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Mandantenbrief 08/2023

Inhalt:
  1. Für alle Steuerpflichtigen: Veräußerungsgewinne bei Kryptowährungen steuerpflichtig
  2. Für Arbeitnehmer und Arbeitgeber: Schenkung von Unternehmensanteilen als lohnsteuerpflichtiger Arbeitslohn?
  3. Für Arbeitnehmer und Arbeitgeber: Steuerfreiheit von Vorteilen eines Angestellten aus der Nutzung eines betrieblichen Handys – Bundesfinanzhof eröffnet Gestaltungsmöglichkeiten
  4. Für Immobilieneigentümer: Privates Veräußerungsgeschäft auch nach Grundstücksteilung des eigengenutzten Objektes möglich
  5. Für Studierende: Zur Besteuerung eines Promotionsstipendiums
  6. Für Immobilieneigentümer: Zum Nachweis einer tatsächlich kürzeren Nutzungsdauer bei Gebäuden

1. Für alle Steuerpflichtigen: Veräußerungsgewinne bei Kryptowährungen steuerpflichtig

Entsprechend der gesetzlichen Regelung in § 23 Abs. 1 Satz 1 Nummer 2 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) sind private Veräußerungsgeschäfte bei anderen Wirtschaftsgütern als Immobilien, bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als ein Jahr beträgt, steuerpflichtig.

Die Regelung betrifft dabei alle Wirtschaftsgüter im Privatvermögen, dies bedeutet Sachen und Rechte im Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB), tatsächliche Zustände, konkrete Möglichkeiten und Vermögenswerte oder Vorteile jeder Art. So bereits der Bundesfinanzhof in einer Entscheidung vom 29.10.2019 unter dem Aktenzeichen IX R 10/18. Ausgenommen sind lediglich Veräußerungen von Gegenständen des täglichen Gebrauchs. Die Einkünfteerzielungsabsicht ist nicht zu prüfen, sie wird durch die Jahresfrist in typisierender Weise objektiviert, wie bereits der Bundesfinanzhof in einem Urteil vom 25.8.2009 unter dem Aktenzeichen IX R 60/07 herausgearbeitet hat.

Der Begriff des anderen Wirtschaftsgutes im Sinne der gesetzlichen Regelung ist dabei weit zu fassen. Insbesondere ist er auf Grundlage einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise auszulegen. So auch bereits der Bundesfinanzhof in einer Entscheidung vom 29.11.2012 unter dem Aktenzeichen IV R 47/09. Mithin umfasst der Begriff des Wirtschaftsgutes nicht nur Gegenstände im Sinne des bürgerlichen Rechtes wie Sachen und Rechte, sondern auch tatsächliche Zustände, konkrete Möglichkeiten und Vorteile für den Betrieb, deren Erlangung der Kaufmann sich etwas kosten lässt, die nach der Verkehrsanschauung einer besonderen Bewertung zugänglich sind, in der Regel eine Nutzung für mehrere Wirtschaftsjahre bringen und zumindest mit dem Betrieb übertragen werden können. Das Merkmal der selbstständigen Bewertung wird dabei von der höchstrichterlichen Rechtsprechung dahingehend gedeutet, dass ein Erwerber des gesamten Betriebs in dem Vorteil einen greifbaren Wert sehen würde, für den er im Rahmen des Gesamtpreises ein ins Gewicht fallendes besonderes Entgelt ansetzen würde. Das bedeutet, dass zum jeweiligen Stichtag ein wirtschaftlich ausnutzbarer Vermögensvorteil vorliegen muss, der als realisierbarer Vermögenswert angesehen werden kann.

Mit Blick auf dieses Begriffsverständnis kann auch eine zivilrechtlich nicht oder nur beschränkt übertragbare Rechtsposition im Einzelfall steuerrechtlich als eigenständiges Wirtschaftsgut angesehen werden, wenn die Rechtspraxis Wege gefunden hat, den kommerziell realisierbaren Teil der Rechtsposition entgeltlich einem Dritten zu überlassen und dadurch wirtschaftlich zu verwerten. So auch bereits ein Urteil des Bundesfinanzhofs vom 16.12.2009 unter dem Aktenzeichen I R 97/08.

Vor diesem Hintergrund können nach Auffassung des Bundesfinanzhofs zu den Wirtschaftsgütern grundsätzlich auch solche objektiv werthaltigen Positionen gerechnet werden, bei deren Übertragung es auf dinglicher Ebene an einem Rechtsgeschäft fehlen könnte, sofern ihnen im Geschäftsverkehr ein selbstständiger Wert beigelegt wird und sie verkehrsfähig sind. Insoweit ist maßgeblich auf die Verkehrsanschauung der an diesen Geschäften beteiligten Kreisen abzustellen.

Nach diesen Grundsätzen kommt der Bundesfinanzhof in seiner Entscheidung vom 14.2.2023 unter dem Aktenzeichen IX R 3/22 zu dem Schluss, dass es sich bei Kryptowährungen um Wirtschaftsgüter handelt, die bei einer Anschaffung und Veräußerung innerhalb eines Jahres der Besteuerung als privates Veräußerungsgeschäft unterliegen.

Virtuelle Währungen stellen insoweit ein anderes Wirtschaftsgut im Sinne der gesetzlichen Regelung des privaten Veräußerungsgeschäftes dar, weil (wie oben schon gesagt) der Begriff des Wirtschaftsgutes weit zu fassen ist. Insbesondere sind virtuelle Währungen wirtschaftlich betrachtet als Zahlungsmittel anzusehen. Sie werden auf Handelsplattformen und Börsen gehandelt, haben einen Kurswert und können für direkt zwischen Beteiligten abzuwickelnde Zahlungsvorgänge verwendet werden. Technische Details virtueller Währungen sind dabei für die Eigenschaft als Wirtschaftsgut nicht von Bedeutung.

Erfolgen Anschaffung und Veräußerung oder Tausch der Token innerhalb eines Jahres, unterfallen daraus erzielte Gewinne oder Verluste der Besteuerung. Entgegen der Auffassung der hier klagenden Steuerpflichtigen liegt insoweit auch kein normatives Vollzugsdefizit vor. Insoweit sind weder gegenläufige Erhebungsregelungen vorhanden, die einer Besteuerung entgegenstehen. Ebenso ist das oberste Finanzgericht der Auffassung, dass keine Anhaltspunkte vorliegen, dass seitens der Finanzverwaltung Gewinne und Verluste aus Geschäften mit Kryptowährungen nicht ermittelt und erfasst werden können. Folglich weisen die obersten Richter darauf hin, dass ein strukturelles Vollzugsdefizit nicht damit zu begründen ist, dass es in Einzelfällen einigen Steuerpflichtigen trotz aller Ermittlungsmaßnahmen der Finanzbehörden gelingt, sich der Besteuerung zu entziehen.

Hinweis: Der Umkehrschluss der Entscheidung ist natürlich auch der, dass, wenn die Kryptowährungen länger als ein Jahr gehalten werden, ein gewinnbringender Verkauf nicht mehr der Besteuerung als privates Veräußerungsgeschäft unterliegt. Insoweit könnte sich folgende Gestaltung anbieten: Sofern man aktuell einen Buchverlust hat und sich die Jahresfrist dem Ende neigt, könnte dieser Verlust realisiert werden und am gleichen Tag eine neue identische Position wieder aufgebaut werden. Sofern später dann einmal Gewinne aus Kryptowährungen entstehen, könnte dieser Verlust damit verrechnet werden. Bis auf die Spesen bei An- und Verkauf ist die Situation ansonsten wirtschaftlich damit vergleichbar, als wenn eine Verlustrealisierung nicht stattgefunden hätte und man dementsprechend aufgrund des Ablaufes der Jahresfrist auch keinen Gewinn steuermindernd verrechnen kann.

Auf der anderen Seite gilt natürlich auch: Sofern die Jahresfrist bereits abgelaufen ist und man einen ausreichenden Buchgewinn hält, könnte auch dieser realisiert werden, damit man im Falle eines eventuellen Kurssturzes nicht doch auf nicht steuerlich verrechenbaren Verlusten sitzen bleibt.

