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Mandantenbrief 11/2021
- Für alle Steuerpflichtigen: Ort der Akteneinsicht im finanzgerichtlichen Verfahren in Pandemiezeiten
- Für alle Steuerpflichtigen: Pokerspielen als Gewerbebetrieb
- Für Vermieter: Vorsteuerabzug aus Heizungserneuerung trotz steuerfreier Wohnungsvermietung?
- Für Unternehmer: (Keine) Pauschalierung der Einkommensteuer bei Sachzuwendungen
- Für Eltern: Zum Abzug von Kinderbetreuungskosten im Zusammenhang mit steuerfrei gezahlten Arbeitgeberzuschüssen
- Für Immobilieneigentümer: Geschäftsveräußerung bei Erwerb eines vom Veräußerer zunächst gepachteten und teilweise untervermieteten Grundstücks
- Für Immobilien-Veräußerer: Berechnung der 10-Jahres-Frist beim privaten Veräußerungsgeschäft
- Für Erben: Zum Begriff des Grundstücks beim Erwerb eines Familienheims
- Für Personengesellschaften: Gesellschafterwechsel in doppelt- und mehrstöckigen Gesellschaftsstrukturen und deren Auswirkungen auf Fehlbeträge nach § 10a GewStG
- Für Immobilieneigentümer: Gemischt genutzte Gebäude sind bei der erweiterten Gewerbesteuerkürzung keine Wohnungsbauten!
1. Für alle Steuerpflichtigen: Ort der Akteneinsicht im finanzgerichtlichen Verfahren in Pandemiezeiten
Entsprechend der Regelung in der Finanzgerichtsordnung (FGO) können die Beteiligten die Gerichtsakten und die dem Gericht vorgelegten Akten einsehen und sich durch die Geschäftsstelle auf ihre Kosten Kopien erteilen lassen. Die Akteneinsicht wird, wenn die Prozessakten in Papierform geführt werden, durch Einsichtnahme in die Akten in den Diensträumen gewährt. So die ausdrückliche Regelung in § 78 Abs. 3 Satz 1 FGO.
Diensträume in diesem Sinne sind nicht nur die Diensträume des Gerichts, sondern Räumlichkeiten, die vorübergehend oder dauernd dem öffentlichen Dienst zur Ausübung dienstlicher Tätigkeiten dienen und über die ein Träger öffentlicher Gewalt das Hausrecht ausübt. Die Kanzleiräume von Rechtsanwälten oder Steuerberatern sind hingegen keine Diensträume. Im Hinblick darauf, dass andere Prozessordnungen die grundsätzliche Möglichkeit eröffnen, neben einer Einsichtnahme in Diensträumen auch die Akten zur Einsicht in die Wohnung oder Geschäftsräume des Prozessbevollmächtigten zu übersenden, ist es als bewusste Entscheidung des Gesetzgebers zu werten, diese Weiterung für das finanzgerichtliche Verfahren gerade nicht zu übernehmen.
Insoweit kann man mit Hinblick auf die Pandemie auch nicht von einem Ausnahmefall sprechen, in dem die Akteneinsicht in Kanzleiräumen von Rechtsanwälten oder Steuerberatern zu gewähren wäre.
Tatsächlich schließt jedoch die Neufassung der FGO nicht jedwede Akteneinsicht außerhalb von Diensträumen aus. Vielmehr bleibt die Übersendung von Akten in die Geschäftsräume eines Prozessbevollmächtigten zum Zwecke der dortigen Einsichtnahme nach wie vor möglich. Sie ist allerdings nicht der Regelfall, sondern bleibt auf eng begrenzte Ausnahmefälle beschränkt.
