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Mandantenbrief 10/2023
- Für alle Steuerpflichtige: Erbschaftsteuer (schon wieder) verfassungswidrig?
- Für alle Steuerpflichtigen: Umzugskosten als Werbungskosten auch ohne Fahrzeitersparnis?
- Für alle Steuerpflichtigen: Keine beschränkte Erbschaftsteuerpflicht bei einem Erwerb durch ein ausländisches Vermächtnis
- Für alle Selbstständigen: Ist das noch Kunst?
- Für Arbeitnehmer: Mitarbeiterbeteiligung als Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit oder Einkünfte aus Kapitalvermögen?
- Für bestimmte Steuerpflichtige: Anhebung der Betriebsausgabenpauschale aufgrund des gestiegenen Preisniveaus
- Für GmbHs und ihre Gesellschafter: Keine Drittanfechtung bei Feststellungsbescheiden zum steuerlichen Einlagekonto
- Für Gesellschafter-Geschäftsführer: Wo wirkt die Haftungsinanspruchnahme steuermindernd?
1. Für alle Steuerpflichtige: Erbschaftsteuer (schon wieder) verfassungswidrig?
Mit Beschluss vom 17.1.2022 hat der Bundesfinanzhof unter dem Aktenzeichen II B 49/21 die Besteuerung von Erbschaften des Privatvermögens für verfassungsgemäß eingestuft. Ganz klar äußerten sich die Richter in ihren Leitsätzen wie folgt: Die Erbschaftsbesteuerung des Privatvermögens ist nicht deshalb verfassungswidrig, weil in demselben Zeitraum eine erbschaftsteuerrechtliche Überbegünstigung des Betriebsvermögens zu verzeichnen wäre. Selbst wenn die begünstigte Besteuerung des Betriebsvermögens nach dem Recht der Europäischen Union eine rechtswidrige staatliche Beihilfe darstellen sollte, berühre dies nicht die nationale Besteuerung des erbschaftsteuerlichen Erwerbs von Privatvermögen.
Gegen diesen Beschluss des obersten deutschen Finanzgerichtes ist mittlerweile unter dem Aktenzeichen 1 BvR 804/22 die Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe eingegangen. Die Verfassungsbeschwerde richtet sich dabei nicht nur gegen den Beschluss des Bundesfinanzhofs, sondern auch mittelbar gegen das Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz und dessen Konformität mit dem deutschen Grundgesetz.
Zunächst zum Hintergrund der Entscheidung: Der Beschwerdeführer wurde als testamentarischer Alleinerbe nach seiner im Jahre 2018 verstorbenen Tante zur Erbschaftsteuer mit Einspruchsentscheidung des Finanzamts veranlagt. In der Klage gegen den Erbschaftsteuerbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung wendete sich der Beschwerdeführer zuletzt gegen die Berücksichtigung eines Wertpapierdepots sowie eines Einkommensteuererstattungsanspruchs als steuerpflichtigen Erwerb und gegen die unterbliebene steuermindernde Berücksichtigung einer Darlehensschuld der Erblasserin. Weiterhin vertritt der Beschwerdeführer die Auffassung, dass die Erbschaftsteuer auf Privatvermögen verfassungswidrig ist, weil Betriebsvermögen im Vergleich dazu bei der Erbschaftsteuer übermäßig begünstigt wird.
Ob an diesem Vorwurf tatsächlich etwas dran ist, ist auch Gegenstand der Stellungnahme Nummer 18 der Bundesrechtsanwaltskammer aus März 2023. Auf Anfrage des Bundesverfassungsgerichtes in Karlsruhe hat sich die Bundesrechtsanwaltskammer mit der Thematik beschäftigt und eine entsprechende Stellungnahme entworfen. Diese kann zur Gänze auch hier auf der Internetseite der Bundesrechtsanwaltskammer eingesehen werden (PDF).
Die Bundesrechtsanwaltskammer kommt darin zu dem Schluss, dass die Verfassungsbeschwerde zulässig und begründet ist. Sowohl die Entscheidung des Finanzgerichts Münster als auch die Entscheidung des Bundesfinanzhofs verletzen den Beschwerdeführer in seinem Recht auf die Gewährung effektiven Rechtsschutzes. Die Entscheidung ist nach Meinung der Berufskammer aufzuheben und die Sache an den Bundesfinanzhof zurückzuweisen. So bekommen die obersten Finanzrichter der Republik Gelegenheit, ihre Auffassung zur Zulassung der Revision sowie im Rahmen der Revision ihre Auffassung zur Verfassungswidrigkeit des Erbschaft- und Schenkungsteuergesetzes zu überprüfen.
Tatsächlich macht der Beschwerdeführer nach Einschätzung der Rechtsanwaltskammer erhebliche verfassungsrechtliche Zweifel an dem Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz geltend, die von der Bundesrechtsanwaltskammer auch ausdrücklich, allerdings auch nur teilweise geteilt werden.
Die Bundesrechtsanwaltskammer sieht insbesondere in der Regelung zur Steuerbefreiung von Betriebsvermögen eine Verletzung des Gleichheitssatzes aus Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG). Die Regelung begünstigt unverhältnismäßig Betriebe mit hohem Betriebsvermögen und benachteiligt Betriebe mit geringerem Betriebsvermögen. Die Bundesrechtsanwaltskammer empfiehlt daher eine Überarbeitung des Erbschaft- und Schenkungsteuergesetzes, um die verfassungsrechtlichen Bedenken auszuräumen.
Es bleibt natürlich abzuwarten, wie der Gesetzgeber und auch das Bundesverfassungsgericht auf diese Empfehlung reagieren werden. Insgesamt kommt die Bundesrechtsanwaltskammer in ihrer Stellungnahme zu dem Schluss, dass das Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz in seiner jetzigen Form verfassungsrechtlich bedenklich ist und einer Überarbeitung bedarf. Die Verfassungsbeschwerde wird als zulässig und begründet angesehen und es wird empfohlen, die Entscheidungen des Finanzgerichts Münster und des Bundesfinanzhofs aufzuheben.
