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Mandantenbrief 10/2020
- Für Immobilieneigentümer: Gefahr des gewerblichen Grundstückshandels auch bei langjährig gehörenden Grundstücken
- Für alle Steuerpflichtigen: Privates Veräußerungsgeschäft beim Arbeitszimmer?
- Für alle Steuerpflichtigen: Steuerliche Behandlung beim Sterbegeld und Anrechnung auf die Beerdigungskosten
- Für alle Steuerpflichtigen: Änderung von Bescheiden wegen doppelt erfasster Einkünfte in verschiedenen Einkunftsarten
- Für alle Steuerpflichtigen: Keine offenbare Unrichtigkeit bei fehlerhafter Festsetzung trotz ordnungsgemäßer Erklärung
- Für Arbeitnehmer: Werbungskostenabzug für wöchentliche Familienheimfahrten
- Für Arbeitnehmer: Pflegeversicherungsbeiträge in einem anderen EU-Mitgliedsstaat als Sonderausgabe in Deutschland
- Für Unternehmer: Wiederkehrende Besteuerung auch bei Betriebsaufgabe?
1. Für Immobilieneigentümer: Gefahr des gewerblichen Grundstückshandels auch bei langjährig gehörenden Grundstücken
Mit zwei erst im Juli 2020 veröffentlichen Entscheidungen vom 15.01.2020 hat der Bundesfinanzhof unter den Aktenzeichen X R 18/18 und X R 19/18 entschieden, dass ein bebautes Grundstück, das durch den Steuerpflichtigen langjährig im Rahmen privater Vermögensverwaltung genutzt wird, Gegenstand eines gewerblichen Grundstückshandels werden kann, wenn der Steuerpflichtige im Hinblick auf eine Veräußerung Baumaßnahmen ergreift, die derart umfassend sind, dass hierdurch das bereits bestehende Gebäude nicht nur erweitert oder über seinen ursprünglichen Zustand hinausgehend wesentlich verbessert wird, sondern ein neues Gebäude hergestellt wird.
Um die Entscheidung nachvollziehen zu können, muss man sich zunächst mit den Grundlagen des gewerblichen Grundstückshandels beschäftigen. Insoweit ist ein Gewerbebetrieb eine selbstständige und nachhaltige Betätigung, die mit Gewinnerzielungsabsicht unternommen wird und sich als Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt. Darüber hinaus existiert aufgrund der bisherigen Rechtsprechung das negative Erfordernis, dass es sich bei der Tätigkeit nicht um eine private Vermögensverwaltung handeln darf.
Insbesondere im Rahmen der Frage nach dem gewerblichen Grundstückshandel ist problematisch, dass bei der Auslegung der gesetzlichen Tatbestandsmerkmale grundsätzlich auf das Bild eines Gewerbetreibenden abzustellen ist. Dies bedeutet nichts anderes, als dass in Zweifelsfällen die gerichtsbekannte und nicht beweisbedürftige Auffassung dafür maßgebend ist, ob die infrage stehende Tätigkeit dem Bild entspricht, das nach der Verkehrsanschauung einen typischen Gewerbebetrieb ausmacht und einer privaten Vermögensverwaltung fremd ist. Auch wenn Vorstehendes ein wenig verklausuliert klingt, ist dies exakt der Grund, warum der Bundesfinanzhof in den aktuellen Entscheidungen einen gewerblichen Grundstückshandel angenommen hat. Die Tätigkeit des Steuerpflichtigen ähnelte in der Gesamtschau einfach zu sehr der eines Bauträgers oder einem ähnlichen Gewerbetreibenden.
Bei Grundstücksaktivitäten eines Steuerpflichtigen ist die Grenze von der privaten Vermögensverwaltung hin zu einer gewerblichen Tätigkeit überschritten, wenn nach dem Gesamtbild der Betätigung und unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung die Ausnutzung substantieller Vermögenswerte durch Umschichtung gegenüber der Nutzung von Grundbesitz im Sinne einer Fruchtziehung aus der zu erhaltenden Substanz (beispielsweise Vermietung und Verpachtung) entscheidend in den Vordergrund tritt.
Um diese Grenze auch tatsächlich in der Praxis ziehen und nachvollziehen zu können, hat die einschlägige Rechtsprechung der letzten Jahrzehnte die sogenannte Drei-Objekt-Grenze entwickelt. Danach gilt: Ein gewerblicher Grundstückshandel ist im Regelfall gegeben, sofern innerhalb eines engen zeitlichen Zusammenhangs zwischen Anschaffung bzw. Bebauung und Verkauf mehr als drei Objekte veräußert werden. Der enge zeitliche Zusammenhang wird in der Regel mit einem nicht starren Fünfjahreszeitraum gleichgesetzt, wobei im Falle von der Immobilienbranche nahe stehenden Steuerpflichtigen auch ein Zeitraum von zehn Jahren angenommen werden kann.
Ist die Drei-Objekt-Grenze überschritten, lassen die äußeren Umstände den Schluss darauf zu, dass es dem Steuerpflichtigen bereits bei Anschaffung oder Bebauung des Grundstücks auf die Ausnutzung substantieller Vermögenswerte durch Umschichtung ankommt, so die einschlägige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zur dieser Thematik.
Besonders zu beachten ist jedoch in diesem Zusammenhang, dass die Drei-Objekt-Grenze lediglich ein Indiz darstellt. Sowohl die Zahl der Objekte als auch der zeitliche Abstand zwischen Anschaffung, etwaiger Bebauung und Verkauf haben nur indizielle Bedeutung. Veräußert der Steuerpflichtige weniger als vier Objekte, können daher immer noch besondere Umstände auf eine dennoch vorliegende gewerbliche Betätigung schließen lassen. Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn das im zeitlichen Zusammenhang mit der Bebauung und Veräußerung erworbene Grundstück schon vor der Bebauung verkauft worden ist. Anhand dieses Beispiels wird ziemlich deutlich, dass der Veräußerer wie ein Bauunternehmer oder Generalunternehmer oder Baubetreuer tätig wird, weshalb ein gewerblicher Grundstückshandel gegeben ist.
Ebenso existiert darüber hinaus zahlreiche Rechtsprechung, dass auch sonstige werterhöhende Aktivitäten des Steuerpflichtigen als gewerblich angesehen werden können. Dabei muss nicht immer eine Errichtung von Gebäuden gegeben sein. So hat der Bundesfinanzhof in seinem Urteil vom 08.09.2005 unter dem Aktenzeichen IV R 38/03 die Erschließung vormals landwirtschaftlich genutzter Grundstücke und den anschließenden Verkauf von Bauparzellen als gewerblich eingestuft und dies damit begründet, dass den Grundstücken über deren Parzellierung hinaus infolge der Baureifmachung eine andere Marktgängigkeit verliehen wurde.
Ein weiteres Beispiel aus dieser Kategorie wäre beispielsweise die Teilung eines Mehrfamilienhauses in Eigentumswohnungen, deren umfangreiche Sanierung bzw. Modernisierung sowie eine zeitnahe Veräußerung, welche dann auch als gewerblich eingestuft werden würde. So zumindest ganz konkret der Bundesfinanzhof in einer Entscheidung vom 10.08.1983 unter dem Aktenzeichen I R 120/80.
Mit diesen Urteilen zusammenhängend ergibt sich aus der Rechtsprechung auch, dass selbst ein zeitlich bereits weit zurückliegender Grundstückserwerb die Zuordnung zu einem gewerblichen Grundstückshandel nicht ausschließt, wenn ein hierauf befindliches Gebäude abgerissen und durch eine in Veräußerungsabsicht erfolgte Neubebauung ersetzt wurde, wie der Bundesfinanzhof in einem Sachverhalt mit Urteil vom 22.03.1990 unter dem Aktenzeichen IV R 23/88 bereits geklärt hat.