Die Entscheidung, Akteneinsicht ausnahmsweise auch außerhalb von Diensträumen zu gewähren, ist eine nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilende Ermessensentscheidung. Dabei sind die für und gegen eine Aktenversendung sprechenden Interessen gegeneinander abzuwägen, d.h. das dienstliche Interesse an einem geordneten Geschäftsgang einerseits (beispielsweise Gefahr von Aktenverlusten bzw. -beschädigungen oder gar -manipulationen, Schutz von potenziellen Beweismitteln [wie z.B. Steuererklärungen mit Originalbelegen], jederzeitige Verfügbarkeit der Akten sowie Wahrung des Steuergeheimnisses gegenüber Dritten) mit dem Interesse an der Ersparnis von Zeit und Kosten im Falle der Gewährung der Akteneinsicht außerhalb von Diensträumen andererseits. Im Rahmen dieses Abwägungsprozesses ist der vom Gesetzgeber gesteckte Ermessensrahmen und hierbei insbesondere das Regel-Ausnahme-Verhältnis zwischen einer Akteneinsicht in und außerhalb von Diensträumen zu beachten.
Vor diesem Hintergrund kommt der Bundesfinanzhof in seinem Beschluss vom 18.3.2021 unter dem Aktenzeichen V B 25/2 20 zu dem Schluss, dass, wenn das Finanzgericht bei seiner Entscheidung die für die gegen eine Akteneinsicht in den Kanzleiräumen eines Steuerberaters oder Rechtsanwalt sprechenden Gründe hinreichend berücksichtigt und gegeneinander abgewogen hat, sich die Versagung der Akteneinsicht in Kanzleiräume auch unter Berücksichtigung der besonderen Pandemielage als ermessensfehlerfrei erweisen kann und dementsprechend nicht zu beanstanden ist.
2. Für alle Steuerpflichtigen: Pokerspielen als Gewerbebetrieb
Das erstinstanzliche Finanzgericht Münster kommt in seiner Entscheidung vom 10.3.2021 unter dem Aktenzeichen 11 K 3030/15 E, G zu dem Schluss, dass der dort klagende Steuerpflichtige mit dem Online-Pokerspielen Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielt und ebenso einen stehenden Gewerbebetrieb unterhält, weshalb auch Gewerbesteuer auf die Gewinne anfallen.
Da das Gericht schon in seinen Leitsätzen ausführt, dass die Grenzen zwischen der Ausübung eines Hobbys und einem berufsmäßigen Spiel fließend sind, lohnt es sich, einen genaueren Blick in die Urteilsbegründung und die Subsumtion der Entscheidung zu werfen. Immerhin bedeutet dies auch bei einer negativen Entscheidung des Gerichts nichts anderes, als dass auch eine positive Entscheidung möglich ist.
Zunächst ist daher einmal festzuhalten, dass ein Gewerbebetrieb eine selbstständige nachhaltige Betätigung ist, die mit der Absicht, Gewinn zu erzielen, unternommen wird und sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt, wenn sie weder als Ausübung von Land- und Forstwirtschaft noch als Ausübung eines freien Berufs noch als eine andere selbstständige Tätigkeit anzusehen ist. Vorliegend kann für den Pokerspieler schon einmal abgegrenzt werden, dass eine der anderen Einkunftsarten nicht gegeben ist. Ein Tatbestandsmerkmal ist also schon mal erfüllt.
Aus Sicht der Gewerbesteuer unterliegt jeder stehender Gewerbebetrieb auch der Besteuerung. Betroffen sind insoweit gewerbliche Unternehmen. Sowohl im Einkommensteuerrecht als auch im Gewerbesteuerrecht ist ein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal, dass die Betätigung (deutlich) über den Rahmen einer privaten Vermögensverwaltung hinausgehen muss, wie bereits der Große Senat des Bundesfinanzhofs in seinem Beschluss vom 25.6.1984 unter dem Aktenzeichen GrS 4/82 klargestellt hat. Ob dies auch hier erfüllt ist, sei an dieser Stelle noch nicht verraten. Als erstes soll ein Blick auf die vorrangigen und tatsächlich geschriebenen Tatbestandsmerkmale geworfen werden.