2. Für Arbeitnehmer und Arbeitgeber: Schenkung von Unternehmensanteilen als lohnsteuerpflichtiger Arbeitslohn?

Zu den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit gehören entsprechend der gesetzlichen Regelung in § 19 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) neben den ganz normalen üblichen Löhnen und Gehältern auch andere Bezüge und Vorteile, die für eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt werden. Dabei ist es vollkommen unabhängig, ob ein Rechtsanspruch auf sie besteht und ob es sich um laufende oder um einmalige Bezüge handelt. Solche Bezüge oder Vorteile gelten dann als für eine Beschäftigung gewährt, wenn sie durch das individuelle Dienstverhältnis veranlasst sind, ohne dass ihnen eine Gegenleistung für eine konkrete einzelne Dienstleistung des Arbeitnehmers zugrunde liegen muss. Eine Veranlassung durch das individuelle Dienstverhältnis ist vielmehr zu bejahen, wenn die Einnahmen dem Empfänger mit Rücksicht auf das Dienstverhältnis zufließen und sich als Ertrag der nichtselbstständigen Arbeit darstellen, wenn sich die Leistung des Arbeitgebers also im weitesten Sinne als Gegenleistung für das Zurverfügungstellung der individuellen Arbeitskraft des Arbeitnehmers erweist. So bereits der Bundesfinanzhof in mehreren Entscheidungen, wie beispielsweise vom 26.6.2014 unter dem Aktenzeichen VI R 94/13 oder auch mit Urteil vom 21.5.2014 unter dem Aktenzeichen I R 42/12.

Entsprechend den vorgenannten Voraussetzungen kann damit auch der verbilligte Erwerb einer Beteiligung, etwa von GmbH-Anteilen, zu Einnahmen aus nichtselbstständiger Arbeit führen, wenn der Vorteil hieraus dem Arbeitnehmer „für“ seine Arbeitsleistung gewährt wird. So auch bereits der Bundesfinanzhof in einer Entscheidung vom 7. Mai 2014 unter dem Aktenzeichen VI R 73/12.

Arbeitslohn kann nach der mittlerweile ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ausnahmsweise auch bei der Zuwendung eines Dritten anzunehmen sein, wenn die Zuwendung ein Entgelt für eine Leistung bildet, die der Arbeitnehmer im Rahmen des Dienstverhältnisses für seinen Arbeitgeber erbringt, erbracht hat oder erbringen soll. Voraussetzung dabei ist, dass sie sich für den Arbeitnehmer als Frucht seiner Arbeit für den Arbeitgeber darstellt und im Zusammenhang mit dem Dienstverhältnis steht. Diese Definition hat der Bundesfinanzhof in seiner Entscheidung vom 20.5.2010 unter dem Aktenzeichen VI R 41/09 entwickelt.

Demgegenüber liegt kein Arbeitslohn vor, wenn die Zuwendung wegen anderer Rechtsbeziehungen oder wegen sonstiger, nicht auf dem Dienstverhältnis beruhender Beziehungen zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber gewährt wird. Entsprechendes gilt, wenn die Zuwendung auf anderen Rechtsbeziehungen zwischen Arbeitnehmer und Dritten gründet. Solche Rechtsbeziehungen zeigen ihre Unabhängigkeit und Eigenständigkeit insbesondere dadurch, dass diese auch selbstständig und losgelöst vom Arbeitsverhältnis bestehen könnten. Als derartige Zuwendung aufgrund von Sonderrechtsbeziehungen kommt unter anderem die Veräußerung von Sachen oder Rechten, zum Beispiel auch eine kapitalmäßige Beteiligung am Arbeitgeber oder an einem anderen Unternehmen, in Betracht. Der Arbeitnehmer nutzt in diesem Fall sein Kapital als eine vom Arbeitsverhältnis unabhängige und eigenständige Erwerbsgrundlage zur Einkünfteerzielung. Die daraus erzielten Erträge sind daher keine Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit, sondern solche aus Kapitalvermögen.

Ob nun eine Zuwendung durch das Dienstverhältnis veranlasst und damit als Arbeitslohn zu beurteilen ist, obliegt in erster Linie der tatrichterlichen Würdigung durch das Finanzgericht. Dies gilt auch für die Zuwendung durch einen oder an einen Dritten. Denn ob der entsprechende Leistungsaustausch den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit oder aufgrund einer Sonderrechtsbeziehung einer anderen Einkunftsart oder dem nichteinkommensteuerbaren Bereich zuzuordnen ist, kann nur aufgrund einer grundsätzlich der Tatsacheninstanz vorbehaltenen Würdigung aller wesentlichen Umstände des Einzelfalles entschieden werden. Die persönlichen Auffassungen und Einschätzungen der an der Zuwendung Beteiligten sind insoweit unerheblich. Entscheidend sind die vorgefundenen objektiven Tatumstände, die vom Finanzgericht als Tatsacheninstanz eigenständig zu würdigen sind, wie der Bundesfinanzhof unter anderem in seiner Entscheidung vom 28.2.2013 unter dem Aktenzeichen VI R 58/11 erklärt hat.

Basierend auf den zuvor genannten Grundsätzen steht es bei der Annahme von Arbeitslohn nicht entgegen, dass die Übertragung der Gesellschaftsanteile nicht vom Arbeitgeber, sondern von den Gesellschaftern des Arbeitgebers, also von Dritten erfolgt ist. Allerdings ist bei Würdigung der Gesamtumstände im hier vorgestellten Streitfall die Zuwendung durch die Gesellschafter nicht maßgeblich durch das Dienstverhältnis veranlasst, sondern vielmehr dem nichteinkommensteuerbaren, allenfalls schenkungsteuerlich relevanten Bereich zuzuordnen. So die erstinstanzlichen Richter in einer aktuellen Entscheidung des Finanzgerichtes des Landes Sachsen-Anhalt vom 27.4.2022 unter dem Aktenzeichen 3 K 161/21.

Bezogen auf den Urteilsfall führten die Richter insoweit weiter aus: Allein der Umstand, dass der beschenkte Arbeitgeber ohne seine berufliche Tätigkeit weder die Gesellschafter der Arbeitgeberin kennengelernt hätte noch die Anteile übertragen bekommen hätte, reicht für die Annahme von steuerpflichtigem Arbeitslohn allerdings bei weitem nicht aus. Denn neben einem Zusammenhang mit dem Dienstverhältnis muss sich die Zuwendung auch und gerade als Ertrag für die in der Vergangenheit oder Zukunft erbrachten oder zu erbringenden Dienste darstellen. Dies erkannte das Finanzgericht vorliegend nicht. Die Übertragung der Gesellschaftsanteile stellte sich hier bei objektiver Betrachtung gerade nicht als Ertrag der nichtselbstständigen Arbeit, d. h. als Gegenleistung für das Zurverfügungstellung der individuellen Arbeitskraft des Arbeitnehmers dar.

So enthielt beispielsweise der Geschäftsanteilsübertragungsvertrag keinerlei Ausführungen zu dem Grund der Übertragung. Es wurde keinerlei Gegenleistung vereinbart noch geregelt, dass die Übertragung etwa für in der Vergangenheit oder in der Zukunft zu erwartende Dienste des Arbeitnehmers für die Gesellschaft erfolgen sollte. Es wurde auch keinerlei Haltefrist für die Anteile vereinbart oder geregelt, dass eine Veräußerung erst nach einer bestimmten Frist der Weiterbeschäftigung beim Arbeitgeber erfolgen dürfte. Die Übertragung erfolgte vielmehr vollkommen vorbehalts- und bedingungslos. Insoweit ist eine unbeschränkte Anteilsübertragung erfolgt, die es dem Arbeitnehmer ermöglicht, mit den Anteilen vollständig unabhängig von dem Bestand seines Arbeitsverhältnisses zu verfahren. Er hatte damit die Möglichkeit, entweder das Arbeitsverhältnis selbst zu kündigen und in Zukunft, ohne jegliche Tätigkeit im Unternehmen, Gewinnausschüttungen zu erhalten oder auch die Anteile unter Beibehaltung oder auch Kündigung des Arbeitsverhältnisses frei zu veräußern. Die vertraglich geregelte Rückfallklausel, wenn das zuständige Finanzamt die steuerliche Verschonung nicht gewährt, deutet nach Auffassung der erstinstanzlichen Richter auch eher darauf hin, dass sämtliche Beteiligten der Übertragung von einer vom Arbeitsverhältnis losgelösten Übertragung der Gesellschaftsanteile als reine Schenkung ausgingen.

Auch eine Beschränkung der Fruchtziehung im Sinne der Vereinbarung eines Nießbrauchsrechtes wurde nicht vereinbart. Motiv der Übertragung war insoweit für alle Beteiligten erkennbar die Regelung der Unternehmensnachfolge. Die Gründungsgesellschafter wollten zwar eine Nachfolgeregelung innerhalb der Familie herbeiführen, sahen aber eine alleinige Übertragung an den Sohn aufgrund dessen anderweitiger berufliche Erfahrung und insbesondere fehlenden unternehmerischen Erfahrungen als kritisch an. Sie hegten die Hoffnung, dass die Unternehmensnachfolge bei der Übertragung der wesentlichen Anteile auf den Sohn nur dann wirtschaftlich erfolgreich sein können, wenn der Arbeitnehmer als leitender Angestellte ebenfalls einen Anteil an der GmbH übertragen bekommt.