Aus diesen und weiteren Rechtsprechungsbeispielen schließt der Bundesfinanzhof nun, dass nicht generell davon ausgegangen werden kann, dass Grundstücke, die der Steuerpflichtige länger als zehn Jahre im Eigentum hat, keine tauglichen Objekte eines gewerbliches Grundstückshandel mehr sein können. Vielmehr leitet er aus den Rechtsgrundsätzen zum Gewerbebetrieb und der Rechtsprechung der letzten Jahrzehnte ab, dass auch ein Grundstück, das langjährig im Eigentum steht und seit längerer Zeit im Rahmen privater Vermögensverwaltung genutzt wird, nicht von vornherein ungeeignet ist, Teil eines gewerblichen Grundstückshandels zu sein. Vor diesem Hintergrund kann sogar beim Verkauf von nur einem, gegebenenfalls schon langjährig gehaltenen Objekt, schon ein gewerblicher Grundstückshandel angenommen werden.
Voraussetzung ist dann jedoch, dass der Steuerpflichtige nach der langfristigen Vermietung im Hinblick auf eine Veräußerung Baumaßnahmen ergreift, die derart umfassend sind, dass hierdurch das bereits bestehende Wirtschaftsgut „Gebäude“ nicht nur erweitert oder über seinen ursprünglichen Zustand hinausgehend wesentlich verbessert wird, sondern definitiv ein neues Wirtschaftsgut „Gebäude“ hergestellt wird.
Im Umkehrschluss grenzt der Bundesfinanzhof in der aktuellen Entscheidung ebenso ab, dass, sollte durch die Baumaßnahme kein neues Wirtschaftsgut geschaffen werden, also das bereits bestehende Gebäude lediglich erweitert wird oder über dessen ursprünglichen Zustand hinausgehend wesentlich verbessert wird, ein gewerblicher Grundstückshandel aufgrund der langjährigen privaten Vermögensverwaltung der Immobilie von vornherein ausscheidet. An dieser Stelle fehlt es dann schlicht an der einem Bauträger oder ähnlichen gewerblichen Unternehmer vergleichbaren Tätigkeit.
Im Ergebnis kommt es also sehr darauf an, ob die Erweiterung einer Immobilie auch tatsächlich zu einem neuen Wirtschaftsgut „Gebäude“ führt.
So kommt ein gewerblicher Grundstückshandel in Betracht, wenn durch die Baumaßnahme ein neues selbstständiges Gebäude errichtet worden wäre. Ob ein entsprechender Anbau gegenüber dem bestehenden Gebäude ein selbstständiges Wirtschaftsgut darstellt, ist in verschiedenen Sachverhalten möglich. Einmal kann ein neu geschaffener Nutzungs- und Funktionszusammenhang zu einem selbstständigen Gebäude führen. Ebenfalls ist ein selbständiges Gebäude gegeben, wenn nach bautechnischen Kriterien eine eigene statische Standfestigkeit gegeben ist. Dies wird in der Vielzahl der praktischen Fälle bei einem Neubau oder einem Anbau häufig der Fall sein. Ist jedoch ein Erweiterungsbau nach bautechnischer Betrachtung mit der Altbausubstanz verschachtelt und besitzt keine eigene statische Standfestigkeit, ist insoweit auch kein neues Wirtschaftsgut entstanden.
Ein neues Wirtschaftsgut kann jedoch gegeben sein, wenn dem neu errichteten Erweiterungsbau zwar eine bautechnische Selbstständigkeit fehlt, aber durch eine Verschachtelung mit der Altbausubstanz ein einheitliches Gebäude entstanden ist. Voraussetzung für diesen Sachverhalt ist dann jedoch wiederum, dass die Neubauteile dem Gesamtgebäude mit Blick auf die Größen- und Wertverhältnisse das Gepräge verleihen.
Alles in allem ist es daher wahrscheinlich, dass der gewerbliche Grundstückshandel insbesondere bei größeren Immobilienvermögen zukünftig häufiger auftritt, da auch bereits langjährig im Privatvermögen vorhandene Immobilien berücksichtigt werden müssen. Insbesondere wenn an diesen Immobilien Baumaßnahmen durchgeführt worden sind, muss in jedem Einzelfall geprüft werden, ob aufgrund der aktuellen Rechtsprechung ein neues Wirtschaftsgut entstanden ist und somit auch dann die Gefahr eines gewerblichen Grundstückshandels bei der Veräußerung von nur einer Immobilie gegeben ist.
2. Für alle Steuerpflichtigen: Privates Veräußerungsgeschäft beim Arbeitszimmer?
Ausweislich der Regelung in § 22 Nummer 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) sind sonstige Einkünfte auch solche im Sinne des § 23 EStG. Dort sind die sogenannten privaten Veräußerungsgeschäfte geregelt. Mit dem Blick auf Grundstücke (und darum soll es in diesem Beitrag ausschließlich gehen) ist ein privates Veräußerungsgeschäft immer dann einschlägig, wenn der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung der Immobilie nicht mehr als zehn Jahre beträgt. Gebäude und Außenanlagen sind dabei einzubeziehen, soweit sie innerhalb dieses Zeitraums errichtet, ausgebaut oder erweitert wurden.
Neben dieser grundsätzlichen Regelung beheimatet der § 23 EStG jedoch auch zwei Besteuerungsausnahmen für zu eigenen Wohnzwecken genutzte Immobilien. So liegt bei solchen Immobilien kein privates Veräußerungsgeschäft vor, wenn im Zeitraum zwischen Anschaffung oder Fertigstellung und Veräußerung ausschließlich eine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken stattgefunden hat. Dies die erste Alternative der Besteuerungsausnahme. Die zweite Alternative der Besteuerungsausnahme sieht vor, dass ein privates Veräußerungsgeschäft ebenfalls nicht einschlägig ist, wenn im Jahr der Veräußerung und in den beiden vorangegangenen Jahren eine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken stattgefunden hat.
Streitbefangenen ist diesem Zusammenhang nach wie vor, wie im Rahmen des privaten Veräußerungsgeschäftes und dabei konkret im Rahmen einer der Besteuerungsausnahmen das häusliche Arbeitszimmer zu behandeln ist. Sowohl in der Rechtsprechung als auch in der Literatur werden hierzu unterschiedliche Auffassungen vertreten.
Die Finanzverwaltung vertritt insbesondere im BMF-Schreiben vom 05.10.2000 die Auffassung, dass ein häusliches Arbeitszimmer nicht zu Wohnzwecken dient und daher nicht unter eine der Besteuerungsausnahmen fallen kann. Dies gilt selbst für die Fälle, in denen der Abzug der Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer als Betriebsausgaben oder Werbungskosten aufgrund der einschlägigen gesetzlichen Regelungen ausgeschlossen oder eingeschränkt ist. Auf die steuerliche Berücksichtigung des häuslichen Arbeitszimmers soll es daher nach Auffassung der Finanzverwaltung insoweit überhaupt nicht ankommen.
Diese Meinung hat insbesondere auch das Finanzgericht Münster in seinem Urteil vom 28.08.2003 unter dem Aktenzeichen 11 K 6243/01 E so vertreten. Die Münsteraner begründeten dies seinerzeit wie folgt: Die Besteuerungsausnahmen seien nur für Wirtschaftsgüter angeordnet, die zu eigenen Wohnzwecken genutzt werden. Ein als Arbeitszimmer genutzter Raum dient jedoch gerade nicht Wohnzwecken. Selbst wenn es sich bei dem häuslichen Arbeitszimmer nicht um ein eigenes Wirtschaftsgut handeln sollte, hielten die Münsteraner Richter dies für irrelevant.
