prozesskosten und Unterhaltsleistung erst dann durchschlägt, wenn der Leistende auch tatsächlich einen Antrag auf Realsplitting stellt, wurde die Revision eingelegt. Das letzte Wort wird daher der Bundesfinanzhof unter dem Aktenzeichen X RZ 7/20 haben.
7. Für Arbeitnehmer: Mit dem Taxi (nur) zur Arbeit (und nicht nach Paris)
Aufwendungen des Arbeitnehmers für die Wege zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte sind regelmäßig Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit. Aufgrund der Regelungen rund um die Entfernungspauschale ist jedoch leider insoweit regelmäßig kein unbegrenzter Abzug möglich.
Zur Abgeltung dieser Aufwendungen ist für jeden Arbeitstag, an dem der Arbeitnehmer die erste Tätigkeitsstätte aufsucht, eine Entfernungspauschale für jeden vollen Kilometer der Entfernung zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte von 30 Cent anzusetzen, höchstens jedoch 4.500 Euro im Kalenderjahr. Ein höherer Betrag als 4.500 Euro ist erst anzusetzen, soweit der Arbeitnehmer einen eigenen oder ihm zur Nutzung überlassenen Kraftwagen benutzt.
Besonders hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang, dass Aufwendungen für die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel auch dann angesetzt werden können, soweit sie den im Kalenderjahr insgesamt als Entfernungspauschale abziehbaren Betrag übersteigen. Dies ist so expressis verbis geregelt in § 9 Abs. 2 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG).
Streitbefangen ist nun, ob denn Aufwendungen für ein Taxi tatsächlich auch Aufwendungen für die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel sind. Vereinfacht gesagt: Ist ein Taxi ein öffentliches Verkehrsmittel?
Zumindest das Thüringer Finanzgericht hat diese Frage in einer Entscheidung vom 25.09.2018 unter dem Aktenzeichen 3 K 233/18 seinerzeit mit einem klaren Ja beantwortet: Ein Taxi ist ein „öffentliches Verkehrsmittel” im Sinne des § 9 Abs. 2 Satz 2 EStG. Der Steuerpflichtige kann daher die per Taxi durchgeführten Fahrten von der Wohnung zur ersten Tätigkeitsstätte nicht nur in Höhe der Entfernungspauschale, sondern in Höhe der tatsächlich angefallenen, die Entfernungspauschale übersteigenden Kosten als Werbungskosten abziehen.
Trotz dieses Urteils ist die Frage, ob Taxis öffentliche Verkehrsmittel sind oder - konkreter gesagt - zumindest öffentliche Verkehrsmittel im Sinne der Regelung des § 9 Abs. 2 Satz 2 EStG, weiterhin umstritten. So auch seinerzeit bereits die Thüringer Finanzrichter in der vorgenannten mittlerweile rechtskräftigen Entscheidung.
Zwar hat das Finanzgericht Düsseldorf in seinem Urteil vom 08.04.2014 unter dem Aktenzeichen 13 K 339/12 E Taxis den öffentlichen Verkehrsmitteln zumindest gleichgestellt, jedoch wurde dies seinerzeit nicht näher begründet, noch in irgendeiner Weise differenziert. Der Bundesfinanzhof hingegen hat jedenfalls in seiner Entscheidung vom 15.11.2016 unter dem Aktenzeichen VI R 4/15 ausdrücklich offen gelassen, ob es sich beim Taxi um ein öffentliches Verkehrsmittel im Sinne der vorgenannten einkommensteuerlichen Vorschrift in § 9 Abs. 2 Satz 2 EStG handelt. Allein der Umstand, dass die Beförderung von Personen mit Kfz im Gelegenheitsverkehr etwa einem Taxi genehmigungspflichtig ist und zum öffentlichen Personennahverkehr zählt, zwingt nach Auffassung der obersten Finanzrichter der Republik nicht dazu, dass es sich auch um öffentliche Verkehrsmittel im Sinne der einkommensteuerlichen Vorschrift handelt. Insbesondere soll wohl Sinn und Zweck der Vorschrift sein, dass lediglich Aufwendungen für regelmäßig verkehrende öffentliche Verkehrsmittel, wie beispielsweise dem Linienverkehr, nicht unter die Abgeltungswirkung der Entfernungspauschale fallen sollen.
Trotz dieser höchstrichterlichen Unklarheiten hat das Thüringer Finanzgericht im September 2018 das Taxi als öffentliches Verkehrsmittel eingeordnet. Die Revision gegen diese Einordnung wurde seinerzeit wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache auch zugelassen, insbesondere da höchstrichterlich nicht abschließend geklärt ist, ob ein Taxi ein öffentliches Verkehrsmittel im Sinne der einkommensteuerlichen Vorschrift ist. Tatsächlich ist die erstinstanzliche Entscheidung jedoch seinerzeit rechtskräftig geworden. Seitens des Finanzamtes ist keine Revision eingelegt worden.
In einem neuen Urteil vom 22.10.2019 hat das Thüringer Finanzgericht seine obige Auffassung nun offensichtlich unter dem Aktenzeichen 3 K 490/19 wiederholt. Da es bisher immer noch keine höchstrichterliche Klärung dieser Streitfrage gibt, wurde wie gehabt wiederum die Revision zugelassen. Diesmal war jedoch nicht Schluss im Verfahrensweg. Diesmal hat die Finanzverwaltung auch die Revision eingelegt.
Dementsprechend werden die obersten Finanzrichter der Republik beim Bundesfinanzhof nun konkreter werden müssen und unter dem Aktenzeichen VI R 26/20 zu klären haben, ob ein Taxi ein öffentliches Verkehrsmittel im Sinne des § 9 Abs. 2 Satz 2 EStG ist und ob dann die Taxikosten für die Wege zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte in tatsächlich entstandener Höhe über die Entfernungspauschale hinaus als Werbungskosten geltend gemacht werden können.
Tipp: Betroffenen sei daher empfohlen, sich an das Musterverfahren mittels Einspruch anzuhängen und den eigenen Steuerfall offen zu halten, damit entsprechende Taxikosten gegebenenfalls auch jenseits der Entfernungspauschale noch einkommensteuermindernd bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit als Werbungskosten abgezogen werden können.