Letztlich handelt es sich damit um eine Übertragung der Anteile im Rahmen der Unternehmensnachfolge, die den Fortbestand des Unternehmens sichern sollte und sich daher aufgrund der gewählten Vertragsgestaltung aus objektiver Sicht nicht als Arbeitslohn darstellt. Gesellschaftsrechtliche strategische Überlegungen standen bei der Übertragung im Vordergrund.

Allein die selbstverständlich gehegte Hoffnung der Altgesellschafter auf eine fortdauernde Tätigkeit des Angestellten für die Gesellschaft auch nach der Anteilsübertragung reicht hingegen für die Annahme von Arbeitslohn nicht aus. Der Übertragung lag vielmehr durch die gesellschaftsrechtlich motivierte Schenkung eine Sonderrechtsbeziehung zugrunde, die auch selbstständig und losgelöst vom Arbeitsverhältnis stehen kann. Dies zeigte sich im vorliegenden Fall insbesondere daran, dass der Arbeitnehmer auch bei Beendigung seines Arbeitsverhältnisses noch Gesellschafter in der GmbH bleibt und in dieser Funktion in den abzuholenden Gesellschafterversammlungen dem Sohn des Altgesellschafter als neuen Mehrheitsgesellschafter noch beratend zur Seite steht und Entscheidungen zum Wohle des Unternehmens beeinflussen kann.

Zudem ist das Finanzgerichtes des Land Sachsen-Anhalt aufgrund von Kontrollüberlegungen der Meinung, dass das von ihnen gefundene Ergebnis richtig ist. Denn wäre die Übertragung der Gesellschaftsanteile in der hier vorliegenden Form auf eine Person mit Leitungserfahrung erfolgt, die nicht zugleich auch Arbeitnehmer der GmbH ist, wäre wohl kein Arbeitslohn anzunehmen gewesen und allenfalls schenkungsteuerrechtliche Überlegungen anzustellen. Allein der Umstand, dass der Betroffene auch Arbeitnehmer der GmbH ist, kann aber ohne Hinzutreten andere Umstände nicht zu der Beurteilung führen, dass es dann den Gründungsgesellschaftern aufgrund der nicht im Verhältnis zur Übertragung stehenden Einkommensteuerbelastung der Arbeitnehmer wirtschaftlich verwehrt wäre, Arbeitnehmer im Rahmen der Unternehmensnachfolge zu berücksichtigen. Dies gilt jedenfalls dann nach Auffassung des erstinstanzlichen Gerichtes, wenn nicht, was hingegen bei Arbeitnehmerbeteiligung durchaus üblich sein dürfte, vertraglich bestimmte auflösende oder aufschiebenden Bedingungen, Haltefristen oder Weiterbeschäftigungszeiten für die endgültige Übertragung oder für eine Veräußerung vereinbart werden.

Nach alledem fassen die Richter aus Sachsen-Anhalt in ihrer Entscheidung zusammen: Allein der Umstand, dass der Arbeitnehmer ohne seine berufliche Tätigkeit weder die Gesellschafter der Arbeitgeberin kennengelernt noch die Anteile übertragen bekommen hätte, reicht für die Annahme von steuerpflichtigem Arbeitslohn nicht aus. Im geschilderten Streitfall lag vielmehr eine Übertragung der Anteile im Rahmen der Unternehmensnachfolge vor, die den Fortbestand des Unternehmens sichern sollte, bei der gesellschaftsrechtliche und strategische Überlegungen im Vordergrund standen und die sich daher aufgrund der gewählten Vertragsgestaltung aus objektiver Sicht nicht als Arbeitslohn darstellen.

Hinweis: Offensichtlich war die Finanzverwaltung jedoch von der durchaus logischen Argumentation des Finanzgerichtes Sachsen-Anhalts nicht überzeugt, denn sie hat Revision beim Bundesfinanzhof eingelegt. Unter dem Aktenzeichen VI R 21/22 muss sich der Bundesfinanzhof nun damit beschäftigen, ob in entsprechenden Fällen die Übertragung von Unternehmensanteilen zu Arbeitslohn führen kann oder ob entsprechende Anteilsübertragungen vielmehr aufgrund des engen persönlichen Verhältnisses mit den Alteigentümern erfolgen.

Tipp: Betroffene, die ihren Sachverhalt schon realisiert haben und bei denen das Finanzamt ebenfalls Arbeitslohn annimmt, sollten sich daher an das Musterverfahren des Bundesfinanzhofs anhängen. Steuerpflichtige, die entsprechendes vorhaben, bei denen der Sachverhalt jedoch noch nicht verwirklicht ist, sollten entweder auf die höchstrichterliche Entscheidung warten oder aber zumindest entsprechend der Argumentation des Finanzgerichtes des Landes Sachsen-Anhalts vorgehen, damit ihnen später kein Arbeitslohn vorgeworfen werden kann.

3. Für Arbeitnehmer und Arbeitgeber: Steuerfreiheit von Vorteilen eines Angestellten aus der Nutzung eines betrieblichen Handys – Bundesfinanzhof eröffnet Gestaltungsmöglichkeiten

Mit aktuellem und sehr zu beachtendem Urteil vom 23.11.2022 hat der Bundesfinanzhof unter dem Aktenzeichen VI R 50/20 eine sehr erfreuliche Entscheidung getroffen, die zudem den Gestaltungsspielraum auch noch deutlich erweitert. Nach der Entscheidung gilt das Folgende:

Die Erstattung von Telefonkosten für einen vom Arbeitnehmer abgeschlossenen Mobilfunkvertrag durch den Arbeitgeber ist auch dann nach § 3 Nr. 45 EStG steuerfrei, wenn der Arbeitgeber das Mobiltelefon, durch dessen Nutzung die Telefonkosten entstanden sind, von dem Arbeitnehmer zu einem niedrigen, auch unter dem Marktwert liegenden Preis erworben hat und er das Mobiltelefon dem Arbeitnehmer unmittelbar danach wieder zur privaten Nutzung überlässt.

Auf diese Weise können sich Mitarbeiter das teure Wunschhandy kaufen und es zu einem geringeren Preis an den Chef weiterverkaufen, damit insoweit der abgeschlossene Mobilfunkvertrag steuer- und sozialversicherungsfrei ist, weil die Voraussetzung, dass es ein Gerät des Arbeitgebers ist, erfüllt ist. Konkret begründet der Bundesfinanzhof seine erfreuliche Entscheidung wie folgt und räumt dabei in seiner Begründung sämtliche Vorbehalte der Finanzverwaltung aus dem Weg.

Hier einige Details der Begründung, beginnend mit einer kurzen rechtlichen Einordnung:

Die unentgeltliche Zurverfügungstellung betrieblicher Mobiltelefone einschließlich der dazugehörenden Netzteile durch den Arbeitgeber an seine Arbeitnehmer auch für private Zwecke und die Übernahme auf private Gespräche anteilig entfallender Grundgebühren und Verbindungsentgelte stellen bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit steuerbare geldwerte Vorteile dar. So bereits einer Entscheidung aus dem Jahre 1976 unter dem Aktenzeichen VI R 26/74 zu entnehmen und als unumstritten einzuordnen. Die Arbeitnehmer werden durch die Überlassung der Mobiltelefone nebst der zugehörigen Netzentgelte auch für private Zwecke sowie durch das unentgeltliche Führen privater Telefongespräche objektiv bereichert. Sie sparen das Geld, das sie sonst für ein privates Mobiltelefon und dessen Nutzung aufwenden müssten.

Die diesbezüglichen geldwerten Vorteile sind auch durch das Dienstverhältnis veranlasst. Insbesondere besteht kein ganz überwiegendes eigenbetriebliches Interesse des Arbeitgebers daran, seinen Arbeitnehmern betriebliche Mobiltelefone auch zur privaten Nutzung zu überlassen und für die Privatgespräche der Arbeitnehmer aufzukommen.

Entsprechende geldwerte Vorteile sind jedoch ausweislich der gesetzlichen Regelung in § 3 Nummer 45 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) steuerfrei. Nach dieser Vorschrift sind die Vorteile des Arbeitnehmers aus der privaten Nutzung von betrieblichen Datenverarbeitungs- und Telekommunikationsgeräten sowie deren Zubehör, aus zur privaten Nutzung überlassenen System- und Anwendungsprogrammen, die der Arbeitgeber auch in seinem Betrieb einsetzt, und aus im Zusammenhang mit diesen Zuwendungen erbrachten Dienstleistungen steuerfrei.