Zunächst einmal ist zu klären, ob die Teilnahme an Online-Pokerspielen eine Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr ist. Dieses Tatbestandsmerkmal verlangt, dass eine Tätigkeit am Markt gegen Entgelt und für Dritte äußerlich erkennbar angeboten wird. Die Tätigkeit des Steuerpflichtigen muss nach außen hin in Erscheinung treten und sich an eine Allgemeinheit wenden. Aus dem Gewerbebetrieb sollen solche Tätigkeiten ausgeklammert werden, die zwar in Gewinnerzielungsabsicht ausgeübt werden, aber nicht auf einen Leistungsaustausch gerichtet sind, wobei neben Sach- und Dienstleistungen auch geistige und andere immaterielle Leistungen Gegenstand einer gewerblichen Tätigkeit sein können.
Die Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr setzt dabei keinen Leistungs- oder Güteraustausch gegen festes Entgelt voraus. Vielmehr kann das Entgelt auch erfolgsabhängig bestimmt werden, wie der Bundesfinanzhof bereits in einer Entscheidung vom 7.11.2018 unter dem Aktenzeichen X R 34/16 herausgearbeitet hat.
Weiterhin fraglich ist in diesem Zusammenhang, ob es sich bei dem Pokerspiel in der vom Kläger gespielten Variante "Texas hold'em" um ein Geschicklichkeitsspiel oder um ein Glücksspiel handelt. Für die steuerrechtliche Beurteilung von Spielgewinnen bzw. Preisgeldern ist es nämlich höchstrichterlich vollkommen unstrittig anerkannt, dass bei einem Glücksspiel keine Einkünfte aus Gewerbebetrieb vorliegen, da es mangels Verknüpfung von Leistung und Gegenleistung schon an einer Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr fehlt. So hat bereits der Bundesfinanzhof in einer Entscheidung vom 16.9.2015 unter dem Aktenzeichen X R 43/12 klargestellt, dass bei einem Glücksspiel weder die Spieltätigkeit noch der Spieleinsatz Leistungen darstellen, die durch den Spielgewinn vergütet werden.
Das Pokerspiel in der Variante Texas hold'em gehört dabei zu den sogenannten gemischten Spielen. Anders als beispielsweise bei Lotterien hängt der Ausgang des Pokerspiels nicht allein vom Zufall (also der Kartenausgabe), sondern auch von der Geschicklichkeit, also insbesondere den Fähigkeiten und Fertigkeiten, der Spieler ab. Zufalls- und Geschicklichkeitsfaktoren bedingen sich beim Pokerspiel insoweit gegenseitig. Folglich kommen die erstinstanzlichen Richter zu dem Schluss, dass das Pokerspiel in der Variante Texas hold'em steuerlich nicht als Glücksspiel einzuordnen ist.
Summa summarum gelangen die erstinstanzlichen Richter insoweit mit Blick auf das Tatbestandsmerkmal der Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr zu dem Ergebnis, dass eine solche Teilnahme durch das Online-Pokerspielen tatsächlich gegeben ist. Argumentativ hat das erstinstanzliche Gericht insoweit noch eine ganze Reihe weiterer Argumente und Verweise vorgebracht, auf welche an dieser Stelle lediglich verwiesen werden soll.
Viel entscheidender scheint jedoch, ob auch die sonstigen Tatbestandsmerkmale tatsächlich gegeben sind. So stellt sich schon die Frage nach der selbstständigen Tätigkeit, welche in der Regel dadurch gekennzeichnet ist, dass sie auf eigene Rechnung (Unternehmerrisiko) und in eigener Verantwortung (Unternehmerinitiative) ausgeübt wird. Auch dies sieht das erkennende Gericht im vorliegenden Fall als gegeben an, denn der Kläger hat seine Teilnahme an den Pokerspielen autonom bestimmt. Er unterlag auch hinsichtlich des Orts, der Zeit und dem Inhalt seiner Betätigung keiner Weisungsabhängigkeit und konnte die Organisation und Durchführung seiner Spiele frei bestimmen. Eine selbstständige Tätigkeit wird daher seitens des Gerichts ebenfalls bejaht.