2. Für alle Steuerpflichtigen: Umzugskosten als Werbungskosten auch ohne Fahrzeitersparnis?
Abzugsfähige Werbungskosten sind für den Bereich der nicht selbstständigen Arbeit Aufwendungen, die durch den Beruf veranlasst sind, das heißt es muss ein objektiver Zusammenhang zwischen ihnen und dem Beruf bestehen und sie müssen subjektiv zur Förderung des Berufs bestimmt sein. Ob sie nach objektiven Gesichtspunkten üblich, notwendig oder zweckmäßig sind, ist für die Abziehbarkeit der Aufwendungen als Werbungskosten grundsätzlich vollkommen ohne Belang, wie bereits der Große Senat des Bundesfinanzhofs am 27.11.1978 unter dem Aktenzeichen GrS 8/77 richtungsweisend festgestellt hat. Bei Aufwendungen, die ebenso gut privater Natur sein können, kann hingegen das Fehlen der Üblichkeit, Erforderlichkeit und Zweckmäßigkeit ein Anzeichen dafür sein, dass die Aufwendungen aus privaten Gründen getätigt wurden.
Das Bewohnen einer Wohnung am Lebensmittelpunkt eines Steuerpflichtigen und seiner Familie ist dem privaten Lebensbereich zuzuordnen. Daher sind Aufwendungen für einen Umzug grundsätzlich steuerlich nicht abziehbar. Es handelt sich um Kosten der allgemeinen Lebensführung. Davon gibt es aber eine Ausnahme. Umzugskosten können als Werbungskosten abzugsfähig sein, wenn bestimmte Voraussetzungen gegeben sind. So muss der Umzug nahezu ausschließlich beruflich veranlasst sein. Private Gründe dürfen allenfalls eine ganz untergeordnete Rolle spielen.
Eine derartige berufliche Veranlassung hat der Bundesfinanzhof beispielsweise bereits anerkannt, wenn der Umzug aus Anlass eines Arbeitsplatzwechsels erfolgen musste oder wenn durch den Umzug der erforderliche Zeitaufwand für den Weg zwischen Wohnung und Arbeitsstätte auch ohne einen Arbeitsplatzwechsel wesentlich vermindert worden ist. Als wesentliche Verkürzung der Wegzeit hat der Bundesfinanzhof dabei eine Ersparnis von mindestens einer Stunde täglich angesehen. So der Beschluss vom 11.9.1998 unter dem Aktenzeichen VI B 208/98.
Das Abstellen auf eine Fahrzeitersparnis von mindestens einer Stunde zielt einerseits darauf ab, einen solchen Umzug zumindest ähnlich wie einen Umzug anlässlich eines Arbeitsplatzwechsels zu behandeln. Dem liegt die Überlegung zugrunde, dass eine einstündige Fahrzeitersparnis nach der Lebenserfahrung für viele Arbeitnehmer so bedeutsam ist, dass sie einen Umzug näher an den Arbeitsplatz ernsthaft in Erwägung ziehen. Dem Gesichtspunkt der mindestens einstündigen Fahrzeitersparnis kann deshalb ein solches Gewicht beigemessen werden, dass private Erwägungen generell in den Hintergrund treten.
Zum anderen enthält das Erfordernis einer mindestens einstündigen Fahrzeitersparnis eine die Abwicklung von Massenverfahren erleichternde Typisierung. Der damit verbundene Zweck der Vereinfachung und Praktikabilität in der Rechtsanwendung ist beeinträchtigt, wenn private Motive beim ansonsten typischerweise beruflich veranlassten Umzug wieder Bedeutung erlangen. Auf diese Weise wird überdies ein nicht gebotenes Eindringen in die Privatsphäre des Steuerpflichtigen vermieden. Indem der Gesetzgeber Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte bzw. der ersten Tätigkeitsstätte als Werbungskosten zum Abzug zulässt, gibt er zu erkennen, dass er solche Fahrten dem beruflichen Bereich des Arbeitnehmers zuordnet. Aufwendungen des Steuerpflichtigen wegen eines Umzugs, der zu einer wesentlichen Verkürzung solcher Fahrstrecken führen soll, sind daher beruflich veranlasst, weil sie zu einer entsprechenden Verbesserung dieser Arbeitsbedingungen führen. Dass sich dies in der Regel mittelbar auf eine Verlängerung der Freizeit auswirkt, ist steuerrechtlich unschädlich, da hierdurch die berufliche Kausalität nicht beeinträchtigt wird, wie der Bundesfinanzhof schon in einer Entscheidung vom 6.11.1985 unter dem Aktenzeichen VI R 106/85 herausgearbeitet hat.
Das Merkmal der Zeitersparnis kann in seinem Gewicht bei der Abwägung der beruflichen und privaten Gründe deutlich vermindert sein, wenn ein Steuerpflichtiger seinen Arbeitsplatz vergleichsweise selten aufsucht. Entscheidend ist, ob das Finanzgericht aus den Gesamtumständen des Streitfalls zu der Überzeugung gelangt, dass die beruflichen Gründe das auslösende Moment für den Umzug gewesen sind. Dies hat bereits der Bundesfinanzhof in einer Entscheidung vom 7.5.2015 unter dem Aktenzeichen VI R 73/13 herausgearbeitet.