Demgegenüber hat jedoch mittlerweile das Finanzgericht Köln mit seinem Urteil vom 20.03.2018 unter dem Aktenzeichen 8 K 1160/15 entschieden, dass ein häusliches Arbeitszimmer der eigenen Wohnnutzung generell nicht schade und somit der Veräußerungsgewinn auch steuerfrei bleiben kann, soweit er auf das nicht zu Wohnzwecken genutzte Arbeitszimmer entfalle. Ganz ähnlich hat übrigens das Finanzgericht München mit Beschluss vom 14.01.2019 unter dem Aktenzeichen 5 V 2627/18 geurteilt. Auch in der Literatur finden sich zahlreiche Fundstellen, die diese erfreuliche Auffassung bestätigen.
Vor diesem Hintergrund kommt ganz aktuell auch das Finanzgericht Baden-Württemberg in seiner Entscheidung vom 23.07.2019 unter dem Aktenzeichen 5 K 338/19 zu dem Schluss, dass bei Veräußerung einer zu eigenen Wohnzwecken genutzten Wohnung innerhalb von zehn Jahren nach dem Kauf auch der auf ein häusliches Arbeitszimmer entfallende Veräußerungsgewinn entsprechend der zuvor genannten Besteuerungsausnahme steuerfrei ist.
Ausweislich der vorliegenden Entscheidung aus Baden-Württemberg gilt dies insbesondere selbst dann, wenn für das häusliche Arbeitszimmer zuvor Werbungskosten steuermindernd geltend gemacht worden sind.
Diese sehr positive Entscheidung begründen die Richter wie folgt: Zwar sieht die erste Besteuerungsausnahme eine ausschließliche Nutzung zu eigenen Wohnzwecken im Zeitraum zwischen Anschaffung oder Fertigstellung und Veräußerung vor. Nach Auffassung des Senats ist dieses Ausschließlichkeitskriterium indes nicht im Sinne von „räumlich ausschließlich“, sondern als „zeitlich ausschließlich“ zu verstehen. Dies ergibt ein Vergleich mit der zweiten Besteuerungsausnahme, die eine Ausschließlichkeit nicht vorsieht. Das wiederum ist nur verständlich, wenn die Ausschließlichkeit einen Gesamtzeitraum abdecken soll, der in der ersten Alternative kürzer als in der zweiten Alternative, aber auch länger bemessen sein kann. In der zweiten Alternative ist hingegen der Zeitraum genau bestimmt, sodass das Wort „ausschließlich“ hier entbehrlich war. Dieser Argumentation ist sowohl im Urteil des Finanzgerichtes Köln vom 20.03.2018 zu finden als auch an verschiedenen Stellen in der Literatur.
Die Besteuerungsausnahmen schreiben somit keine räumlich ausschließliche Eigennutzung zu Wohnzwecken vor. Somit ist es wiederum unschädlich, wenn die streitgegenständliche Immobilie vor ihrer Veräußerung mit einem unwesentlichen Teil (im Urteilsfall betrug das Arbeitszimmer ca. 10% der Gesamtwohnfläche) von den Steuerpflichtigen zu ausschließlich beruflichen Zwecken genutzt wird. Insoweit teilen sowohl das Finanzgericht Baden-Württemberg als auch das Finanzgericht Köln ihre Bedenken, dass andernfalls jedwede Verrichtung beruflicher Tätigkeiten auch in Räumlichkeiten, die nicht dem Typus des häuslichen Arbeitszimmers entsprechen, die Annahme einer Eigennutzung zerstören würde.
Dies könnte dann wiederum unter dem Strich dazu führen, dass die Finanzverwaltung in jedem Fall der Eigennutzung prüfen müsste, ob in der Wohnung neben der Nutzung zu Wohnzwecken nicht auch noch andere (also schädliche) Tätigkeiten ausgeübt worden sind.
Vor diesem Hintergrund ließ das Finanzgericht Baden-Württemberg im vorliegenden Fall die Ausdehnung der Besteuerungsausnahme auch auf das häusliche Arbeitszimmer zu.
Leider kann sich die Finanzverwaltung dieser Auffassung (zumindest noch) nicht anschließen und hat Revision beim Bundesfinanzhof in München unter dem Aktenzeichen IX R 27/19 eingelegt. Dort ist nun ein für alle Mal die Frage zu klären, ob bei einer Arbeitnehmertätigkeit ein als Werbungskosten geltend gemachtes häusliches Arbeitszimmer bei der Veräußerung der Immobilie nicht den Wohnzwecken zugeordnet wird und so den Tatbestandsmerkmal des privaten Veräußerungsgeschäftes erfüllt oder eben hoffentlich das Gegenteil der Fall sein wird.
Tipp: Betroffenen sei der Einspruch empfohlen, da es aus unserer Sicht eher wahrscheinlich ist, dass sich der Bundesfinanzhof der positiven erstinstanzlichen Rechtsprechung anschließen wird und die Besteuerungsausnahme auch auf das häusliche Arbeitszimmer ausdehnt.
Ein anderer Schluss ist aus unserer Sicht lediglich dann denkbar, wenn das häusliche Arbeitszimmer in der gesamten Quadratmeterrelation eine entscheidende Größe einnimmt. Bis auf weiteres ist jedoch in jedem Fall der Einspruch geboten.
3. Für alle Steuerpflichtigen: Steuerliche Behandlung beim Sterbegeld und Anrechnung auf die Beerdigungskosten
In punkto steuerlicher Behandlung des Sterbegeldes stellt sich zunächst einmal die Frage, ob der Erhalt des Sterbegeldes zu versteuern ist. Ganz aktuell hat diesbezüglich das Finanzgericht Düsseldorf in seinem Urteil vom 15.06.2020 unter dem Aktenzeichen 11 K 2024/18 E entschieden, dass das an Hinterbliebene ausgezahlt Sterbegeld für Beschäftigte im öffentlichen Dienst kein steuerfreier Bezug ist. Ausdrücklich urteilten die Düsseldorfer Richter, dass die Steuerbefreiungsvorschrift des § 3 Nummer 11 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) nicht greift.
Dies ist insbesondere deshalb bemerkenswert, weil das Finanzgericht Berlin-Brandenburg in seiner Entscheidung vom 16.01.2019 unter dem Aktenzeichen 11 K 11.160/18 zum gegenteiligen Ergebnis gekommen ist. Danach gilt: Im Rahmen der beamtenrechtlichen Hinterbliebenenversorgung gewährte Sterbegelder, die an den überlebenden Ehegatten und die Abkömmlinge des verstorbenen Beamten ausgezahlt werden, sind als Bezug aus der früheren Dienstleistung des verstorbenen Beamten zwar einkommensteuerbar, jedoch nach § 3 Nummer 11 EStG steuerfrei. Diese Steuerfreiheit wird jedoch aktuell seitens des Bundesfinanzhofs unter dem Aktenzeichen VI R 8/19 in der Revision zu dem Verfahren aus Berlin-Brandenburg abschließend geklärt.
Auch gegen die Entscheidung aus Düsseldorf ist die Revision beim Bundesfinanzhof anhängig, jedoch im Hinblick auf einen anderen Punkt, zu dem im Nachgang noch Stellung genommen wird. Hinsichtlich der Steuerfreiheit führen die Düsseldorfer Richter aus: Gemäß § 3 Nummer 11 EStG sind Bezüge aus öffentlichen Mitteln oder aus Mitteln einer öffentlichen Stiftung, die wegen Hilfsbedürftigkeit oder als Beihilfe zu dem Zweck bewilligt werden, die Erziehung oder Ausbildung, die Wissenschaft oder Kunst unmittelbar zu fördern, steuerfrei.