Die gesetzliche Regelung des § 3 Nummer 45 EStG soll ausweislich der Gesetzesbegründung vornehmlich eine sogenannte Lenkungsnorm sein. Der Finanzausschuss des Bundestages hatte die Regelung vorgeschlagen, um die Verwendung und Verbreitung des Internets mittels einer Steuervereinfachung zu fördern. Den Arbeitgebern sollte die Möglichkeit gegeben werden, ihren Arbeitnehmern die private Nutzung betrieblicher Personalcomputer und Telekommunikationsgeräte zu erlauben, ohne dies durch den mit der steuerlichen Erfassung des sogenannten Sachbezug verbundenen Verwaltungsaufwand zu erschweren. Dementsprechend sind nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut der gesetzlichen Regelung nur die Vorteile der Arbeitnehmer von der Steuer freigestellt, die diese aus dem privaten Gebrauch von betrieblichen Geräten ziehen. Der Zuschuss des Arbeitgebers für einen privaten Telefonanschluss des Arbeitnehmers ist demgegenüber nicht nach der Regelung steuerfrei. So auch bereits der Bundesfinanzhof in einer Entscheidung vom 21.6.2006 unter dem Aktenzeichen XI R 50/05.

Ein Telekommunikationsgerät ist ein betriebliches Gerät im Sinne der Vorschrift, wenn es im zivilrechtlichen oder wirtschaftlichen Eigentum des Arbeitgebers steht oder es sich um ein dem Arbeitgeber aufgrund eines Nutzungsvertrages mit einem Dritten (Leasingvertrag) zuzurechnendes Gerät handelt. Ein betriebliches Gerät im Sinne der Vorschrift liegt hingegen nicht vor, wenn das Gerät nicht dem Arbeitgeber, sondern dem Arbeitnehmer zuzurechnen ist. Dies ist der Fall, wenn der Arbeitnehmer Eigentümer des Gerätes ist. Das Gerät ist aber auch dann dem Arbeitnehmer zuzurechnen, wenn er darüber wie ein wirtschaftlicher Eigentümer oder als Leasingnehmer verfügen kann. Dabei ist es grundsätzlich unerheblich, ob der Voreigentümer oder der Leasinggeber ein fremder Dritter oder der Arbeitgeber ist. Dem Arbeitnehmer ist das Gerät dann zuzurechnen, wenn der Arbeitgeber ihm dieses aufgrund einer vom Arbeitsvertrag unabhängigen Sonderrechtsbeziehung, etwa einem Leasingvertrag, überlässt. Entsprechendes gilt, wenn der Arbeitgeber selbst Leasingnehmer ist und das Gerät seinem Arbeitnehmer auf der Grundlage eines Unter-Leasingvertrages übergibt.

Im vorliegenden Fall war der Arbeitgeber ganz klar der zivilrechtliche Eigentümer der Geräte. Er hat die Mobiltelefone von seinen Arbeitnehmern aufgrund zivilrechtlich wirksamer Kaufverträge zu Preisen zwischen einem Euro und sechs Euro erworben und das Eigentum an den Geräten durch Einigung und Übergabe oder durch Besitz konstituiert erlangt. Die Arbeitnehmer waren nach dem Verlust ihres zivilrechtlichen Eigentums auch weder wirtschaftliche Eigentümer der Geräte noch konnten sie als Leasingnehmer oder aufgrund einer sonstigen, neben dem Arbeitsverhältnis bestehenden Sonderrechtsbeziehung über die Mobiltelefone verfügen. Die Arbeitnehmer hatten im Ergebnis keine Möglichkeit über die Geräte zur verfügen. Ihnen war ausweislich der mit dem Arbeitgeber abgeschlossenen Verträge lediglich der Gebrauch der Geräte während des laufenden Arbeitsvertrages gestattet.

Der Bundesfinanzhof stellt insoweit klar, dass es sich bei diesen vertraglichen Vereinbarungen auch nicht um Scheingeschäfte handelt, wie es das Finanzamt annehmen wollte. Gemäß § 41 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) sind Scheingeschäfte und Scheinhandlung für die Besteuerung unbeachtlich. Empfangsbedürftige Willenserklärungen, die mit Einverständnis des Erklärungsempfängers nur zum Schein abgegeben werden, sind nichtig. Ein Scheingeschäfte liegt vor, wenn sich die Vertragsbeteiligten über den Scheincharakter des Rechtsgeschäftes einig sind und das Vereinbarte nach dem übereinstimmenden Willen der Vertragsparteien keine Geltung haben soll. Folglich ist kein Scheingeschäft gegeben, wenn der von den Vertragsbeteiligten erstrebte Rechtserfolg gerade die Gültigkeit des Rechtsgeschäfts voraussetzt.

So sah es der Bundesfinanzhof auch im Streitfall. Denn die Inanspruchnahme der vom Arbeitgeber und seinen Arbeitnehmern erstrebten Steuerbefreiung setzt gerade voraus, dass es sich bei den Mobiltelefonen um betriebliche Handys des Arbeitgebers handelt, der Arbeitgeber also insbesondere zivilrechtlicher Eigentümer der Geräte wurde.

Weiterhin führen die Richter aus, dass die steuerliche Anerkennung der abgeschlossen Kaufverträge über die Handys auch nicht nach Fremdvergleichsgrundsätzen zu versagen ist. Grundsätzlich sind bei gegenseitigen Verträgen die zivilrechtlichen Vereinbarungen auch für Zwecke der Besteuerung maßgebend. Fehlt es allerdings an einem natürlichen Interessensgegensatz der Vertragsparteien, bedarf es einer Überprüfung, inwieweit Zahlungen wirtschaftlich durch die Einkünfteerzielung veranlasst sind oder ob sie aus sonstigen Rechtsgründen erbracht werden. So bereits ein Urteil des Bundesfinanzhofs vom 12.7.2017 unter dem Aktenzeichen VI R 59/15. Im Rahmen der Prüfung, ob ein Vertragsverhältnis dem steuerlich bedeutsamen oder dem privaten Recht zuzuordnen ist, ist maßgeblich zu berücksichtigen, ob ein den Gleichklang wirtschaftlicher Interessen indiziertes, den Einzelfall bestimmendes Näheverhältnis angenommen werden kann.

Nach diesen Rechtsgrundsätzen hat das erstinstanzliche Finanzgericht vollkommen zu Recht davon abgesehen, die Kaufverträge zwischen dem Arbeitgeber und seinen Arbeitnehmern nach Fremdvergleichsgrundsätzen zu überprüfen. Zwischen dem Arbeitgeber und seinen Arbeitnehmern bestand bei Abschluss der Verträge ein natürlicher Interessensgegensatz. Sie standen sich bei Abschluss der Verträge als wirtschaftlich selbstständige Marktteilnehmer gegenüber, bei denen regelmäßig davon ausgegangen werden kann, dass ihre jeweiligen wirtschaftlichen Interessen beim Abschluss gegenseitiger Natur waren. Die Arbeitnehmer verkauften der Klägerin ihre Handys zu Kaufpreisen zwischen einem Euro und sechs Euro. Sie gaben infolgedessen ihr Eigentum an den Geräten auf und konnten die Handys zukünftig nur noch aufgrund der mit dem Arbeitgeber zeitgleich abgeschlossenen Vereinbarung über die Zurverfügungstellung der Mobiltelefone nutzen. Neben dem vereinbarten Kaufpreis erlangten die Arbeitnehmer hierdurch jedoch den weiteren Vorteil, dass der Arbeitgeber ihnen die Kosten des jeweiligen Telefonvertrages erstattete und das Risiko bei Reparaturen, Beschädigung oder Zerstörung der Geräte trug. Das Finanzgericht hat auch nicht festgestellt, dass zwischen dem Arbeitgeber und den Arbeitnehmer neben den Arbeitsverhältnissen private Beziehungen oder sonstige Näheverhältnisse bestanden, auf denen die Veräußerung der Mobiltelefone zu den vereinbarten Kaufpreisen ruhen könnte. Derartige private Beziehungen hat auch das Finanzamt nicht geltend gemacht.