Auch die Gewinnerzielungsabsicht sehen die Richter vorliegend als gegeben an. Gewinnerzielungsabsicht ist das Streben nach Betriebsvermögensmehrung in Gestalt eines Totalgewinns. Angestrebt werden muss ein positives Ergebnis zwischen Betriebsgründung und Betriebsbeendigung. Definitiv folgt die Gewinnerzielungsabsicht jedoch nicht schon daraus, dass bei einem Pokerspiel grundsätzlich jeder gewinnen möchte, sondern vielmehr daraus, dass der Kläger über eine gewisse Dauer hinweg die Tätigkeit ausführt, dadurch Gewinne erzielt und zumindest mit dem ausreichenden Nebenzweck der durchweg vorteilhaften weiteren Gewinnerzielung fortgeführt hat.
Besonderer Hinweis an dieser Stelle für den streitgegenständlichen Sachverhalt: Anhaltspunkte, die das Indiz der tatsächlichen Gewinnerzielungsabsicht widerlegen, waren dem Senat schon deshalb nicht erkennbar, weil im ersten Streitjahr bereits Gewinne von über 80.000 Euro erzielt wurden und in den vier weiteren Jahren sogar Gewinne von nahezu 2 Millionen eingestrichen wurden.
Last but not least hat der erkennende Senat des Finanzgerichts Münster auch noch das ungeschriebene Tatbestandsmerkmal, wonach die Betätigung den Rahmen der privaten Vermögensverwaltung überschritten haben muss, ausführlich geprüft. Insoweit erkennen die Richter bereits in der Art und Weise, wie der Kläger bei den Online-Pokerspielen agiert hat, eine planmäßige Tätigkeit, die strukturell gewerbliche Aspekte aufweist.
Im Ergebnis kommen die Richter zu dem Schluss, dass vorliegend Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielt werden.
Hinweis:
Der Steuerpflichtige „pokert“ an dieser Stelle jedoch weiter und hat die Revision beim Bundesfinanzhof eingelegt. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache war das erstinstanzliche Gericht nämlich gezwungen, auch diese zuzulassen.
Unter dem Aktenzeichen X R 8/21 müssen dabei die obersten Finanzrichter der Republik die folgenden Rechtsfragen „auswürfeln“:
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Handelt es sich bei dem Online-Pokerspiel in der vom Kläger --neben dem Studium-- gespielten Variante "Texas Hold’em" um ein das Tatbestandsmerkmal "Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr" ausschließendes Glücksspiel oder um ein Geschicklichkeitsspiel?
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Ob und ggf. ab wann wird das --bei den Spielern regelmäßig zum Bereich der Hobbyausübung gehörende-- Online-Pokerspielen "berufsmäßig" ausgeübt?
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Sind die Online-Pokergewinne, soweit sie keine Einkünfte aus Gewerbebetrieb darstellen, als sonstige Einkünfte gemäß § 22 Nr. 3 EStG zu qualifizieren?
Tipp:
Ob jedoch auch nach Auffassung des erstinstanzlichen Finanzgerichts tatsächlich sämtliche Pokergewinne im Rahmen eines Gewerbebetriebs realisiert werden, muss unseres Erachtens verneint werden. Insoweit kommt es sicherlich immer auf den Einzelfall an und es müssen ebenso immer sämtliche Tatbestandsmerkmale durchgeprüft werden. Die Urteilsbegründung des Finanzgerichts Münster kann insoweit auch wertvolle Anhaltspunkte dafür geben, eine gewerbliche Tätigkeit zu verneinen.