Im vorliegenden Fall erkennt das Gericht zwar, dass es sich beim ausgezahlten Sterbegeld um Bezüge aus öffentlichen Mitteln handelt, sodass das erste Tatbestandsmerkmal erfüllt ist. Auch ließe sich eine Hilfsbedürftigkeit der Steuerpflichtigen begründen, womit das zweite Tatbestandsmerkmal erfüllt ist. Das Gericht stört sich jedoch daran, dass das Landesamt für Finanzen das Sterbegeld nicht „wegen“ einer Hilfsbedürftigkeit der Steuerpflichtigen ausgezahlt hat.
„Wegen“ einer solchen Hilfsbedürftigkeit ist ein Bezug immer dann geleistet, wenn der Empfänger ihn aufgrund seiner Hilfebedürftigkeit erhält. Bezüglich der Höhe der Zahlung ist erforderlich, dass diese sich konkret an der Hilfebedürftigkeit des Empfängers orientiert. Keine Leistung „wegen einer Hilfsbedürftigkeit“ liegt hingegen vor, wenn der Empfänger die Zuwendung zwar anlässlich einer Hilfebedürftigkeit im vorgenannten Sinne erhält, sich die Höhe der Zuwendung aber nach anderen Umständen richtet.
Im entschiedenen Streitfall richtet sich das Sterbegeld der Höhe nach nicht nach dem konkreten finanziellen Bedarf der Steuerpflichtigen wegen deren Hilfebedürftigkeit. Ausschlaggebend ist, welche Höhe hier der Lohn der verstorbenen Mutter hatte. Zweck des Sterbegeldes ist es, den Hinterbliebenen die Umstellung der Lebensführung durch den Wegfall des Einkommens des Verstorbenen zu erleichtern. Es soll vor allem einen Kostenbeitrag zur Bestattung leisten, ohne dass es des Nachweises solcher Aufwendungen bedarf.
Eine Steuerbefreiung von Leistungen, die über einen konkreten Hilfsbedarf hinausgehen, ist nicht geboten. Für das Gericht war es insoweit nicht nachvollziehbar, warum Sterbegelder an Beamte oder Beschäftigte des öffentlichen Dienstes steuerfrei sein sollten, während Sterbegelder aus der Sozialversicherung oder den Versorgungswerken steuerpflichtig sind. Dies ist der Grund, warum das Düsseldorfer Gericht nicht der Auffassung seiner Kollegen aus Berlin-Brandenburg gefolgt ist.
Wie eingangs schon gesagt, ist auch die Düsseldorfer Entscheidung noch beim Bundesfinanzhof unter dem Aktenzeichen VI R 33/20 anhängig. Soweit ersichtlich geht es jedoch in der Revision beim Bundesfinanzhof nicht um die Frage der Steuerfreiheit des Sterbegeldes. Vielmehr soll hier geklärt werden, ob die anlässlich der Beerdigung aufgewandten Kosten als außergewöhnliche Belastung angesetzt werden können oder ob (wie das Finanzamt es verlangt) das Sterbegeld auf die Beerdigungskosten angerechnet werden soll.
Die erfreuliche Entscheidung an dieser Stelle: Das Finanzgericht Düsseldorf hat diesbezüglich entgegen der Finanzverwaltung entschieden. Die Düsseldorfer Richter sind vielmehr folgender Meinung: Der Abzug von Beerdigungskosten als außergewöhnliche Belastung ist nicht (!) im Wege der Vorteilsanrechnung des steuerpflichtigen Sterbegeldleistung zu kürzen. Eine solche Kürzung unterbleibt auch, soweit das Sterbegeld durch den Pauschbetrag der Versorgungsbezüge steuerlich entlastet worden ist.
Tipp: Auch wenn hier die höchstrichterliche Entscheidung noch aussteht, so sollten doch Betroffene gegen den Einkommensteuerbescheid Einspruch einlegen, wenn die Beerdigungskosten um die Sterbegeldleistung gekürzt wurden und sich somit der Abzug als außergewöhnliche Belastung vermindert oder aufgrund der zumutbaren Belastung überhaupt nicht mehr eintritt.
4. Für alle Steuerpflichtigen: Änderung von Bescheiden wegen doppelt erfasster Einkünfte in verschiedenen Einkunftsarten
In der Praxis kann es vorkommen, dass die Grenzen zwischen verschiedenen Einkunftsarten schon einmal verschwimmen. So war es auch in einem Streitsachverhalt vor dem Finanzgericht Münster unter dem Aktenzeichen 14 K 2122/16 E. Dort hatte ein angestellter Chefarzt eines Krankenhauses hinsichtlich seiner Einnahmen für wahlärztliche Leistungen diese sowohl bei seinen Einkünften aus freiberuflicher Tätigkeit erfasst als auch im Rahmen der Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit. Aufgefallen ist der Fehler jedoch leider erst, als der Einkommensteuerbescheid bereits bestandskräftig war. Daher stellte sich die Frage, ob eine entsprechende Änderung noch möglich ist.
Mit Urteil vom 15.02.2019 hat das Finanzgericht Münster eine Änderung des Einkommensteuerbescheides nun verneint und listet in der Urteilsbegründung ausführlich auf, warum die Voraussetzungen der einen oder anderen Änderungsnorm in der Abgabenordnung nicht gegeben sind. Diese Auflistung ist dabei interessant und kann in anderen Fällen durchaus nützlich sein.
So lehnt das erstinstanzliche Gericht eine Änderung aufgrund der Änderungsnorm des § 129 der Abgabenordnung (AO) ab. Danach können Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes unterlaufen sind, jederzeit (also auch nach Bestandskraft, jedoch innerhalb der Verjährungsfrist des Bescheides) berichtigt werden. Das setzt allerdings grundsätzlich voraus, dass der Fehler in der Sphäre der den Verwaltungsakt erlassenden Finanzbehörde entstanden ist. Eine offenbare Unrichtigkeit kann jedoch auch dann vorliegen, wenn das Finanzamt eine in der Steuererklärung enthaltene offenbare, das heißt eine für das Finanzamt erkennbare Unrichtigkeit als eigene übernimmt, wie bereits der Bundesfinanzhof in seiner Entscheidung vom 27.05.2009 unter dem Aktenzeichen X R 47/2008 klargestellt hat.
Offenbar ist eine Unrichtigkeit insoweit, wenn der Fehler bei Offenlegung des Sachverhaltes für jeden unvoreingenommenen Dritten klar und deutlich als offenbare Unrichtigkeit erkennbar ist. Das Tatbestandsmerkmal „ähnliche offenbare Unrichtigkeiten“ setzt dabei voraus, dass die Unrichtigkeit einem Schreib- oder Rechenfehler ähnlich ist, d.h. dass es sich um einen „mechanischen“ Fehler handelt, der ebenso mechanisch, also ohne weitere Prüfung, erkannt und berichtigt werden kann. Ist hingegen die mehr als theoretische Möglichkeit eines Rechtsirrtums gegeben, liegt entsprechend der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs bereits keine offenbare Unrichtigkeit mehr vor. Ausgehend von den Grundsätzen konnte das Finanzgericht Münster keine offenbare Unrichtigkeit erkennen. Insoweit vertrat das Gericht die Meinung, dass das Finanzamt den entsprechenden Fehler nicht so einfach hätte erkennen können.
Als nächste Änderungsvorschrift prüfte das erkennende Gericht die widerstreitende Steuerfestsetzung nach § 174 Abs. 1 AO. Danach setzt die Änderung eines bestandskräftigen Steuerbescheids voraus, dass ein bestimmter Sachverhalt in mehreren Steuerbescheiden zu Ungunsten eines oder mehrerer Steuerpflichtiger berücksichtigt worden ist, obwohl er nur einmal hätte berücksichtigt werden dürfen.