Eine rein berufliche Veranlassung ist auch angenommen worden, wenn der Umzug zu einer wesentlichen Erleichterung oder Verbesserung der Arbeitsbedingungen geführt hat. Bisher ist dies angenommen worden bei einer Erreichbarkeit der Arbeitsstätte ohne Verkehrsmittel nach dem Umzug. Auch bei einer Verkürzung des Arbeitsweg von 9 km auf 1 km, wenn der Weg zwischen Wohnung und Arbeitsstätte aufgrund des Dienstherrn häufig mehrmals am selben Tag zurückzulegen war, hat der Bundesfinanzhof eine wesentliche Erleichterung der Arbeitsbedingungen angenommen. Eine solche wesentliche Erleichterung nahm die Rechtsprechung auch bei einem Arzt an, der in die Nähe der Klinik zog, in der er Belegbetten unterhielt. Das Finanzgericht Köln hat zudem mit Urteil vom 24.2.2016 unter dem Aktenzeichen 3 K 3502/13 entschieden, dass eine berufliche Veranlassung durch eine wesentliche Verbesserung der Arbeitsbedingungen vorliegt, wenn der Steuerpflichtige durch den Umzug nicht mehr auf die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel angewiesen ist und er die Arbeitsstätte in weniger als 5 Minuten zu Fuß erreicht, mitgeführte Arbeitsmittel bequemer transportieren und für den Arbeitgeber flexibler in die Arbeitsabläufe einbezogen werden kann.
Demgegenüber hat das Finanzgericht Baden-Württemberg in einer Entscheidung vom 29.7.2014 unter dem Aktenzeichen 6 K 767/14 bei einer Gesamtbetrachtung keine wesentliche Verbesserung der Arbeitsbedingungen erkannt, wenn sich durch einen Umzug zwar die Möglichkeit bietet, einen Teil der Arbeit im häuslichen Arbeitszimmer zu erledigen, sich zugleich aber der Arbeitsweg erheblich verlängert.
Auch mit Urteil vom 16.10.1992 hat der Bundesfinanzhof unter dem Aktenzeichen VI R 132/88 entschieden, dass eine berufliche Veranlassung nicht anzunehmen ist, wenn sich durch den Wohnungswechsel die Fahrtzeiten zwischen Wohnung und Beschäftigungsort um weniger als eine Stunde pro Arbeitstag verkürzen und die neue Wohnung Platz für die Einrichtung eines häuslichen Arbeitszimmers bietet. Auch der hinzutretende Umstand, dass die neue Wohnung aufgrund der wesentlich großzügigeren Platzverhältnisse die Einrichtung eines Arbeitszimmers ermöglicht, reicht für die Feststellung eines Umzugs aus nahezu ausschließlich beruflichen Gründen nicht aus. Denn aufgrund des natürlichen Bestrebens nach Verbesserung der Wohnqualität lässt sich nicht mit der erforderlichen Sicherheit ermitteln, ob die Einrichtung des Arbeitszimmers Anlass oder nur Folge des Umzugs in eine wesentlich größere Wohnung mit besseren Wohnbedingungen gewesen ist. Das Gebot der Rechtssicherheit erfordert, bei der Frage nach der beruflichen Veranlassung des Umzugs regelmäßig nur auf objektiv feststellbare Umstände abzustellen, die typischerweise auf eine berufliche Veranlassung schließen lassen. Solche Umstände sind allein in dem Bestreben, ein abgeschlossenes Arbeitszimmer einzurichten nicht gegeben, so der Bundesfinanzhof seinerzeit. Zudem ist hier als private Mitveranlassung zu berücksichtigen, dass die Einrichtung eines abgeschlossenen Arbeitszimmers in der neuen Wohnung zur ungestörten Nutzung des ansonsten mit der Arbeitsecke belasteten Wohnraums führt.
Wenn aber die berufliche Veranlassung des Umzugs nach objektiven Kriterien eindeutig feststeht, ist nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs auf Motive des Steuerpflichtigen für den Umzug in eine bestimmte Wohnung nicht mehr abzustellen. Ausgehend hiervon hat das Finanzgericht Hamburg in einer aktuellen Entscheidung vom 23.2.2023 unter dem Aktenzeichen 5 K 190/22 die Umzugskosten zum Werbungskostenabzug zugelassen, weil das Gericht den Umzug als objektiv beruflich veranlasst und subjektiv als zur Förderung des Berufes erkannte.
Tatsächlich ist den Steuerpflichtigen eine erhebliche Verkürzung des Arbeitsweges nicht gelungen. Indes ist der Senat nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens davon überzeugt, dass der Umzug zu einer wesentlichen Verbesserung und Erleichterung der Arbeitsbedingungen der Kläger geführt hat. Der Umzug ermöglichte erst eine ungestörte Ausübung der nichtselbstständigen Tätigkeit beider Eheleute in jeweils separaten Arbeitszimmern, welche vorher nicht gegeben waren.
Kurz zum Sachverhalt: Vor Beginn der Coronapandemie übten die Kläger ihre Tätigkeit jeweils in den Räumlichkeiten ihrer Arbeitgeber aus. Seit Beginn der Coronapandemie verlagerten die Kläger (den Anweisungen ihrer Arbeitgeber folgend) ihre Tätigkeit und übten diese nun zu Hause aus. Dies ging aber nur mit erheblichen Beeinträchtigungen durch ein Abwechseln mit der Tätigkeit im Arbeitszimmer oder der Inkaufnahme von Störungen bei gleichzeitiger Tätigkeit der Eheleute im Arbeitszimmer einher.
Die Kläger haben zur Beseitigung dieser Situation eine neue Wohnung mit genau zwei zusätzlichen Arbeitszimmern gesucht und ausgewählt. Die Einrichtung von zwei Arbeitszimmern war angesichts der verschiedenen Arbeitsweisen der Eheleute erforderlich für die ungestörte Ausübung der jeweiligen Tätigkeit. Durch die räumlich getrennten Arbeitsmöglichkeiten konnten beide weiterhin zur Zufriedenheit ihrer Arbeitgeber ihren Tätigkeiten nachgehen und mussten sich nicht einem Risiko von schlechteren Arbeitsergebnissen mit möglichen negativen Konsequenzen für das Arbeitsverhältnis aussetzen.