Allein aufgrund der geringen Höhe der vereinbarten Kaufpreise für die Mobiltelefone kann nicht angenommen werden, dass die Kaufverträge einem Fremdvergleich zu unterziehen sind bzw. einem solchen nicht standhalten. Denn die vereinbarten Kaufpreise als solche indizieren noch kein den Gleichklang wirtschaftlicher Interessen bestimmendes Näheverhältnis zwischen der Klägerin und ihren Arbeitnehmern. Zudem können die geringen Kaufpreise nicht isoliert betrachtet werden, sondern sind in dem wirtschaftlichen Zusammenhang zu würdigen, in den sie durch die Vereinbarungen über die Handykosten und den abgeschlossenen Mobilfunktelefon-Überlassungsvertrag gestellt worden sind. Soweit die Arbeitnehmer angesichts der Vorteile, die die vorgenannten Vereinbarungen insbesondere durch die Übernahme ihrer privaten Telefonkosten brachten, bereit waren, ihre Handys an den Arbeitgeber zu verkaufen, ist dieser vertraglichen Regelung die steuerliche Anerkennung nicht nach Fremdvergleichsgrundsätzen zu versagen.

Ebenso verneint der Bundesfinanzhof in seiner aktuellen Entscheidung einen Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten. Nach § 42 Abs. 1 Satz 1 AO kann das Steuergesetz durch Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts nicht umgangen werden. Ein Missbrauch liegt dementsprechend vor, wenn eine unangemessene rechtliche Gestaltung gewählt wird, die beim Steuerpflichtigen oder einem Dritten im Vergleich zu einer angemessenen Gestaltung zu einem gesetzlich nicht vorgesehenen Steuervorteil führt. Dies gilt nicht, wenn der Steuerpflichtige für die gewählte Gestaltung außersteuerliche Gründe nachweist, die nach dem Gesamtbild der Verhältnisse beachtlich sind.

Der Abschluss der Kaufverträge über die Handys zu den sehr geringen Kaufpreisen stellt hiernach keinen Gestaltungsmissbrauch dar. Die Kaufverträge und die darauf beruhende Übereignung der Geräte an die Klägerin sind vielmehr die wirtschaftlich angemessene, einfache und zweckmäßige Möglichkeit, dem Arbeitgeber betriebliche Handys zu verschaffen. Der Abschluss der Kaufverträge war auch keine nur vorübergehende, kurzfristige Maßnahme, um gesetzlich nicht vorgesehene Steuervorteile zu erlangen. Vielmehr verblieben die vom Arbeitgeber erworbenen Telefone dauerhaft in seinem zivilrechtlichen Eigentum. Der Umstand, dass die vorliegende Gestaltung es dem Arbeitgeber gestattet, die Mobiltelefone seinen Arbeitnehmern anschließend wieder zu überlassen und unter Inanspruchnahme der Steuerbefreiungsvorschriften deren steuerfreie Privatnutzung zu ermöglichen, führt nicht zur Unangemessenheit der Gestaltung. Vielmehr verwirklicht sich hierdurch gerade ein vom Gesetzgeber ausdrücklich vorgesehener steuerlicher Vorteil.

Insoweit ist es auch grundsätzlich ohne Bedeutung, zu welchem Kaufpreis der Arbeitgeber die Handys erworben hat. Die Höhe der Anschaffungskosten, die der Arbeitgeber für den Erwerb der betrieblichen Geräte aufwenden muss, ist für die Inanspruchnahme der Steuerbefreiungsvorschriften nicht relevant. Der Abschluss von Kaufverträgen mit anderen Kaufpreisen hätte im Hinblick auf den mit der Gestaltung erstrebten steuerlichen Vorteil keinen Unterschied bedeutet. Auch die nach Ansicht des Finanzamtes angemessene Gestaltung des Erwerbs der Mobiltelefone zum Marktwert, der nach Meinung des Finanzamtes höher als die tatsächlich vereinbarten Kaufpreise lag, hätte die steuerfreie Privatnutzung der Mobiltelefone durch die Arbeitnehmer der Klägerin zugelassen. Ein gesetzlich nicht vorgesehener steuerlicher Vorteil ist mit dem Kauf der Mobiltelefone mithin nicht verbunden.

Es trifft zwar zu, dass die Steuerbefreiung nicht in Betracht gekommen wäre, wenn der Arbeitgeber die Mobiltelefone nicht käuflich erworben hätte. Der Verzicht auf den Kauf der Mobiltelefone und damit auf die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung ist aber nicht die angemessene Gestaltung. Vielmehr steht es dem Steuerpflichtigen frei, einen gesetzlich vorgesehenen Steuervorteil in Anspruch zu nehmen. Kein Steuerpflichtiger ist verpflichtet, einen Sachverhalt so zu gestalten, dass ein Steueranspruch entsteht. Das Bestreben, Steuern zu sparen bzw. den Tatbestand einer Steuerbefreiungsvorschriften zu verwirklichen, macht eine im Übrigen angemessene rechtliche Gestaltung nach ständiger Rechtsprechung nicht unangemessen. So bereits der Bundesfinanzhof in einer Entscheidung vom 3.2.1998 unter dem Aktenzeichen IX R 38/96.

Somit hat der Bundesfinanzhof in seinem vorliegenden Urteil vom 23.11.2022 unter dem Aktenzeichen VI R 50/20 eine für die Praxis sehr positive Entscheidung getroffen und damit einen Gestaltungsspielraum durchaus eröffnet. In einer Vielzahl der Fälle kann es so sinnvoll sein, dass der Arbeitgeber die Mobilfunktarife für seine Arbeitnehmer zahlt, nachdem er das teure Wunschgerät des Arbeitnehmers zu einem geringeren Kaufpreis von ihm erworben hat.

Hinweis: Die Erstattung der den Arbeitnehmern entstandenen Kosten der Mobilfunkverträge sind entsprechend der gesetzlichen Regelung in § 3 Nummer 45 Satz 1 EStG allerdings nur dann steuerfrei, soweit diese auf die Nutzung der betrieblichen Geräte des Arbeitgebers entfallen. Wird die zu dem jeweiligen Mobilfunkvertrag gehörende SIM-Karte nicht in dem vom Arbeitgeber überlassenen betrieblichen Gerät verwendet, handelt es sich letztlich um die Übernahme der anteiligen Kosten eines privaten Telefonanschlusses des Arbeitnehmers, die nicht nach § 3 Nummer 45 steuerfrei ist. Für den Streitfall schien dies jedoch keine Bedeutung zu haben, sodass hier nur bei der Gestaltung in der Praxis darauf zu achten ist.

4. Für Immobilieneigentümer: Privates Veräußerungsgeschäft auch nach Grundstücksteilung des eigengenutzten Objektes möglich

Mit Urteil vom 20.7.2022 kommt das Niedersächsische Finanzgericht unter dem Aktenzeichen 4 K 88/21 zu dem Ergebnis, dass der Verkauf eines Gartengrundstücks bei teils weiterhin bestehender Wohnnutzung im Übrigen nicht von der Besteuerung als privates Veräußerungsgeschäft ausgenommen ist. Um dies nachvollziehen zu können, muss man sich die Details des Falles vor Augen führen.

Im Streitfall geht es um einen Sachverhalt, bei dem die klagenden Eheleute im Kalenderjahr 2014 eine Immobilie zur kompletten Eigennutzung erworben hatten. Die Immobilie wurde auch komplett zu eigenen Wohnzwecken genutzt. Dies ist vollkommen unstreitig. Da es sich dabei um ein Grundstück mit einer Größe von ca. 4.000 Quadratmeter handelte, trennten die Eheleute im Jahr 2018 ein Flurstück von ca. 1.000 Quadratmeter ab und veräußerten es im Jahr 2019. Streitbefangen ist nun, ob diese Veräußerung unter die Besteuerungsausnahme beim privaten Veräußerungsgeschäft für die eigengenutzten Immobilien fällt.

Diesbezüglich äußert sich das Gericht wie folgt: Gemäß der gesetzlichen Regelung in § 22 Nummer 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) sind sonstige Einkünfte auch Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäft im Sinne des § 23 EStG. Dazu gehören unter anderem auch Veräußerungsgeschäfte bei Grundstücken, bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als zehn Jahre beträgt.

Ausgenommen von der Besteuerung sind allerdings Wirtschaftsgüter, die im Zeitraum zwischen Anschaffung oder Fertigstellung und Veräußerung ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken genutzt wurden. Die Nutzung zu eigenen Wohnzwecken ist dabei nach der Rechtsprechung so zu verstehen wie seinerzeit bei der Förderung des Wohneigentums nach § 10d EStG und nach dem Eigenheimzulagengesetz. Danach dient ein Wirtschaftsgut eigenen Wohnzwecken, wenn es vom Steuerpflichtigen selbst tatsächlich und auf Dauer angelegt bewohnt wird. Dem entspricht auch der Zweck der gesetzlichen Freistellung, die Besteuerung eines Veräußerungsgewinns bei Aufgabe eines Wohnsitzes zu vermeiden. So festgelegt einmal im Beschluss des Bundesfinanzhofs vom 28.5.2002 unter dem Aktenzeichen IX B 208/01 sowie im Urteil vom 25.5.2011 unter dem Aktenzeichen IX R 48/10.