Dies erfordert jedoch das Vorliegen von widerstreitenden Steuerfestsetzungen zulasten eines oder mehrerer Steuerpflichtiger, wobei ein „Widerstreitenden“ in diesem Sinne voraussetzt, dass die in den kollidierenden Bescheiden getroffenen Regelungen aufgrund der materiellen Rechtslage nicht miteinander vereinbar und daher widersprüchlich sind, weil nur eine der festgesetzten oder angeordneten Rechtsfolgen zutreffen kann. Ausgeschlossen von der Änderungsmöglichkeit im Rahmen der Regelung des § 174 Abs. 1 AO ist hingegen die Doppelberücksichtigung eines Sachverhalts in ein und demselben Steuerbescheid. Dementsprechend scheidet hier auch die Korrektur des Bescheides aufgrund dieser Vorschrift aus.
Relevant könnte daher noch eine Änderung aufgrund neuer Tatsachen im Sinne der Vorschrift des § 173 Abs. 1 Nummer 2 AO sein. Hiernach können Steuerbescheide aufgehoben oder geändert werden, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer niedrigeren Steuer führen und den Steuerpflichtigen kein grobes Verschulden daran trifft, dass die Tatsachen oder Beweismittel erst nachträglich bekannt werden.
Tatsächlich sind im vorliegenden Fall dem Finanzamt die relevanten Tatsachen erst nachträglich bekannt geworden. Denn das Finanzamt hat erst nach Durchführung der Veranlagung und sogar erst nach Eintritt der Unanfechtbarkeit der Einkommensteuerfestsetzung erfahren, dass Einnahmen des Steuerpflichtigen sowohl bei den Einkünften aus freiberuflicher Tätigkeit als auch bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit und damit doppelt erfasst wurden. Dennoch scheidet die Korrekturnorm aus.
Der Grund: Die unrichtigen Angaben der Einkünfte in der Einkommensteuererklärung sind dem Steuerpflichtigen als grobes Verschulden anzulasten.
Insoweit ist immer dann von einem groben Verschulden auszugehen, wenn jemand die ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten und Verhältnissen zumutbare Sorgfalt in ungewöhnlichem Maße verletzt. Das Verschulden eines steuerlichen Beraters, dessen sich der Steuerpflichtige zur Ausarbeitung der Steuererklärung bedient, ist dabei immer dem Steuerpflichtigen zuzurechnen. Weil insoweit im vorliegenden Fall sowohl der Steuerpflichtige als auch dessen steuerlicher Berater hätten erkennen müssen, dass Einkünfte doppelt berücksichtigt worden sind, scheidet auch die Änderungsvorschrift der neuen Tatsachen aufgrund der Verschuldensfrage aus.
Im Endeffekt kommt damit das Finanzgericht Münster in der hier zitierten Entscheidung zu dem Schluss, dass eine Bescheidänderung nicht möglich ist und die Doppelbesteuerung hingenommen werden muss.
Hinweis: Erfreulicherweise ist gegen die erstinstanzliche Entscheidung des Finanzgerichtes Münster jedoch die Revision beim Bundesfinanzhof anhängig. Unter dem Aktenzeichen VIII R 29/20 müssen daher die obersten Finanzrichter der Republik klären, ob im vorliegenden Fall noch eine Änderung des bestandskräftigen Einkommensteuerbescheides möglich ist.
Grundsätzlich würden wir dabei sagen, dass das Finanzgericht Münster in seiner Urteilsbegründung die infrage kommenden Korrekturvorschriften schon ziemlich gut aufgegriffen und subsumiert hat. Tatsächlich beinhaltet die Rechtsfrage vor dem Bundesfinanzhof jedoch noch einen Punkt, der aus der Urteilsbegründung des Finanzgerichts Münsters nicht ersichtlich ist.
So sollen die obersten Finanzrichter auch klären, ob insbesondere im Hinblick auf die Korrekturnorm des § 174 Abs. 1 AO eine widerstreitende Steuerfestsetzung gegeben ist, weil die Einkünfte (neben dem Einkommensteuerbescheid des Steuerpflichtigen) auch in die Lohnsteueranmeldung des Arbeitgebers eingegangen sind. Insoweit könnte sehr wohl ein bestimmter Sachverhalt (Doppelerfassung der Einkünfte in mehreren Steuerbescheiden, nämlich Einkommensteuerbescheid und Lohnsteuerfestsetzung) zu Ungunsten des Steuerpflichtigen berücksichtigt worden sein. Die Entscheidung des Bundesfinanzhofs wird daher zu diesem Punkt mit Spannung zu erwarten sein.
5. Für alle Steuerpflichtigen: Keine offenbare Unrichtigkeit bei fehlerhafter Festsetzung trotz ordnungsgemäßer Erklärung
Nach § 129 Satz 1 AO kann die Finanzbehörde Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die beim Erlass eines Verwaltungsakts unterlaufen sind, jederzeit berichtigen. Dies ist soweit bekannt.
Der Sachverhalt, welcher sich jedoch hinter der aktuellen Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 10.12.2019 unter dem Aktenzeichen IX R 23/18 verbirgt, ist in der Tat mehr als abenteuerlich und dennoch auch durchaus für die Praxis sehr relevant. Also an dieser Stelle vorab kurz die Schilderung der Sachverhaltsdetails:
Im Streitfall hatte der Kläger eine ordnungsgemäße Einkommensteuererklärung elektronisch eingereicht. Darin hatte er vollkommen korrekt den Gewinn aus der Veräußerung von GmbH-Anteilen erklärt. Zudem lagen dem Finanzamt alle maßgeblichen Unterlagen zu diesem Punkt vor.
Aufgrund eines Computerproblems im maschinellen Veranlagungsverfahren wurde bei der weiteren Bearbeitung der Einkommensteuererklärung ein falscher Wert im Hinblick auf den korrekt erklärten Gewinn aus der Veräußerung der GmbH-Anteile angegeben. Diese Änderung zur korrekten Steuererklärung führte schließlich zu einer sehr hohen Steuererstattung. Soweit ist der Fall noch nicht abenteuerlich, denn dies kommt tatsächlich immer mal vor.
Tatsächlich wurde jedoch die komplette Einkommensteuerveranlagung als sogenannter „Intensiv-Prüfungsfall“ behandelt. Dies bedeutet, dass einmal der übliche Sachbearbeiter des Finanzamtes die Veranlagung bearbeitet und prüft. Zudem muss die Veranlagung dann noch von dessen Vorgesetzten ein weiteres Mal geprüft werden und damit es auch wirklich intensiv ist, erfolgt schlussendlich auch noch eine Prüfung durch die Qualitätssicherungsstelle des Finanzamtes. Im Endeffekt haben hier daher mindestens drei Finanzbeamte die Steuererklärung geprüft und die falsche Steuerveranlagung abgesegnet.
Auch wenn es kaum zu glauben ist, kommt das erstinstanzliche Finanzgericht Köln in seinem Urteil vom 14.06.2018 unter dem Aktenzeichen 15 K 271/16 dennoch zu dem Schluss, dass eine Berichtigung nach § 129 der Abgabenordnung (AO) wegen offenbarer Unrichtigkeit durchaus möglich sein soll. So entschieden die erstinstanzlichen Richter: Unterläuft dem Sachbearbeiter des Finanzamtes bei der Veranlagung ein mechanischer oder diesem gleichzustellender Fehler, steht dessen Berichtigung nach § 129 AO nicht entgegen, dass dieser mechanische Fehler im Rahmen einer Intensivprüfung weder von der Sachbearbeiterin der Qualitätssicherungsstelle noch von der Sachgebietsleiterin bemerkt wurde. Der Umstand, dass der Steuerfall von drei Personen geprüft wurde (oder besser gesagt: hätte geprüft werden sollen) und die dem Veranlagungsbearbeiter nachfolgenden Bearbeiter/ Sachgebietsleiter den Fehler nicht entdeckt haben, lässt weder die Offenbarkeit des Fehlers entfallen, noch ist hierdurch ein mehr als theoretisch denkbarer Fehler in der rechtlichen Würdigung anzunehmen.