Zudem weicht die Wohnung nicht derart von der bisherigen Wohnung ab, dass hier überhaupt der Anlass zur Annahme bestünde, eine Erhöhung des Wohnkomforts sei Anlass für den Umzug gewesen. Im Übrigen ging mit einer möglichen Erhöhung des Wohnkomforts durch Platzgewinn zugleich eine Verschlechterung des Wohnkomforts einher, denn statt einer Terrasse mit Zugang zum Gemeinschaftsgarten haben die Kläger nunmehr lediglich einen Balkon mit einer für die im Streitjahr fünf Jahre alte Tochter schlechteren Nutzbarkeit.
Bei Würdigung all dieser Umstände kam das erstinstanzliche Finanzgericht Hamburg zu dem Schluss, dass im vorliegenden Fall die Umzugskosten sehr wohl beruflich veranlasst gewesen sind, da der Umzug zu einer wesentlichen Erleichterung der Arbeitsbedingungen geführt hat. Ganz konkret erkannten die Richter die Erleichterung darin, dass in der neuen Wohnung jedem Ehegatten nun ein eigenes Home-Office zur Verfügung stand, in welchem jeder seiner jeweiligen Tätigkeit ungestört nachgehen konnte.
Hinweis: Die Finanzverwaltung möchte dennoch in entsprechenden Fällen die Umzugskosten nicht als Werbungskosten abziehen und hat die Revision beim Bundesfinanzhof eingelegt. Unter dem Aktenzeichen VI R 3/23 muss daher nun der Bundesfinanzhof die berufliche Veranlassung auch ohne eine Verkürzung der Fahrzeit prüfen.
3. Für alle Steuerpflichtigen: Keine beschränkte Erbschaftsteuerpflicht bei einem Erwerb durch ein ausländisches Vermächtnis
Mit Urteil vom 10.7.2019 hat das erstinstanzliche Finanzgericht München unter dem Aktenzeichen 4 K 174/16 entschieden, dass das Vermächtnis eines Miteigentumsanteils an einem inländischen Grundstück der beschränkten Erbschaftsteuerpflicht unterliegt. Aktuell hat der Bundesfinanzhof in seinem kürzlich erst veröffentlichten Urteil vom 23.11.2022 unter dem Aktenzeichen II R 37/19 diese Rechtsauffassung verworfen.
Um besser zu verstehen, worum es in diesem Streitfall, der durchaus auch als Gestaltungsmittel eingesetzt werden kann, geht, wird kurz der Sachverhalt erläutert: Im Streitfall hatte eine in der Schweiz lebende Erblasserin eine Immobilie in der Bundesrepublik Deutschland an eine in den USA lebende Verwandte vermacht. Im Jahr nach dem Tod der Erblasserin wurde das Vermächtnis erfüllt und die Vermächtnisnehmerin (und spätere Klägerin) wurde als Eigentümerin des Grundstücks im Grundbuch eingetragen. Die Finanzverwaltung wertete dies als ganz normalen erbschaftsteuerlichen Vorgang und wollte den Immobilienerwerb durch Vermächtnis der Erbschaftsteuer unterwerfen. Diese Auffassung bestätigte das erstinstanzliche Finanzgericht München in der oben bereits zitierten Entscheidung und urteilte, dass das Vermächtnis eines Miteigentumsanteils an einem inländischen Grundstück der beschränkten Erbschaftsteuerpflicht unterliegt. Dies sieht der Bundesfinanzhof erfreulicherweise allerdings anders:
Der Erbschaftsteuer unterliegt unter anderem der Erwerb von Todes wegen. Als Erwerb von Todes wegen gilt ausweislich des Erbschaftsteuergesetzes der Erwerb durch Erbanfall oder durch Vermächtnis. In Fällen, in denen keine unbeschränkte Steuerpflicht gegeben ist, tritt die beschränkte Steuerpflicht ein. Diese Steuerpflicht umfasst den Vermögensanfall, der in Inlandsvermögen besteht. Was Inlandsvermögen ist, ist abschließend in § 121 Bewertungsgesetz (BewG) bestimmt. In den dort genannten Fällen weist der Erwerbsvorgang Inlandsbezug beispielsweise dadurch auf, dass ein Gegenstand im Inland belegen ist. Es muss also insoweit eine sachliche Anknüpfung an das Inland gegeben sein. Zum Inlandsvermögen gehört dabei auch das inländische Grundvermögen.
Der Gegenstand des Vermögensanfalls durch Vermächtnis ist jedoch ein Sachleistungsanspruch. Vermacht wird insoweit ein Anspruch auf Übertragung des Eigentums an dem inländischen Grundstück, nicht jedoch das Grundstück selbst. Bei diesem Anspruch handelt es sich weder um inländisches Grundvermögen im Sinne des § 121 Nummer 2 BewG noch ist der Anspruch einer der anderen in § 121 BewG abschließend aufgezählten Kategorien zuzuordnen.
Wendet daher ein im Ausland lebender Erblasser einer ebenfalls im Ausland lebenden Person mittels Vermächtnisses inländischen Grundbesitz zu, muss der ausländische Begünstigte hierauf keine Erbschaftsteuer bezahlen. Aufgrund des ausländischen Wohnsitzes des Vermächtnisnehmers ist dieser nur im beschränkten Umfang steuerpflichtig. Erbschaftsteuer zahlt er daher nur für den Eigentumserwerb an bestimmten in § 121 BewG definierten Vermögenswerten. Insoweit besteht eine Gesetzeslücke und es fällt keine Erbschaftsteuer an.
Zur genauen und sehr zu empfehlenden Subsumtion der Entscheidung wird auf die Urteilsgründe des Bundesfinanzhofs verwiesen.
Tipp: Solange diese Gesetzeslücke besteht, kann in der Praxis inländisches Immobilienvermögen durch ausländische Vermächtniseinsetzung vollkommen legal steuerfrei vererbt werden.