3. Für Vermieter: Vorsteuerabzug aus Heizungserneuerung trotz steuerfreier Wohnungsvermietung?
Die Frage des Vorsteuerabzugs richtet sich regelmäßig danach, ob der Unternehmer auch steuerpflichtige Ausgangsleistungen erbringt. Insoweit können Vermieter, die ausschließlich Wohnungen vermieten, regelmäßig keine Vorsteuer in Anspruch nehmen. Fraglich ist jedoch, ob diese Regelung auch auf die Energielieferungen, die ein Wohnungsvermieter an seine Wohnungsmieter erbringt, zutreffen. Insoweit muss im Wesentlichen geklärt werden, ob die Energielieferung eine eigenständige Lieferung ist, die dann auch mangels Steuerbefreiung der Umsatzsteuer unterliegen würde und somit auf der Eingangsseite beim Vermieter zum Vorsteuerabzug berechtigt. Sofern es sich hingegen um eine unselbstständige Nebenleistung zur Vermietungsleistung handelt, wäre auch diese Energielieferung steuerfrei und ein Vorsteuerabzug, etwa aus dem Neubau, der Wartung oder Reparaturen der Heizung oder der Warmwasseranlage wären nicht abzugsfähig.
Vor diesem Hintergrund hat das erstinstanzliche Finanzgericht Münster in seiner Entscheidung vom 6.4.2021 unter dem Aktenzeichen 5 K 3866/18 U klargestellt, dass der Vorsteuerabzug durchaus infrage kommt, da der Vermieter im Hinblick auf die Energielieferungen keine steuerfreien Umsätze erbringt. Die Energielieferungen unterliegen keiner Umsatzsteuerbefreiung und sind daher zumindest in dem entschiedenen Streitfall von der steuerfreien Vermietungsleistung zu trennen.
Tatsächlich hat bereits der Europäische Gerichtshof in seiner Entscheidung vom 16.4.2015 unter dem Aktenzeichen C-42/14 klargestellt, dass im Hinblick auf die Mehrwertsteuer in der Regel jede Leistung als eigene und selbstständige Leistung zu betrachten ist. Natürlich gibt es davon auch Ausnahmen. So sind nach der Rechtsprechung mehrere formal eigenständige Leistungen, die getrennt erbracht werden und damit jede für sich zu einer Besteuerung oder Befreiung führen könnten, unter bestimmten Umständen als einheitlicher Umsatz anzusehen, wenn sie nicht voneinander unabhängig sind. Ein einheitlicher Umsatz liegt insoweit nämlich vor, wenn die Leistung des Steuerpflichtigen aus zwei oder mehreren Elementen oder Handlungen besteht, die so eng miteinander verbunden sind, dass sie objektiv eine einzige untrennbare wirtschaftliche Leistung bilden, deren Aufspaltung wirklichkeitsfremd wäre. Dies ist auch dann der Fall, wenn eine oder mehrere Leistungen die Hauptleistung und die anderen Leistungen Nebenleistungen darstellen, die steuerlich ebenso zu behandeln sind wie die Hauptleistung. So auch bereits der Europäische Gerichtshof in einer Entscheidung vom 17.1.2013 unter dem Aktenzeichen C-224/11.
Eine Leistung ist insbesondere dann als Nebenleistung zu einer Hauptleistung anzusehen, wenn sie für den Kunden keinen eigenen Zweck, sondern das Mittel darstellt, um die Hauptleistung des Leistungserbringers unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen. So auch wiederum bereits der Europäische Gerichtshof mit Urteil vom 27.9.2012 unter dem Aktenzeichen C-392/11.
Auf Basis dieser grundsätzlichen Einordnung kommt nun das erstinstanzliche Finanzgericht Münster in der oben bereits zitierten Entscheidung zu dem Schluss, dass im Streitfall getrennte Leistungen gegeben sind. Insoweit erkennt das Gericht einerseits steuerfreie Vermietungsleistungen und andererseits steuerpflichtige Energielieferungen des Vermieters an den Mieter.