Diesem hanebüchenen Urteil widerspricht nun erfreulicherweise der Bundesfinanzhof in seiner oben bereits zitierten Entscheidung.
Die Urteilsbegründung der obersten Finanzrichter der Republik ist dabei durchaus auch als Argumentation für andere Steuerstreitigkeiten im Bereich des § 129 AO geeignet, weshalb auf diese konkret im Folgenden eingegangen wird.
Danach sind offenbare Unrichtigkeiten mechanische Versehen, wie beispielsweise Schreibfehler, Rechenfehler sowie Eingabe- oder Übertragungsfehler. Dagegen schließen Fehler im Bereich der Willensbildung, Fehler bei der Auslegung oder Nichtanwendung eine Rechtsnorm, unrichtige Tatsachenwürdigungen, unzutreffende Annahme eines in Wirklichkeit nicht vorliegenden Sachverhalts oder Fehler, die auf mangelnde Sachaufklärung bzw. Nichtbeachtung feststehender Tatsache beruhen, die Anwendung der Regelung nach § 129 AO aus. Die Änderungsvorschrift ist somit nicht anwendbar, wenn auch nur die ernsthafte Möglichkeit besteht, dass die Nichtbeachtung einer feststehenden Tatsache in einer fehlerhaften Tatsachenwürdigung oder einem sonstigen sachverhaltsbezogenen Denk- oder Überlegungsfehler begründet ist oder auf mangelnder Sachverhaltsaufklärung beruht.
Vor diesem Hintergrund, der immerhin der ständigen Rechtsprechung entspricht, ist eine Berichtigung aufgrund offenbarer Unrichtigkeiten nicht möglich, wenn das Finanzamt aufgrund einer Hinweismitteilung den Fall überprüft hat, es im Rahmen dieser Überprüfung zu einer neuen Willensbildung der zuständigen Beamten gekommen ist und mithin die Möglichkeit eines Rechtsirrtums nicht auszuschließen ist. Wie auch immer geartete verbleibende Unklarheiten gehen insoweit immer zulasten des Finanzamtes, wie schon der Bundesfinanzhof mit Urteil vom 04.06.1986 unter dem Aktenzeichen IX R 52/82 herausgearbeitet hat. Auch wenn dies dem Finanzamt nicht schmeckt, ist es aber so.
Da der Wortlaut des § 129 Satz 1 AO auf „offenbare Unrichtigkeiten, die beim Erlass eines Verwaltungsakts unterlaufen sind“ abstellt, kommt es entscheidend auf die Umstände bei der Entscheidungsfindung und demzufolge vornehmlich auf den Akteninhalt an. Maßgebend ist deshalb, ob der Fehler bei Offenlegung des aktenkundigen Sachverhalts für jeden unvoreingenommenen (objektiven) Dritten klar und deutlich als offenbare Unrichtigkeit erkennbar ist. Dabei genügt die Offenbarkeit der Unrichtigkeit als solche. Nicht erforderlich ist dagegen, dass für den Adressaten des Bescheides auch der an Stelle des unrichtigen zu setzende richtige Inhalt des Bescheids offenbar ist. Unerheblich ist nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung, ob der Steuerpflichtige die Unrichtigkeit anhand des Bescheids und der ihm vorliegenden Unterlagen hätte erkennen konnte.
Ob ein mechanisches Versehen oder ein eine Berichtigung nach § 129 AO ausschließender Tatsachen- oder Rechtsirrtum vorliegt, muss nach den Verhältnissen des Einzelfalls und dabei insbesondere nach der Aktenlage beurteilt werden.
Nach Maßgabe dieser Grundsätze sah der Bundesfinanzhof keinen Raum, die vorinstanzliche Entscheidung weiter gelten zu lassen. Vielmehr machte er schon in seinen Leitsätzen klar, dass § 129 AO nicht anwendbar ist, wenn auch nur die ernsthafte Möglichkeit besteht, dass die Nichtbeachtung einer feststehenden Tatsache in einer fehlerhaften Tatsachenwürdigung oder einem sonstigen sachverhaltsbezogenen Denk- oder Überlegungsfehler begründet ist oder auf mangelnde Sachverhaltsaufklärung beruht.
6. Für Arbeitnehmer: Werbungskostenabzug für wöchentliche Familienheimfahrten
Vor dem Niedersächsischen Finanzgericht ging es um einen Streitfall, in dem der Steuerpflichtige den Werbungskostenabzug für tatsächlich angefallene Aufwendungen im Zusammenhang mit der Durchführung von wöchentlichen Familienheimfahrten im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung begehrte. Der Grund für die tatsächlich angefallenen Aufwendungen lag darin, dass das Fahrzeug vom Arbeitgeber teilentgeltlich überlassen wurde.
Mit Urteil vom 08.07.2020 entschied das Niedersächsische Finanzgericht unter dem Aktenzeichen 9 K 78/19 in diesem Zusammenhang in Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs vom 30.11.2016 unter dem Aktenzeichen VI R 49/14 wie folgt: Leistet der Arbeitnehmer an den Arbeitgeber für die Nutzung eines betrieblichen Kraftfahrzeugs zu privaten Fahrten und zu Fahrten zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte ein Nutzungsentgelt, mindert dies den Wert des geldwerten Vorteils aus der Nutzungsüberlassung. Dies hatte der Bundesfinanzhof seinerzeit bereits in Anschluss an ein Senatsurteil vom 07.11.2006 unter dem Aktenzeichen VI R 95/04 herausgearbeitet.
In diesem Zusammenhang gilt dann weiter, dass eine negativer geldwerter Vorteil, also ein sogenannter geldwerter Nachteil, aus der Überlassung eines Dienstwagens zur Privatnutzung auch dann nicht entstehen kann, wenn das vom Arbeitnehmer zu zahlende Nutzungsentgelt den Wert der privaten Dienstwagennutzung und der Nutzung des Fahrzeugs zu Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte übersteigt. Soweit das Nutzungsentgelt den Wert der privaten Dienstwagennutzung und der Nutzung des Fahrzeugs zu Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte übersteigt, kann es auch nicht als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit abgezogen werden, wie der Bundesfinanzhof seinerzeit entschied.
Dementsprechend stellt auch aktuell das Niedersächsische Finanzgericht klar, dass monatliche Zuzahlungsüberhänge, die der Arbeitgeber aus technischen Gründen bei der monatlichen Lohnabrechnung steuerlich nicht berücksichtigt, bei der Einkommensteuerveranlagung mindernd zu berücksichtigen sind.
Hart blieben die Richter aus Niedersachsen jedoch auch beim Werbungskostenabzug. Denn auch ihrer Auffassung nach kann sich ein nach der Jahresbetrachtung ergebender Zuzahlungsüberhang weder als negative Einnahme noch als Werbungskosten steuermindernd auswirken.
Ausdrücklich offen lässt das Niedersächsische Finanzgericht an dieser Stelle jedoch, ob es steuersystematisch zulässig ist, Zuzahlungsübergänge in folgende Kalenderjahre zu übertragen. Dies konnte das Gericht nicht nur offen lassen, weil es im vorliegenden Fall nicht streiterheblich war, zudem ist dies auch gar nicht umstritten. Tatsächlich hat nämlich bereits die Finanzverwaltung entsprechendes in ihren Lohnsteuerrichtlinien (LStR) festgelegt. So heißt es in Richtlinie 8.1 Abs. 9 Nummer 4 Satz 3 LStR, dass nach Anrechnung im Zahlungsjahr verbleibende Zuschüsse in den darauf folgenden Kalenderjahren auf den privaten Nutzungswert für das jeweilige Kraftfahrzeug angerechnet werden können. Für die Praxis sollte diese Sachverhaltskonstellation daher kein Problem darstellen.