Anders verhält es sich allerdings, wenn der ausländische Erbe im Rahmen der gesetzlichen Erbfolge inländischen Grundbesitz erhält. Dann ist kein Vermächtnis gegeben und das Eigentum an dem inländischen Grundbesitz geht direkt mit dem Tod des ausländischen Erblassers auf den ausländischen Erben über. In diesem Fall ist die beschränkte Erbschaftsteuerpflicht gegeben und es fällt deutsche Erbschaftsteuer an. Lediglich das Vermächtnis an einem inländischen Grundstück unterliegt nicht der beschränkten Erbschaftsteuerpflicht.
4. Für alle Selbstständigen: Ist das noch Kunst?
Wer künstlerisch tätig ist, erzielt Einkünfte aus selbstständiger Arbeit und kann sich die Gewerbesteuer sparen. In der Praxis ist daher die Abgrenzung zwischen den beiden Einkunftsarten selbständige Tätigkeit und Gewerbebetrieb und dementsprechend die Frage, ob eine künstlerische Tätigkeit vorliegt oder nicht, durchaus von Bedeutung.
Ausweislich des Gewerbesteuergesetzes unterliegt der Gewerbesteuer jeder stehende Gewerbebetrieb, soweit er im Inland betrieben wird. Unter Gewerbebetrieb ist dabei ein gewerbliches Unternehmen im Sinne des Einkommensteuergesetzes zu verstehen. Entsprechend der gesetzlichen Regelung in § 15 Abs. 2 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ist ein Gewerbebetrieb eine selbstständige nachhaltige Betätigung, die mit der Absicht, Gewinn zu erzielen, unternommen wird und sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt, wenn die Betätigung weder als Ausübung von Land- und Forstwirtschaft noch als Ausübung eines freien Berufs noch als eine andere selbstständige Arbeit anzusehen ist. Darüber hinaus darf sich bei der Tätigkeit nach der Rechtsprechung nicht um die private Vermögensverwaltung handeln, wie der Bundesfinanzhof bereits in einer Entscheidung vom 16.9.2015 unter dem Aktenzeichen X R 43/12 herausgearbeitet hat.
Demgegenüber gilt es nun die Definition der selbstständigen Einkünfte zu betrachten. Geregelt ist diese in § 18 Abs. 1 Satz 1 EStG. Zu den Einkünften aus selbstständiger Arbeit zählen danach die Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit. Zu der freiberuflichen Tätigkeit gehört unter anderem die selbstständig ausgeübte künstlerische Tätigkeit. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs übt ein Steuerpflichtiger eine künstlerische Tätigkeit in diesem Sinne aus, wenn er eine eigene schöpferische Leistung vollbringt, in der seine individuelle Anschauungsweise und Gestaltungskraft zum Ausdruck kommt und die über eine hinreichende Beherrschung der Technik hinaus grundsätzlich eine gewisse künstlerische Gestaltungshöhe erreicht. Künstlerisch ist daher nur eine selbstständige, eigene schöpferische Arbeit, die dem Werk eine über die Darstellung der Wirklichkeit hinausgehende Aussagekraft verleiht.
Das Bundesverfassungsgericht sieht das Wesentliche der künstlerischen Betätigung in der freien schöpferischen Gestaltung, in der Eindrücke, Erfahrungen und Erlebnisse des Künstlers durch das Medium in einer bestimmten Formensprache zu unmittelbarer Anschauung gebracht werden. So eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes vom 24.2.1971 unter dem Aktenzeichen 1 BvR 435/68. Als künstlerische Tätigkeit anzusehen ist ein Ineinander von bewussten und unbewussten Vorgängen, die rational nicht aufzulösen sind. Beim künstlerischen Schaffen wirken Intuition, Fantasie und Kunstverstand zusammen. Es ist primär nicht Mitteilung, sondern Ausdruck, und zwar unmittelbarster Ausdruck der individuellen Persönlichkeit des Künstlers.
Der Bundesfinanzhof unterscheidet weiter zwischen einer künstlerischen Betätigung, deren Arbeitsergebnisse keinen Gebrauchszweck haben (er bezeichnet es als die zweckfreie Kunst) und der sogenannten Gebrauchskunst. Bei der zweckfreien Kunst kann auf die Feststellung einer ausreichenden künstlerischen Gestaltungshöhe verzichtet werden, wenn den Werken nach der allgemeinen Verkehrsauffassung das Prädikat des Künstlerischen nicht abgesprochen werden kann und die Arbeiten ausschließlich auf das Hervorbringen einer ästhetischen Wirkung gerichtet sind. Demgegenüber ist bei der zweckgebundenen Gebrauchskunst mit praktischem Nützlichkeitswert nach den Verhältnissen des Einzelfalls aufgrund besonderer Kriterien zu entscheiden, ob die Tätigkeit als eine künstlerische zu werten ist. Eine künstlerische Tätigkeit ist jedoch nicht gegeben, wenn sich der Steuerpflichtige an einzelne Angaben und Weisungen seines Auftraggebers zu halten hat und ihm infolgedessen kein oder kein genügender Spielraum für eine eigene schöpferische Leistung bleibt. Ist das Werk nicht um seiner selbst willen geschaffen, sondern wird lediglich die Möglichkeit ohne eigene künstlerische Aussage kopiert, so fehlt es an der kunsteigentümlichen Gestaltungshöhe, so der Bundesfinanzhof.
Vor diesem Hintergrund kommt das Finanzgericht Düsseldorf in seiner Entscheidung vom 21.3.2023 unter dem Aktenzeichen 10 K 306/17 G zu dem Schluss, dass der selbstständige Moderator einer als Doku-Entertainment Format ausgestalteten TV-Sendung, in der er, ohne eine erkennbare schauspielerische Leistung zu erbringen, sich selbst als Person mit den ihn prägenden Charaktereigenschaften darstellt, mangels einer darin liegenden über die Darstellung der Wirklichkeit hinausgehenden eigenschöpferischen Leistung keine künstlerische Tätigkeit ausübt. Mit anderen Wochen: Es fällt Gewerbesteuer an.