Zum konkreten Einzelfall führen die erstinstanzlichen Richter weiterhin aus, dass allein der Umstand, dass getrennte, voneinander unabhängige Leistung vorliegen, obwohl die Energielieferungen zunächst erst die Vermietung der Räumlichkeiten voraussetzen, auch dadurch deutlich wird, dass der Vermieter im Hinblick auf einen vorhandenen Bungalow ausschließlich eine Vermietungsleistung erbringt, ohne gleichzeitig auch Energieleistungen durchzuführen. Schon darin manifestiert sich, dass zwei unterschiedliche, getrennt voneinander zu behandelnden Leistungen gegeben sind.
Der Umstand, dass regelmäßig der Vermieter den Energieversorger auswählt und die Mieter an diese Auswahl gebunden sind, macht die Leistung ebenfalls nicht unselbstständig, so das Gericht.
Vor diesem Hintergrund erlaubt daher das erstinstanzliche Gericht den Vorsteuerabzug aus dem Neubau einer Heizungs- und Warmwasseranlage, da diese in den Ausgangsleistungen dafür genutzt wird, steuerpflichtige Energielieferungen an die Mieter zu erbringen.
Hinweis:
Abschließend geklärt ist die Streitfrage damit jedoch noch nicht. Die Finanzverwaltung hat gegen die erstinstanzliche Entscheidung die Revision beim Bundesfinanzhof in München eingelegt. Dieser wird folglich unter dem Aktenzeichen V R 15/21 noch zu klären haben, ob die Energielieferungen tatsächlich als selbstständig zu betrachten sind und dementsprechend der Umsatzsteuer unterworfen werden müssen. Wird dies seitens der obersten Finanzrichter der Republik bejaht, können auch auf der Eingangsseite insoweit hinsichtlich des Neubaus einer Heizungsanlage oder Ähnlichem Vorsteuern gezogen werden.
Betroffenen sei geraten, sich an das Verfahren anzuhängen und den eigenen Steuerfall offen zu halten, damit die Vorsteuer dann noch vom Finanzamt erstattet werden kann.
4. Für Unternehmer: (Keine) Pauschalierung der Einkommensteuer bei Sachzuwendungen
Ausweislich der gesetzlichen Regelung in § 37 b Abs. 1 Satz 1 Nummer 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) können alle innerhalb eines Wirtschaftsjahres gewährten betrieblich veranlassten Zuwendungen, die zusätzlich zur ohnehin vereinbarten Leistung oder Gegenleistung erbracht werden und nicht in Geld bestehen, einheitlich mit einem Pauschalsteuersatz von 30 % versteuert werden.
Wie nun jedoch das erstinstanzliche Finanzgericht Baden-Württemberg in seiner Entscheidung vom 19.4.2021 unter dem Aktenzeichen 10 K 577/21 klarstellt, erfasst die Pauschalierung aber nicht alle Zuwendungen schlechthin. Es kann also nach dem Willen der Finanzverwaltung nicht alles der Pauschlasteuer unterworfen werden. Insoweit beschränkt sich die Regelung des § 37 b EStG nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs vielmehr auf Zuwendungen, die bei den Zuwendungsempfängern zu einkommensteuerpflichtigen Einkünften führen. Definitiv begründet die Regelung keine weitere eigenständige Einkunftsart und keinen sonstigen originären Einkommensteuertatbestand, sondern stellt lediglich eine besondere pauschalierende Erhebungsform der Einkommensteuer zur Wahl. Dies folgt aus dem Wortlaut der Regelung sowie aus rechtssystematischen Gründen und aus der Einordnung des § 37 b EStG in das Gesamtgefüge des Einkommensteuergesetzes. Etwas Gegenteiliges ergibt sich zudem weder aus der Entstehungsgeschichte noch aus den Gesetzesmaterialien zur Regelung.