Dennoch scheidet im vorliegenden Fall ein Werbungskostenabzug aus, da bereits ein gesetzliches Werbungskostenabzugsverbot in der Regelung des § 9 Abs. 2 Satz 3 Nummer 5 Satz 8 des Einkommensteuergesetzes (EStG) besteht. An dieser Stelle ist geregelt, dass Aufwendungen für Familienheimfahrten mit einem dem Steuerpflichtigen im Rahmen einer Einkunftsart überlassenen Kraftfahrzeug nicht als Werbungskosten berücksichtigt werden dürfen.
Auf dieses Werbungskostenabzugsverbot verweist das Niedersächsische Finanzgericht in seiner vorliegenden Entscheidung auch für den gegebenen Sachverhalt, bei dem die Überlassung teilentgeltlich erfolgt und dem Arbeitnehmer daher tatsächlich Aufwendungen für die Durchführung der Fahrten entstehen.
Insoweit verweisen die erstinstanzlichen Richter auf eine schon ältere Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 28.02.2013 unter dem Aktenzeichen VI R 33/11. Darin hatten die obersten Finanzrichter der Republik entschieden, dass Aufwendungen für Familienheimfahrten des Arbeitnehmers mit einem vom Arbeitgeber überlassenen Dienstwagen nicht zum Werbungskostenabzug berechtigen. Trägt der Arbeitgeber durch Überlassung eines Dienstwagens im Ergebnis die Aufwendungen des Arbeitnehmers für dessen Familienheimfahrten, ist ein Werbungskostenabzug insoweit nicht geboten.
Die Fortentwicklung des 2013er Urteils des Bundesfinanzhofs durch das Niedersächsische Finanzgericht besteht darin, dass sie ausschließlich darauf abstellen, ob ein Fahrzeug seitens des Arbeitgebers überlassen wurde. Die Richter sind also schlicht der Meinung, dass der Gesetzgeber bei seinem Werbungskostenabzugsverbot für Familienheimfahrten nicht zwischen unentgeltlicher und teilentgeltlicher Überlassung des Kraftfahrzeugs unterscheidet. Die Folge dieser Auslegung: Alle Arten der Überlassung fallen unter das Werbungskostenabzugsverbot.
Zur Untermauerung dieser (gegebenenfalls steilen) These verweisen die erstinstanzlichen Richter des Niedersächsischen Finanzgerichtes abermals auf die Lohnsteuerrichtlinien. So ist nämlich in Richtlinie 9.10 Abs. 2 LStR geregelt, dass ein Kraftfahrzeug dem Arbeitnehmer immer dann zur Nutzung überlassen ist, wenn es dem Arbeitnehmer vom Arbeitgeber unentgeltlich oder eben auch teilentgeltlich überlassen worden ist.
Ob diese Argumentation nun tatsächlich im Endeffekt dazu führen kann, dass Steuerpflichtige definitiv entstandene Aufwendungen im Zusammenhang mit einer Familienheimfahrt nicht steuerlich berücksichtigen können, ist aktuell noch nicht abschließend geklärt.
Tipp: Tatsächlich ist nämlich gegen die vorgenannte Entscheidung die Revision beim Bundesfinanzhof unter dem Aktenzeichen VI R 35/20 anhängig. Betroffene Steuerpflichtige sollten daher bei Nichtanerkennung entsprechender Werbungskosten auf das anhängige Verfahren beim Bundesfinanzhof verweisen und im eigenen Einspruchsverfahren die Verfahrensruhe geltend machen.
7. Für Arbeitnehmer: Pflegeversicherungsbeiträge in einem anderen EU-Mitgliedsstaat als Sonderausgabe in Deutschland
Ganz aktuell ist unter dem Aktenzeichen X R 13/20 beim Bundesfinanzhof streitig, ob im Rahmen des Sonderausgabenabzugs in der Bundesrepublik Deutschland eine steuerliche Berücksichtigung von in einem anderen EU-Mitgliedsstaat (im Streitfall handelt es sich um Luxemburg) gezahlten Pflegeversicherungsbeiträgen zu gewähren ist.
Erfreulicherweise hat in diesem Zusammenhang die Vorinstanz in Form des Finanzgerichtes Rheinland-Pfalz in seiner Entscheidung vom 15.01.2020 unter dem Aktenzeichen 1 K 1692/19 den Sonderausgabenabzug bereits zugelassen. Danach steht bei einem europarechtlich orientierten Verständnis die gesetzliche Neuregelung des Einkommensteuergesetzes (EStG) dem Abzug luxemburgischer Pflegeversicherungsbeiträge als Sonderausgaben im Inland nicht entgegen.
Gemäß den einschlägigen Regelungen in § 10 Abs. 1 3b EStG sind Beiträge zur gesetzlichen Pflegeversicherung als Sonderausgabe abziehbar. Diese Beiträge dürften jedoch nach § 10 Abs. 2 Satz 1 Nummer 1 EStG nicht in einem unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang mit steuerfreien Einnahmen stehen.
Nach der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung (so beispielsweise der Bundesfinanzhof mit Urteil vom 29.01.1986 unter dem Aktenzeichen I R 22/85) ist ein unmittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen Einnahmen und Aufwendungen dann anzunehmen, wenn die Einnahmen und die Aufwendungen durch dasselbe Ereignis veranlasst sind.
Diese Voraussetzung ist immer dann erfüllt, wenn ein Steuerpflichtiger steuerfreie Einnahmen erzielt und dieser Tatbestand gleichzeitig Pflichtbeiträge an einen Sozialversicherungsträger auslöst. In diesem Fall geht die Steuerbefreiung dem Sonderausgabenabzug logischerweise vor. Die Folge: Die mit der Verausgabung der Pflichtbeiträge verbundene Minderung der Leistungsfähigkeit wird bereits durch den Bezug der steuerfreien Einnahmen aufgefangen.
Einen solchen unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang sah das erstinstanzliche Finanzgericht Rheinland-Pfalz auch im vorliegenden Streitfall als gegeben und ließ dennoch den Sonderausgabenabzug zu. Definitiv stehen nämlich die streitgegenständlichen Beiträge zur luxemburgischen Pflegeversicherung in einem unmittelbaren Zusammenhang zu im Inland steuerfreien Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit in Luxemburg.
Trotz dieses unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhangs der steuerfreien luxemburgischen Einnahmen mit den Beiträgen zur luxemburgischen Pflegeversicherung kann jedoch der Steuerpflichtige nach Auffassung des Finanzgerichtes Rheinland-Pfalz die Vorsorgeaufwendungen in der von ihm begehrten Höhe als Sonderausgaben abziehen. Der Grund: Die gesetzliche Regelung in § 10 Abs. 2 Satz 1 Nummer 1 2. Halbsatz EStG sieht in Verbindung mit § 52 Abs. 18 Satz 3 EStG eine sogenannte Rückausnahme vor. Danach sind entsprechende die Versorgungsaufwendungen zu berücksichtigen, soweit
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sie in unmittelbarem wirtschaftlichem Zusammenhang mit in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum erzielten Einnahmen aus nichtselbständiger Tätigkeit stehen,
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diese Einnahmen nach einem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung im Inland steuerfrei sind und
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der Beschäftigungsstaat keinerlei steuerliche Berücksichtigung von Vorsorgeaufwendungen im Rahmen der Besteuerung dieser Einnahmen zulässt.
Diese Rückausnahme sieht das Finanzgericht Rheinland-Pfalz im Hinblick auf die in Rede stehenden Pflegeversicherungsbeiträge als erkennbar erfüllt an. Denn der Beschäftigungsstaat des Steuerpflichtigen (vorliegend Luxemburg) lässt einen steuerlichen Abzug von Pflegeversicherungsbeiträgen nicht zu. Nach dem luxemburgischen Einkommensteuerrecht können zwar Pflichtbeiträge zu einer Kranken- und Rentenversicherung bei der Einkommensteuerveranlagung in Luxemburg (in unbegrenzter Höhe) als Sonderausgaben abgezogen werden. Demgegenüber sieht das luxemburgische Steuerrecht einen Sonderausgabenabzug für Beiträge zur luxemburgischen Pflegeversicherung hingegen nicht vor.