Das letzte Wort ist hier noch nicht gesprochen, da die Frage zum Bundesfinanzhof nach München geht. Dieser hat nun unter dem Aktenzeichen VIII R 10/23 darüber zu urteilen, ob im vorliegenden Einzelfall eine künstlerische Leistung (noch) gegeben ist.
Zugegeben ist der konkrete Sachverhalt des Streitfalls durchaus speziell, jedoch sind die grundsätzlichen Absetzungskriterien zwischen einer künstlerischen und damit selbstständigen Leistung und einem Gewerbebetrieb auch für eine Vielzahl anderer Fälle von Bedeutung. Betroffene können sich daher durchaus die Grundsätze der ersten Instanz und des folgenden Urteils der obersten Rechtsprechung zu Gemüte führen.
5. Für Arbeitnehmer: Mitarbeiterbeteiligung als Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit oder Einkünfte aus Kapitalvermögen?
Mit Urteil vom 1.4.2022 hat das Finanzgericht Baden-Württemberg unter dem Aktenzeichen 5 K 1635/20 entschieden, dass die kapitalmäßige Beteiligung eines Arbeitnehmers an seinem Arbeitgeber eine eigenständige Erwerbsgrundlage sein kann. Liegt insoweit eine eigenständige Erwerbsgrundlage vor, stehen die damit in Zusammenhang stehenden Erwerbseinnahmen und Erwerbsaufwendungen in keinem einkommensteuerrechtlich erheblichen Veranlassungszusammenhang zum Arbeitslohn. Die Folge: Es liegen insoweit Einkünfte aus Kapitalvermögen vor.
Im Streitfall sprach für eine unabhängig vom Arbeitsverhältnis bestehende Sonderrechtsbeziehung insbesondere, dass die Ausgestaltung der vorliegenden Beteiligung formell nach den üblichen gesetzlichen Kriterien erfolgt ist, den Arbeitnehmer in Höhe der Einlage und auch aus vertragsgemäß gegründeten Rücklagen ein Verlustrisiko traf und mit der vereinbarten Nachrangigkeit die stille Beteiligung überwiegend gesellschaftsrechtlich bzw. bilanzrechtlich motiviert war.
Aufgrund der Motivation, den Arbeitgeber bzw. sein Eigenkapital durch stille Beteiligung zu stärken, waren im Streitfall auch die Renditemöglichkeiten des stillen Gesellschafters nicht aus dem Arbeitsverhältnis begründet. Die Rendite war nach Maßgabe objektiver Parameter eindeutig festgelegt und wurde in der verabredeten Form ausgezahlt bzw. auf dem Kapitalkonto des Arbeitnehmers verbucht.
All dies führte dazu, dass das erkennende Finanzgericht Baden-Württemberg zu dem Schluss kam, dass insoweit Einkünfte aus Kapitalvermögen vorliegen. Unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang nun jedoch tatsächlich Erträge aus Mitarbeiterbeteiligungen (vorliegend aus einer stillen Beteiligung) nicht als Einkünfte aus Kapitalvermögen, sondern gegebenenfalls doch als Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit zu qualifizieren sind, klärt abschließend noch der Bundesfinanzhof unter dem Aktenzeichen VIII R 10/22.
Der Streitfall aus Baden-Württemberg ist dabei nicht die einzige Revision zu dieser Thematik. Unter den Aktenzeichen VIII R 11/23 und VIII R 12/23 muss sich der Bundesfinanzhof mit ähnlichen Sachverhalten aus Sachsen beschäftigen. Leider sehen es die Richter des Sächsischen Finanzgerichtes in ihren Entscheidungen vom 25.11.2021 unter den Aktenzeichen 8 K 438/21 und 8 K8 149/21 gänzlich anders.
Obwohl die Sachverhalte durchaus ähnlich sind, hat das Sächsische Finanzgericht in beiden Verfahren entschieden, dass die Ergebnisbeteiligung in Mitarbeiterlohn umzuqualifizieren ist. Die Folgen sind dabei durchaus verheerend, denn man verliert nicht nur die günstige Abgeltungsteuer und muss alles zum persönlichen Einkommensteuertarif versteuern, auch die Sozialversicherung kommt dann mit auf den Plan.
Tatsächlich hatte das Sächsische Finanzgericht gegen seine beiden Entscheidungen nicht einmal die Revision zum Bundesfinanzhof zugelassen. In beiden Verfahren wurde jedoch Nichtzulassungsbeschwerde eingereicht und offensichtlich auch vom Bundesfinanzhof angenommen, sodass das letzte Wort noch nicht gesprochen ist.
6. Für bestimmte Steuerpflichtige: Anhebung der Betriebsausgabenpauschale aufgrund des gestiegenen Preisniveaus
Bei der Ermittlung der Einkünfte aus hauptberuflicher selbstständiger schriftstellerischer oder journalistischer Tätigkeit, aus wissenschaftlicher, künstlerischer und schriftstellerischer Nebentätigkeit sowie aus ehrenamtlicher Lehr- und Prüfungstätigkeit darf schon seit jeher eine Betriebsausgabenpauschale anstelle der tatsächlichen Ausgaben abgezogen werden.
Aufgrund des gestiegenen Preisniveaus hat das Bundesministerium der Finanzen diese Betriebsausgabenpauschalen nun mit Schreiben vom 6.4.2023 erhöht. Da die letzte Erhöhung 1994 stattgefunden hat, wirkt dies schon etwas komisch, auch wenn die praktische Bedeutung er gering sein dürfte. Dennoch soll vorliegend in aller Kürze dazu berichtet werden.