Das Finanzgericht geht nun davon aus, dass die Kläger im vorliegenden Fall ein privates Veräußerungsgeschäft verwirklicht haben, indem sie die Teilfläche des von ihnen zuvor erworbenen Grundstücks innerhalb von zehn Jahren nach Erwerb wieder veräußerten. Diese Veräußerung soll entgegen der Ansicht der klagenden Eheleute nicht unter die Besteuerungsausnahme fallen.

Die Rechtsprechung bezieht zwar bei zu eigenen Wohnzwecken genutzten Gebäude den dazugehörigen Grund und Boden in die Begünstigung mit ein, da regelmäßig die Veräußerung eines zu eigenen Wohnzwecken genutzten Wirtschaftsguts auch den anteiligen Grund und Boden umfasst. Anderenfalls wäre der Zweck der Ausnahmeregelung, die Besteuerung bei Aufgabe des Wohnsitzes zu vermeiden, verfehlt, wenn man den zugehörigen Grund und Boden abweichend von dem zu Wohnzwecken genutzten Gebäude der Besteuerung unterwirft.

Die Grenze zieht der Bundesfinanzhof aber unter Berücksichtigung des Normzwecks des Befreiungstatbestands. So sah der Bundesfinanzhof in einem Fall, in dem der Steuerpflichtige das bisher als Garten genutzte Nachbargrundstück veräußerte, während er auf dem anderen Grundstück wohnen blieb, den Zweck der Steuerbegünstigung, einen Umzug insbesondere infolge eines Arbeitsplatzwechsels nicht zu erschweren, nicht als erfüllt an und beurteilte die Veräußerung als steuerbar. Es fehlte den obersten Finanzrichtern insoweit an einem nach den Wertungen des privaten Veräußerungsgeschäftes gegebenen einheitlichen Nutzungs- und Funktionszusammenhang zwischen der Wohnung und dem Grund und Boden. Für die weitergehende Begründung sei insoweit auf die Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 25.5.2011 unter dem Aktenzeichen IX R 48/10 verwiesen.

Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den Streitfall diente das abgetrennte Flurstück im Zeitpunkt seiner Veräußerung bei gleichzeitiger Weiternutzung des bisherigen Gebäudes nicht eigenen Wohnzwecken der Kläger, sodass die Ausnahmeregelung vom privaten Veräußerungsgeschäft nicht vorgelegen haben soll.

Mit der Grundstücksteilung und Bildung eines neuen Flurstücks zum Zwecke des Verkaufs soll insoweit der Zusammenhang mit dem weiterhin zu eigenen Wohnzwecken genutzten Gebäude aufgehoben sein. Der Grund und Boden gehörte nicht (mehr) zum eigengenutzten Gebäude und konnte daher auch nicht zu eigenen Wohnzwecken genutzt werden. Denn die Ausnahmeregelung hat ihre Rechtfertigung darin, dass nur Grundstücksveräußerungen, die durch einen Wohnsitzwechsel ausgelöst werden, von der Besteuerung als Veräußerungsgeschäft ausgenommen werden sollen. Ein solcher Wohnsitzwechsel fand im vorliegenden Streitfall jedoch nicht statt. Dass, anders als in dem vom Bundesfinanzhof mit oben genanntem Urteil vom 25.5.2011 entschiedenen Fall, nicht bereits bei Erwerb ein eigenständiges Grundstück bestanden hat, ändert an dieser Beurteilung nach Auffassung des erstinstanzlichen erkennenden Finanzgerichtes nichts. Die als Ausnahme von der Belastungsgrundentscheidung des Gesetzgebers konstituierte Nichtsteuerbarkeit ist eng nach dem Gesetzeszweck auszulegen, um gleichheitswidrige Ergebnisse zu vermeiden. Somit war die Veräußerung des abgeteilten Flurstücks nicht begünstigt. Es ist daher auch unerheblich, dass die Kläger den veräußerten Grundstücksteil bis zur Veräußerung als Garten genutzt haben. Ebenso braucht nicht entschieden zu werden, ob und wann die bauplanungsrechtlichen Voraussetzungen für die zukünftige Bebauung mit einem Einfamilienhaus vorgelegen haben.

Hinweis: Auch wenn das Niedersächsische Finanzgericht an seiner Entscheidung keine Zweifel erkennen lässt, so ist damit das letzte Wort noch nicht gesprochen. Unter dem Aktenzeichen IX R 14/22 müssen auch die obersten Finanzrichter der Republik klären, ob die unbebaute, als Garten genutzte Fläche für sich den privilegierten Tatbestand einer Nutzung zu eigenen Wohnzwecken beanspruchen kann, da sie in einem Nutzungs- und Funktionszusammenhang zum bewohnten Objekt gestanden hat.

Ebenso muss man hervorbringen, dass der Gesetzgeber seinerzeit zwar tatsächlich und natürlich auch im Wesentlichen den privaten Umzug als Grund für die Besteuerungsausnahmen eingefügt hat. Tatsächlich ist der private Umzug jedoch keine im Gesetz festgeschriebene Voraussetzung. Wenn nämlich jemand sein Eigenheim verkauft und weiterhin dort wohnen bleibt, ist es unstrittig, dass dann eine der Besteuerungsausnahmen angewendet werden kann. Folglich wird es nicht auf den Umzug ankommen, sondern vielmehr auf die Frage, ob durch die Grundstücksteilung eine Art Herauslösung aus dem eigengenutzten Grundstück stattfindet.

Tipp: Betroffene können sich daher an das Musterverfahren anhängen. Sofern der Sachverhalt jedoch noch gestaltbar ist, ist sicherlich die beste Vorgehensweise in entsprechenden Fällen die zehnjährige Behaltensfrist des privaten Veräußerungsgeschäftes schlicht verstreichen zu lassen. Falls das im Einzelfall nicht möglich ist, bleibt nur der Rechtsbehelf unter Verweis auf das anhängige Verfahren.

5. Für Studierende: Zur Besteuerung eines Promotionsstipendiums

Ausweislich der gesetzlichen Regelung in § 3 Nummer 44 des Einkommensteuergesetzes (EStG) sind Stipendien, die aus öffentlichen Mitteln oder von zwischenstaatlichen oder überstaatlichen Einrichtungen, denen die Bundesrepublik Deutschland als Mitglied angehört, zur Förderung der Forschung oder zur Förderung der wissenschaftlichen oder künstlerischen Ausbildung oder Fortbildung gewährt werden, von der Einkommensteuer befreit.

Ebenso gilt die Steuerbefreiung für Stipendien, die zu den zuvor bezeichneten Zwecken von einer Einrichtung, die von einer Körperschaft des öffentlichen Rechts errichtet oder verwaltet wurden, oder von einer Körperschaft, Personenvereinigungen oder Vermögensmasse im Sinne des § 5 Abs. 1 Nummer 9 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) gegeben werden.

In beiden Fällen ist Voraussetzung für die Steuerfreiheit, dass die Stipendien einen für die Erfüllung der Forschungsaufgabe oder für die Bestreitung des Lebensunterhalts und die Deckung des Ausbildungsbedarfs erforderlichen Betrag nicht übersteigen und nach den von dem Geber erlassenen Richtlinien vergeben werden und der Empfänger im Zusammenhang mit dem Stipendium nicht zu einer bestimmten wissenschaftlichen oder künstlerischen Gegenleistung oder zu einer bestimmten Arbeitnehmertätigkeit verpflichtet ist.

Vor diesem Hintergrund der gesetzlichen Regelung hatte der Bundesfinanzhof bereits in einer Entscheidung vom 8.7.2020 unter dem Aktenzeichen X R 6/19 die folgenden Grundsätze aufgestellt: Leistungen aus einem Stipendium, das einem ausländischen Mediziner von seinem Heimatland für dessen Facharztweiterbildung in Deutschland gewährt wird, können steuerbare wiederkehrende Bezüge gemäß den sonstigen Einkünften sein.

Voraussetzung hierfür ist, dass die Weiterbildung im Rahmen eines Dienst- oder diesem vergleichbaren Rechtsverhältnisses erfolgt, die Leistungen aus dem Stipendium an die Erfüllung der sich aus einem solchen Rechtsverhältnis ergebenden Verpflichtungen anknüpfen und darüber hinaus die fehlende Entlohnung aus jenem Rechtsverhältnis ausgleichen sollen. In diesem Fall stellt sich das Stipendium aus Sicht des Stipendiaten zu mindestens auch als Gegenleistung für seine im Rahmen der Weiterbildung erbrachte Tätigkeit dar.