In der Folge sah die erste Instanz die Tatbestandsmerkmale für den Abzug der luxemburgischen Pflegeversicherungsbeiträge als Sonderausgaben im Inland als erfüllt an.
Wie eingangs schon erwähnt, ist die Finanzverwaltung hier jedoch anderer Auffassung und hat daher die Revision beim Bundesfinanzhof in München eingelegt. Diese war wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen worden.
Insoweit müssen nun die obersten Finanzrichter der Republik unter dem Aktenzeichen X R 13/20 klären, ob eine etwaige Nichtberücksichtigung der Versorgungsaufwendungen in Gestalt der Pflegeversicherungsbeiträge gegen Unionsrecht verstößt. Betroffenen Steuerpflichtigen sei daher grundsätzlich geraten, sich an das anhängige Verfahren anzuhängen.
8. Für Unternehmer: Wiederkehrende Besteuerung auch bei Betriebsaufgabe?
Zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb gehören auch die Gewinne bei der Veräußerung des Gewerbebetriebs. Als Veräußerung gilt dabei ausweislich der Regelung im Einkommensteuergesetz (EStG) auch die Aufgabe des Gewerbebetriebs.
Dennoch muss die Betriebsveräußerung im Ganzen von der Betriebsaufgabe im Ganzen unterschieden werden. Eine Betriebsveräußerung im Ganzen liegt insoweit lediglich dann vor, wenn der Betrieb mit seinen wesentlichen Grundlagen gegen Entgelt in der Weise auf einen Erwerber übertragen wird, dass der Betrieb als geschäftlicher Organismus fortgeführt werden kann. Nicht erforderlich ist dabei, dass der Erwerber den Betrieb auch tatsächlich fortführt.
Eine Betriebsaufgabe hingegen erfordert eine Willensentscheidung oder Handlung des Steuerpflichtigen, die darauf gerichtet ist, den Betrieb als selbstständigen Organismus nicht mehr in seiner bisherigen Form bestehen zu lassen. Eine Aufgabe des Gewerbebetriebes liegt daher vor, wenn aufgrund eines Entschlusses des Steuerpflichtigen, den Betrieb aufzugeben, die bisher von diesem Betrieb entfaltete Tätigkeit endgültig eingestellt wird, alle wesentlichen Betriebsgrundlagen in einem einheitlichen Vorgang entweder in das Privatvermögen überführt bzw. anderen Betriebsvermögenzwecken zugeführt oder insgesamt an verschiedene Erwerber veräußert oder teilweise veräußert und teilweise in das Privatvermögen überführt werden und dadurch der Betrieb zu bestehen aufhört.
Für die Unterscheidung zwischen einer Betriebsveräußerung im Ganzen und einer Betriebsaufgabe im Ganzen ist daher die Antwort auf die Frage entscheidend, was mit den wesentlichen Betriebsgrundlagen geschieht. Insoweit muss auch zunächst definiert werden, was denn überhaupt zu den wesentlichen Betriebsgrundlagen gehört.
Wesentliche Betriebsgrundlagen eines Betriebes im vorliegenden Sinne sind zunächst die Wirtschaftsgüter, die zur Erreichung des Betriebszwecks erforderlich sind und ein besonderes wirtschaftliches Gewicht für die Betriebsführung besitzen. Bei dieser Definition spricht man von der sogenannten funktionalen Betrachtungsweise. Gerade im Rahmen einer Betriebsveräußerung im Ganzen oder einer Betriebsaufgabe im Ganzen gehören jedoch zu den wesentlichen Betriebsgrundlagen daneben auch solche Wirtschaftsgüter, in denen erhebliche stille Reserven ruhen. Dabei spricht man von der sogenannten funktional-quantitativen Betrachtungsweise.
In einem Streitfall vor dem Schleswig-Holsteinischen Finanzgericht hatte der Verkäufer seinen handwerklichen Betrieb gegen Zahlung einer lebenslangen Rente an einen Erwerber veräußert. Das Problem: Zudem hatte er ein an das private Einfamilienhaus angrenzendes Betriebsgrundstück in das Privatvermögen überführt. Da insoweit unstrittig wesentliche Betriebsgrundlagen sowohl veräußert als auch in das Privatvermögen überführt wurden, kommt das Gericht mit Urteil vom 24.01.2020 unter dem Aktenzeichen 4 K 28/18 zu dem Schluss, dass im vorliegenden Fall eine Betriebsaufgabe im Ganzen gegeben ist.
Strittig ist dabei konkret die Frage, ob dennoch auch in diesem Fall der Betriebsaufgabe im Ganzen anstelle der sofortigen Besteuerung auch eine Besteuerung der Leibrente möglich ist.
Zum Hintergrund an dieser Stelle: Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs hat der Steuerpflichtige in den Fällen der Betriebsveräußerung im Ganzen gegen wiederkehrende Bezüge ein Wahlrecht, anstelle der sofortigen Besteuerung der Rente durch Ansatz des Kapitalwerts zum Zeitpunkt der Betriebsveräußerung die einzelnen Rentenzahlungen erst bei Zufluss als nachträgliche Betriebseinnahmen zu versteuern.
Die Besteuerung bei Zufluss gilt dabei nur für Bezüge, die lebenslang zu zahlen sind oder eine feste Laufzeit von mehr als zehn Jahren haben und primär der Versorgung oder bei besonders langer Laufzeit mindestens auch der Versorgung des bisherigen Betriebsinhabers oder Mitunternehmers dienen. Der Steuerpflichtige muss das Wahlrecht für die Besteuerung bei Zufluss dabei ausdrücklich im Rahmen seiner Einkommensteuererklärung ausüben.
Nach diesen Grundsätzen steht jedoch im vorliegenden Fall dem Steuerpflichtigen für die vollzogene Betriebsaufgabe kein Wahlrecht zur nachgelagerten Besteuerung der Rentenzahlung zu. Dieses Wahlrecht gilt wie gesagt nur für die Betriebsveräußerung Ganzen.
Insoweit urteilt auch das Schleswig-Holsteinische Finanzgericht in der oben bereits zitierten Entscheidung, dass das für den Fall einer Betriebsveräußerung gegen wiederkehrende Bezüge geltende Wahlrecht zwischen der sofortigen Versteuerung und der nachgelagerten Besteuerung bei Zufluss der Rentenzahlung in den Fällen der Betriebsaufgabe keine Anwendung findet.
Der Tenor dieser Entscheidung entspricht auch einem erstinstanzlichen Urteil des Finanzgerichtes Köln vom 18.11.2003 unter dem Aktenzeichen 1 K 4035/00. Auch hier hatten die Finanzrichter bereits festgestellt, dass es bei einer Betriebsaufgabe nicht möglich ist, eine nicht tarifbegünstigte Besteuerung nachträglicher Einkünfte aus Gewerbebetrieb im jeweiligen Jahr des Zuflusses des Veräußerungserlöses zu wählen.
Während die damalige Entscheidung aus Köln rechtskräftig geworden ist, wurde gegen die aktuelle Entscheidung aus Schleswig-Holstein Revision beim Bundesfinanzhof eingelegt. Diese war wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen worden.
Abschließend wird daher der Bundesfinanzhof unter dem Aktenzeichen X R 6/20 zu klären haben, ob das Recht auf nachgelagerte Besteuerung der wiederkehrenden Bezüge auch im Fall einer Betriebsaufgabe im Ganzen gegeben sein muss.