Nach der Erörterung der obersten Finanzbehörden der Länder gilt für den Veranlagungszeitraum 2023 bei entsprechender hauptberuflicher selbstständiger Tätigkeit das Folgende: Die Finanzbeamten beanstanden insoweit nicht, wenn bei der Ermittlung der vorbezeichneten Einkünfte die Betriebsausgaben wie folgt pauschaliert werden:
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bei hauptberuflicher selbständiger schriftstellerischer oder journalistischer Tätigkeit auf 30 % der Betriebseinnahmen aus dieser Tätigkeit, höchsten jedoch 3.600 € jährlich,
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bei wissenschaftlicher, künstlerischer oder schriftstellerischer Nebentätigkeit (auch Vortrags- oder nebenberufliche Lehr- und Prüfungstätigkeit), soweit es sich nicht um eine Tätigkeit im Sinne des § 3 Nummer 26 EStG handelt, auf 25 % der Betriebseinnahmen aus dieser Tätigkeit, höchsten jedoch 900 € jährlich. Der Höchstbetrag von 900 € kann für alle Nebentätigkeiten, die unter die Vereinfachungsregelung fallen, nur einmal gewährt werden.
Tipp: In Anbetracht der geringen Höhe der Betriebsausgabenpauschale bleibt es den Steuerpflichtigen selbstverständlich unbenommen, etwaige höhere Betriebsausgaben ganz normal nachzuweisen und entsprechend steuermindernd anstelle der Pauschale zum Ansatz zu bringen.
7. Für GmbHs und ihre Gesellschafter: Keine Drittanfechtung bei Feststellungsbescheiden zum steuerlichen Einlagekonto
Mit Urteil vom 21.12.2022 hat der Bundesfinanzhof unter dem Aktenzeichen I R 53/19 entschieden, dass der Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft nicht befugt ist, den gegen die Kapitalgesellschaft ergangenen Bescheid über die gesonderte Feststellung des Bestandes des steuerlichen Einlagekontos anzufechten.
Dies begründet der Bundesfinanzhof wie folgt: Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Anfechtungsklage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt in seinen Rechten verletzt zu sein.
Nach der Rechtsprechung richtet sich der Feststellungsbescheid zum steuerlichen Einlagekonto ausschließlich gegen die dort genannte Kapitalgesellschaft. Obgleich dem steuerlichen Einlagekonto für die eigene Ertragsbesteuerung der Kapitalgesellschaft keine unmittelbare Bedeutung zukommt, hat der Bundesfinanzhof dieser die Befugnis zuerkannt, gegen den Feststellungsbescheid außergerichtlich und gerichtlich vorzugehen. So bereits der Bundesfinanzhof in einer Entscheidung vom 30.1.2013 unter dem Aktenzeichen I R 35/11.
Dieser Bescheid entfaltet materiell-rechtliche Bindungswirkung auch für die Anteilseigner. Nach dieser Vorschrift gehören Bezüge aus Anteilen an einer Körperschaft nicht zu den Einnahmen aus Kapitalvermögen, soweit für diese Eigenkapital im Sinne des § 27 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) als verwendet gilt. Materielles Tatbestandsmerkmal ist damit der im Bescheid ausgewiesene Bestand. Gilt danach das steuerliche Einlagekonto für die Leistung der Körperschaft als verwendet, ist diese Verwendungsfiktion auch auf der Ebene der Gesellschafter zu beachten. Ein Gesellschafter kann sich deshalb in einem die eigene Besteuerung betreffenden Verfahren nicht mit Erfolg darauf berufen, das steuerliche Einlagekonto sei im Bescheid über die Feststellung des steuerlichen Einlagekontos unzutreffend ausgewiesen. So bereits der Bundesfinanzhof in seiner Entscheidung vom 19.5.2010 unter dem Aktenzeichen I R 51/09.
Folglich kommen die Richter des I. Senates des Bundesfinanzhofs zu dem Schluss, dass eine materiell-rechtliche Tatbestandswirkung des Feststellungsbescheides für die Anteilseigner der Kapitalgesellschaft kein Drittanfechtungsrecht begründet. In der Rechtsprechung und auch in der Literatur wird insoweit jedoch durchaus eine unterschiedliche Meinung vertreten. Insgesamt wird die Thematik kontrovers diskutiert. So hat das Hessische Finanzgericht in einer Entscheidung vom 1.12.2015 unter dem Aktenzeichen 4 K 1355/13 für ein Drittanfechtungsrecht plädiert. Abgelehnt hat es hingegen das Finanzgericht München in einem Beschluss vom 28.5.2019 unter dem Aktenzeichen 7 V 803/19. Auch in der Literatur gibt es Aussagen für die eine und die andere Auffassung. Der hier erkennende Senat des Bundesfinanzhofs hat sich nun der ablehnenden Haltung angeschlossen. So zumindest mit Blick auf das Einlagenkonto.
Tatsächlich hat der Bundesfinanzhof nämlich in einigen anderen Fallkonstellationen ein Drittanfechtungsrecht anerkannt. So hat er insbesondere dem Einbringenden die Befugnis zuerkannt, den Körperschaftsteuerbescheid des aufnehmenden Unternehmens mit der Begründung anzufechten, der dort zugrunde gelegte Wertansatz für das eingebrachte Vermögen sei zu hoch bemessen. So das Bundesfinanzhof-Urteil vom 8.6.2011 unter dem Aktenzeichen I R 79/10.
Die Zuerkennung des Drittanfechtungsrecht in dieser Konstellation beruht zum einen darauf, dass im Körperschaftsteuerbescheid materiell-rechtlich bindend für den Einbringenden der Wertansatz für das eingebrachte Vermögen als Veräußerungspreis gemäß § 20 Abs. 3 Satz 1 des Umwandlungssteuergesetzes (UmwStG) festgeschrieben wird. Zum anderen ist die Körperschaft rechtlich nicht in der Lage, den Körperschaftsteuerbescheid erfolgreich anzufechten, weil sie selbst durch einen zu hohen Werteinsatz unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt beschwert ist. Aus den genannten Gründen ist es zur Vermeidung einer Rechtsschutzlücke gemäß Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes (GG) geboten, dass Drittanfechtungsrecht des Einbringenden anzuerkennen.