Die Steuerbefreiung eines solchen Stipendiums nach der Befreiungsregelung des § 3 Nummer 44 EStG ist daher ausgeschlossen, wenn der ausländische Arzt im Rahmen eines Dienstverhältnisses weisungsgebunden zur Ausübung ärztlicher Betätigungen verpflichtet ist. Insoweit ist schlicht eine entsprechende Gegenleistung gegeben. Dabei muss jedoch beachtet werden, dass das geförderte Vorhaben selbst keine solche Gegenleistung ist, die zur Steuerpflicht führt. Wird nämlich eine wirtschaftliche Gegenleistung nicht erbracht, werden die wiederholt gezahlten Stipendienzahlungen als wiederkehrende Bezüge freiwillig oder aufgrund einer freiwillig begründeten Rechtspflicht gewährt und sind nicht steuerbar. In diesem Fall liegt schlicht Unterhalt vor.

Auch in einer aktuellen Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 28.9.2022 unter dem Aktenzeichen X R 21/20 war die Frage der Gegenleistung wieder von besonderer Bedeutung. Die Richter entschieden, dass Leistungen aus einem Stipendium, die keiner gegenüber den sonstigen Einkünften vorrangigen Einkunftsart zuzuordnen sind, als wiederkehrende Bezüge steuerbar sind, wenn der Stipendiat für die Gewährung der Leistung eine wie auch immer geartete wirtschaftliche Gegenleistung zu erbringen hat.

Dabei grenzten die Richter ab, dass die Anwendung der Besteuerung als wiederkehrende Bezüge nicht die Feststellung voraussetzt, dass der Stipendiengeber im konkreten Einzelfall keine steuerliche Entlastung hinsichtlich der Zahlung an den Stipendiaten erfahren hat, weil es eine Zahlung von privater Hand war.

Ein von öffentlicher und privater Hand gemeinsam finanziertes Stipendium ist nämlich nicht insoweit steuerbefreit, als es unmittelbar von einem privatwirtschaftlichen Unternehmen, das nicht die Voraussetzungen des Körperschaftsteuergesetzes erfüllt, gezahlt wird.

Insoweit hielten die obersten Finanzrichter des Bundesfinanzhofs an der bisherigen Auffassung fest und verwiesen die Sache zur weiteren Prüfung des Sachverhaltes an das erstinstanzliche Finanzgericht zurück. Sofern im vorliegenden zweiten Rechtsgang festgestellt werden würde, dass von Seiten des Stipendiaten keine Gegenleistung erbracht werden muss, kommt auch die Steuerbefreiung des § 3 Nummer 44 EStG in Betracht.

6. Für Immobilieneigentümer: Zum Nachweis einer tatsächlich kürzeren Nutzungsdauer bei Gebäuden

Bei Wirtschaftsgütern, deren Verwendung oder Nutzung durch den Steuerpflichtigen zur Erzielung von Einkünften sich erfahrungsgemäß auf einen Zeitraum von mehr als einem Jahr erstreckt, ist jeweils für ein Jahr der Teil der Anschaffung- oder Herstellungskosten abzusetzen, der bei gleichmäßiger Verteilung dieser Kosten auf die Gesamtdauer der Verwendung oder Nutzung auf ein Jahr entfällt. Man spricht dabei von der sogenannten Abschreibung für Abnutzung (kurz AfA) in gleichen Jahresbeträgen.

Die Absetzung bemisst sich hierbei nach der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer des Wirtschaftsgutes. Abweichend von dieser Grundregel bestimmt sich die Abschreibung für ein zur Einkünfteerzielung genutztes Gebäude nach den festen Prozentsätzen der gesetzlichen Regelung in § 7 Abs. 4 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Diese Regelung stellt eine gesetzliche Typisierung der Nutzungsdauer dar.

Ausweislich der weiteren Vorschrift in § Ziffer 7 Abs. 4 Satz 2 EStG kann anstelle der typisierenden Nutzungsdauer die der tatsächlichen Nutzungsdauer eines Gebäudes entsprechende Abschreibung vorgenommen werden. Nutzungsdauer in diesem Zusammenhang ist dabei schon ausweislich der Regelung in § 11f c Abs. 1 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) der Zeitraum, in dem ein Gebäude voraussichtlich seiner Zweckbestimmung entsprechend genutzt werden kann. Die zu schätzende Nutzungsdauer wird bestimmt durch den technischen Verschleiß, die wirtschaftliche Entwertung sowie rechtliche Gegebenheiten, welche die Nutzungsdauer eines Gegenstands begrenzen können. Auszugehen ist von der technischen Nutzungsdauer, also dem Zeitraum, in dem sich das Wirtschaftsgut technisch abnutzt. Sofern die wirtschaftliche Nutzungsdauer kürzer als die technische Nutzungsdauer ist, kann sich der Steuerpflichtige hierauf berufen. Ob der Abschreibung eine die gesetzlich vorgesehenen, typisierten Zeiträume unterschreitende verkürzte Nutzungsdauer im Sinne des § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG zugrunde gelegt werden kann, beurteilt sich jeweils nach den Verhältnissen des Einzelfalles.

Es ist insoweit Sache des Steuerpflichtigen, im Einzelfall eine kürzere tatsächliche Nutzungsdauer im Rahmen der ihm obliegenden Mitwirkungspflichten darzulegen und gegebenenfalls im Rahmen der ihm obliegenden Feststellungslast nachzuweisen. Die Würdigung der insoweit vom Steuerpflichtigen dargelegten Umstände obliegt dann in einem eventuellen Klageverfahren dem Finanzgericht als Tatsacheninstanz.

All dies hatte der Bundesfinanzhof in München bereits in einer grundlegenden Entscheidung vom 28.7.2021 festgelegt. Zusammengefasst gilt nach dieser Entscheidung, dass sich der Steuerpflichtige zur Darlegung der verkürzten tatsächlichen Nutzungsdauer eines zur Einkünfteerzielung genutzten Gebäudes jeder Darlegungsmethode bedienen kann, die im Einzelfall zur Führung des erforderlichen Nachweises geeignet erscheint. Erforderlich ist insoweit lediglich, dass aufgrund der Darlegung des Steuerpflichtigen der Zeitraum, in dem das maßgebliche Gebäude voraussichtlich seiner Zweckbestimmung entsprechend genutzt werden kann, mit hinreichender Sicherheit geschätzt werden kann. Ganz ausdrücklich ist nach Auffassung des Bundesfinanzhofs die Vorlage eines Bausubstanzgutachtens nicht Voraussetzung für die Anerkennung einer kürzeren tatsächlichen Nutzungsdauer. Vielmehr sind auch ganz ausdrücklich modellhafte Berechnungen bei der Bestimmung der wirtschaftlichen Restnutzungsdauer nicht ausgeschlossen. So zumindest die bisher einhellige Meinung der höchstrichterlichen Rechtsprechung mit oben genannter Entscheidung.

Nicht dieser Auffassung ist hingegen die Finanzverwaltung, was sie in einem Schreiben des Bundesfinanzministeriums vom 22.2.2023 klar aufgezeigt hat. Dieser Verwaltungserlass, der auch als Nichtanwendungserlass der höchstrichterlichen Rechtsprechung bezeichnet werden muss, widerspricht insoweit den obersten Finanzrichtern der Republik, als dass Modellansätze für die Ermittlung der Restnutzungsdauer, beispielsweise nach der Immobilienwertermittlungsverordnung, nicht als geeignet angesehen werden.

Schon an dieser Stelle kann daher festgestellt werden, dass uns die Thematik in der Zukunft noch mehrfach begegnen wird, sofern die Finanzverwaltung nicht von ihrer fiskalisch motivierten Meinung abrücken wird. Tatsächlich stellen sich die Finanzbeamten nämlich ganz klar gegen die Meinung der Rechtsprechung. Gründe, warum sich die Rechtsprechung jedoch ändern sollte, sind indes nirgends ersichtlich. Vielmehr ist eine weitere Entscheidung unmittelbar vor Veröffentlichung des Verwaltungserlasses seitens des Finanzgerichtes Münster ergangen, das ebenfalls auf Linie des Bundesfinanzhofs entschieden hat. Auch wenn diese Entscheidung einige Tage vor dem Verwaltungserlass ergangen ist, so ist doch davon auszugehen, dass es sich hierbei praktisch um eine zeitliche Überschneidung handelt.

In diesem erstinstanzlichen Urteil haben die Finanzrichter bereits im Leitsatz festgelegt: Ein vom Steuerpflichtigen eingeholtes Wertgutachten eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen mit einer Ermittlung des Ertragswerts des Immobilienbestandes gemäß der Immobilienwertermittlungsverordnung, in dem unter Berücksichtigung von Um- und Ausbau- oder Modernisierungs- und Renovierungsmaßnahmen die Auswirkungen auf die Gesamt- bzw. Restnutzungsdauer einzelner Gebäude einbezogen worden ist, kann der Ermittlung der Abschreibung für ein Mietobjekt zugrunde gelegt werden. Insoweit gehen auch die erstinstanzlichen Finanzrichter des Finanzgerichtes Münster davon aus, dass es nicht die von der Finanzverwaltung überbordenden Voraussetzungen benötigt, um eine tatsächlich kürzere Nutzungsdauer als die im Gesetz typisierte nachzuweisen.

So plädieren auch die Münsteraner Richter, dass sich der Steuerpflichtige zur Darlegung der verkürzten tatsächlichen Nutzungsdauer eines zur Einkünfteerzielung genutzten Gebäudes jeder Darlegungsmethode bedienen kann, die im Einzelfall zur Führung des erforderlichen Nachweises geeignet erscheint. Erforderlich ist auch nach Auffassung der erstinstanzlich erkennenden Richter insoweit, dass die Darlegungen des Steuerpflichtigen Aufschluss über die maßgeblichen Determinanten geben, welche die Nutzungsdauer im Einzelfall beeinflussen, und auf deren Grundlage der Zeitraum, in dem das maßgebliche Gebäude voraussichtlich seiner Zweckbestimmung entsprechend genutzt werden kann, im Wege der Schätzung mit hinreichender Bestimmtheit zu ermitteln ist. Zu den maßgeblichen Determinanten im Sinne dieser Regelung gehören dabei insbesondere der technische Verschleiß, die wirtschaftliche Entwertung sowie eventuelle rechtliche Nutzungsbeschränkungen.

Ganz klar und in Übereinstimmung mit bisher jeglicher erstinstanzlichen und höchstrichterlichen Rechtsprechung führt das Finanzgericht Münster weiter aus: Die Bestimmung des § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG räumt dem Steuerpflichtigen ein Wahlrecht ein, ob er sich mit dem typisierten Abschreibungssatz zufriedengibt oder er eine tatsächlich kürzere Nutzungsdauer geltend macht und darlegt. Auszugehen ist dabei von der Schätzung des Steuerpflichtigen, solange dieser Erwägungen zugrunde liegen, wie sie ein vernünftig wirtschaftender Steuerpflichtige üblicherweise anstellt. Da im Rahmen der Schätzung des Steuerpflichtigen keinesfalls Gewissheit über die kürzere tatsächlichen Nutzungsdauer, sondern allenfalls größtmögliche Wahrscheinlichkeit verlangt werden kann, ist sie nur dann zu verwerfen, wenn sie eindeutig außerhalb des angemessenen Schätzungsrahmens liegt. So auch bereits die oben zitierte Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs vom 28.7.2021.

Vor diesem Hintergrund führen die erstinstanzlichen Richter mit Verweis auf die höchstrichterliche Rechtsprechung aus, dass etwa die Vorlage eines Bausubstanzgutachtens nicht Voraussetzung für die Anerkennung einer verkürzten tatsächlichen Nutzungsdauer ist. Sofern der Steuerpflichtige oder ein von ihm beauftragter Sachverständiger daher aus nachvollziehbaren Gründen eine andere Nachweismethode wählt, kann diese (gegebenenfalls unter Berücksichtigung entsprechender Anpassungen) Grundlage für die im Einzelfall erforderliche Schätzung einer verkürzten tatsächlichen Nutzungsdauer sein, soweit aus der gewählten Methode Rückschlüsse auf die zu ermittelnden Determinanten möglich sind.

Da im Rahmen der Schätzung nur die größtmögliche Wahrscheinlichkeit über eine kürzere tatsächlichen Nutzungsdauer verlangt werden kann, würde eine Verengung der Gutachtermethodik oder eine Festlegung auf ein bestimmtes Ermittlungsverfahren die Anforderungen an die Feststellungslast vollkommen überspannen, so die erstinstanzlichen Richter.

Klar und deutlich führen sie an: Auch das Verfahren der Immobilienwertermittlungsverordnung kann im Rahmen des Nachweises einer kürzeren tatsächlichen Nutzungsdauer Anwendung finden. Auch wenn das dabei anwendbare Modell zur Ableitung der wirtschaftlichen Restnutzungsdauer unter Berücksichtigung von Modernisierungen nicht primär darauf gerichtet ist, die tatsächliche Nutzungsdauer zu ermitteln, kann ein solches Modell geeignet sein, eine sichere Überzeugung über die im Einzelfall anzuwendende Schätzungsgrundlage zu bilden. Eine Rechtfertigung, vom baurechtlichen Grundsatz der Gleichwertigkeit der Bewertungsverfahren aus steuerrechtlichen Gründen abzuweichen, besteht insoweit nicht. Dies hatte beispielsweise der Bundesfinanzhof in einer sehr aktuellen Entscheidung vom 20.9.2022 unter dem Aktenzeichen IX R 12/21 zur Wahl der Wertermittlungsmethode bei der Aufteilung eines Gesamtkaufpreises für ein Immobilienobjekt in Grund- und Boden- sowie Gebäudeanteil für Zwecke der Abschreibung klargestellt.

Ausgehend von diesen Grundsätzen ist der Senat auf der Grundlage der von der Klägerin vorgelegten Sachverständigengutachten zu der Überzeugung gelangt, dass die verkürzte tatsächliche Nutzungsdauer im Sinne der Vorschrift des § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG in Bezug auf die streitgegenständlichen Immobilien zutreffend zugrunde gelegt wurde und sich für die Streitjahre dementsprechend die darauf basierenden höheren Abschreibungsbeträge ergeben.

Tipp: Die Urteilsbegründung des Finanzgerichtes Münster enthält insoweit noch zahlreiche weitere Argumente, warum im hier vorliegenden Einzelfall tatsächlich die kürzere Nutzungsdauer zur Anwendung kam. Insbesondere verwirft das Finanzgericht zahlreiche Argumente des Finanzamtes, wonach vorgelegte Gutachten im Einzelfall nicht anerkannt werden können. Die Praxis zeigt dabei, dass sich diese Argumente seitens des Fiskus immer wiederholen. Betroffenen sei daher geraten, sich hier insbesondere auch noch die fallspezifischen Argumentationen unter Punkt zwei der Urteilsbegründung zu Gemüte zu führen.

Hinweis: Ganz ausdrücklich hat das erstinstanzliche Finanzgericht Münster die Revision zum Bundesfinanzhof nicht zugelassen. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert sie die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung durch eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs. Ganz deutlich führen die erstinstanzlichen Richter an, dass es sich vielmehr um eine Einzelfallentscheidung unter Anwendung allgemein anerkannter Rechtsprechungsgrundsätze handelt. Tatsächlich steht auch nicht zu erwarten, dass die Finanzverwaltung, trotz einer vollkommen gegenteiligen Meinung in ihrem Nichtanwendungserlass, gegen die Entscheidung aus Münster die Nichtzulassungsbeschwerde einreichen wird. Zum einen wird es schon aus verfahrensrechtlicher Sicht schwierig, dies im Rahmen einer Nichtzulassungsbeschwerde zu begründen. Zum anderen, und dies dürfte der wesentlich gewichtigere Grund sein, sind die Chancen auf eine anderslautende Entscheidung des Obersten Gerichtes vollkommen gering.

Es ist kaum vorstellbar, dass sich der Bundesfinanzhof in seiner Meinung in so kurzer Zeit vollkommen dreht, weshalb die Finanzverwaltung mit einer Revision zum Bundesfinanzhof auch nur eine weitere, die bereits vorhandene Rechtsprechung bestätigende, Entscheidung riskieren würde. Der teilweise Nichtanwendungserlass wäre dann nur noch Makulatur.

Dies bedeutet aber leider auch, dass sich Betroffene im Streit um die tatsächlich kürzere Nutzungsdauer einer zur Einkünfteerzielung genutzten Immobilie selbst an die Gerichte wenden müssen. Wie eingangs schon gesagt, wird es daher sicherlich zu weiteren Entscheidungen und insbesondere auch weiteren für Steuerpflichtige positiven Entscheidungen kommen, sodass die Auffassung der Finanzverwaltung immer weiter ins Wackeln geraten wird. Der ganz klare Rat lautet daher in entsprechenden Fällen, sich nicht vom Finanzamt einschüchtern zu lassen und auch den Klageweg nicht zu scheuen. Denn die Gerichte sind nicht an die Erlasse des Bundesfinanzministeriums gebunden.

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