Eine hiermit vergleichbare Situation erkennt der Bundesfinanzhof jedoch in Bezug auf die Feststellung des Einlagekontos nicht. Der Bundesfinanzhof hat der Körperschaft als Inhaltsadressaten des ergangenen Feststellungsbescheides die Klagebefugnis ausdrücklich zuerkannt. Damit ist der Anteilseigner zwar materiell-rechtlich vom Feststellungsbescheid mittelbar betroffen, jedoch kann die Körperschaft den Feststellungsbescheid vollumfänglich außergerichtlich und gerichtlich überprüfen lassen. Aus diesem Grund erachtet der Bundesfinanzhof die Zuerkennung eines eigenen Anfechtungsrechts des Anteilseigners für nicht geboten, zumal damit Rechtsfolgen verbunden werden, die dem Bundesfinanzhof unter dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit nicht hinnehmbar erscheinen.
Soweit in der Rechtsprechung des Bundesfinanzhof ein Drittanfechtungsrecht des Arbeitnehmers gegen den gegenüber dem Arbeitgeber ergangenen Lohnsteuer-Haftungsbescheid und des Vergütungsgläubigers gegen den gegenüber dem Vergütungsschuldner ergangenen Kapitalertragsteuer-Haftungsbescheid anerkannt wird, beruht dies im Wesentlichen auf der Überlegung, dass der Arbeitnehmer und der Vergütungsgläubiger in ihrer Eigenschaft als Schuldner der Lohnsteuer bzw. Kapitalertragsteuer unmittelbar vom Haftungsbescheid betroffen sind, weil dieser in ihren Rechtsbereich eingreift. Damit ist die Stellung des Anteilseigners in Bezug auf den Feststellungsbescheid gemäß § 27 Abs. 2 KStG nicht zu vergleichen.
Es bleibt daher im Ergebnis dabei, dass vorliegend dem Gesellschafter kein Drittanfechtungsrecht zusteht.
8. Für Gesellschafter-Geschäftsführer: Wo wirkt die Haftungsinanspruchnahme steuermindernd?
Wird ein Gesellschafter-Geschäftsführer in Haftung genommen, stellt sich die Frage wo (und damit gegebenenfalls auch die Frage nach dem ob) entsprechende Aufwendungen irgendwo steuermindernd angesetzt werden können. Infrage kommt insoweit ein Abzug als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Tätigkeit oder eine Berücksichtigung als nachträgliche Anschaffungskosten auf die Beteiligung.
Mit Urteil vom 20.10.2022 hat das Finanzgericht Nürnberg unter dem Aktenzeichen 4 K 1287/20 entschieden, dass Zahlungen aufgrund eines auf § 69 der Abgabenordnung (AO) gestützten Haftungsbescheides im Falle der Geschäftsführerhaftung grundsätzlich nachträgliche Werbungskosten sind. Dies gilt zumindest unter der Voraussetzung, dass die haftungsauslösende Pflichtverletzung während der Tätigkeit als Gesellschafter-Geschäftsführer verursacht wurde und ein objektiver Zusammenhang zwischen der Pflichtverletzung und der beruflichen Tätigkeit besteht. Nachvollziehbar begründet das Finanzgericht Nürnberg, dass insoweit lediglich der Abzug als Werbungskosten in Betracht kommt, weil die Haftungsinanspruchnahme nicht auf die Stellung als Gesellschafter, sondern ausschließlich auf dem Verhalten als Geschäftsführer der Gesellschaft beruht. Insoweit besteht schlicht lediglich ein Veranlassungszusammenhang zu der Geschäftsführertätigkeit und nicht zur Stellung als Gesellschafter, weshalb der Abzug als nachträgliche Anschaffungskosten auf die Beteiligung ausgeschlossen ist.
Nun könnte man sich die Frage stellen, warum diese Entscheidung denn so spitzfindig ausgeklagt werden muss, da doch eine Abzugsmöglichkeit offensichtlich vorhanden ist. Diese Abzugsmöglichkeit besteht jedoch zunächst einmal nur dem Grunde nach. Hat der Gesellschafter-Geschäftsführer nämlich für seine Geschäftsführertätigkeit kein Anstellungsverhältnis mit der Gesellschaft, liegen auch keine Einkünfte aus nichtselbstständiger Tätigkeit vor. Mangels Einkünfte kann dann auch kein Veranlassungszusammenhang bestehen, weshalb insoweit die Aufwendungen aufgrund der Haftungsinanspruchnahme zwar grundsätzlich Werbungskosten sind, jedoch mangels Einkünfte nicht berücksichtigt werden können.
Für entsprechende Sachverhalte ist daher das Verfahren beim Bundesfinanzhof in München unter dem Aktenzeichen IX R 29/22 durchaus von Bedeutung, denn dort prüfen die obersten Finanzrichter der Republik, ob die Inanspruchnahme eines Gesellschafter-Geschäftsführers als Haftender für Gesellschaftsschulden gegebenenfalls (auch) zu nachträglichen Anschaffungskosten auf die Beteiligung führen kann. Auch wenn es insoweit nur ein Strohhalm ist, sollten sich Betroffene an das Musterverfahren anhängen.
Hinweis: Weiterhin hatte das Finanzgericht Nürnberg in der vorgenannten Entscheidung geurteilt, dass die Beschlagnahme eines Gegenstandes zu keiner Vermögensverschiebung führt, da es sich hierbei lediglich um eine Sicherungsmaßnahme handelt, die nicht zum Verlust der wirtschaftlichen Verfügungsmacht, sondern lediglich zu einer Einschränkung der rechtlichen Verfügungsmacht führt. Auch hier ging es um die Frage, ob der Zeitpunkt des Verlustes der wirtschaftlichen Verfügungsmacht beispielsweise durch Beschlagnahmung maßgeblich für die zeitliche Zurechnung von Ausgaben als Werbungskosten ist. Ebenso wird auch hier der Bundesfinanzhof unter der vorgenannten Revision noch das letzte Wort haben.