Darüber hinaus setzt die Regelung ausdrücklich die betriebliche Veranlassung der Zuwendungen voraus und fordert weiterhin, dass diese Zuwendungen zusätzlich zur ohnehin vereinbarten Leistung oder Gegenleistung des Steuerpflichtigen erbracht werden. Diese Voraussetzungen schränken den Anwendungsbereich der Pauschalierungsnorm weiter ein. Der Tatbestand erfasst im Ergebnis nicht sämtliche unabhängig von einem bestehenden Leistungsaustausch erbrachten Zuwendungen, sondern nur solche, die ergänzend zu einem Leistungsaustausch zwischen Steuerpflichtigem und Zuwendungsempfänger hinzutreten, in dem die Zuwendungen zwar nicht geschuldet, aber durch den Leistungsaustausch veranlasst sind.
Dass die Zuwendung des Steuerpflichtigen zu einer Leistung eines Dritten an den Zuwendungsempfänger hinzutritt, reicht deshalb nicht aus. Erforderlich ist vielmehr, dass zwischen dem Zuwendenden und dem Leistungsempfänger eine Leistung oder Gegenleistung (quasi ein Grundgeschäft) vereinbart ist und die Zuwendung zusätzlich, dass heißt freiwillig zur geschuldeten Leistung oder Gegenleistung, hinzukommt.
Zuwendungen, die etwa zur Anbahnung eines Vertragsverhältnisses erbracht werden, sind mangels einer zu diesem Zeitpunkt ohnehin schon vereinbarten Leistung oder Gegenleistung nicht in den Anwendungsbereich des § 37 b Abs. 1 Satz 1 Nummer 1 EStG einbezogen. So auch bereits der Bundesfinanzhof in seiner Entscheidung vom 12.12.2013 unter dem Aktenzeichen VI R 47/12.
Insbesondere mit Blick auf die vorgenannte Einordnung der Rechtslage kommt das erkennende Finanzgericht Baden-Württemberg mit Blick auf die streitgegenständlichen Sachzuwendungen eines Kreditinstituts an Privatkunden zur Ermöglichung einer besseren Anlageberatung bzw. künftigen Vermittlung von Kapitalanlagen zu dem Schluss, dass eine Pauschalierung hier nicht greift.
Konkret äußert sich das Finanzgericht in seinem Leitsatz wie folgt: Lädt ein Kreditinstitut zu Werbezwecken gehobene Privatkunden zu Veranstaltungen ein (z. B. Schifffahrt mit Menü und Weinprobe; Golfturnier) und hängen diese Werbemaßnahmen nach dem Gesamtbild der Umstände nicht mit einer konkreten Kapitalanlage zusammen (z. B. mit Festgeldern und Sparbüchern der Privatkunden bei dem Kreditinstitut), sondern sollen sie lediglich die Möglichkeit schaffen, diese Privatkunden persönlich näher kennenzulernen und dadurch später besser in eine Anlageberatung einzutreten und Kapitalanlagen (z. B. Wertpapier- und Aktiendepots, Bauspar- und Versicherungsverträge) vermitteln zu können, so führen die Sachzuwendungen bei den Privatkunden nicht zu steuerpflichtigen Kapitalerträgen und unterliegen bei dem Kreditinstitut nicht der Pauschalierung nach § 37b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG und § 37b Abs. 1 Satz 2 EStG.
Tipp:
Auch wenn vorliegend der Sachverhalt etwas speziell ist, weil es sich um ein Kreditinstitut handelt, welches mit sehr teuren Werbemaßnahmen Sachzuwendungen erbracht hat, sollte dies nicht davon abhalten, den Sachverhalt und insbesondere auch den Tenor der Entscheidung auch auf andere Steuerstreitigkeiten zu übertragen. Wer daher mit der Finanzverwaltung ein ähnliches Problem hat, sollte sich die Argumentation des Finanzgerichts Baden-Württemberg zu eigen machen. Der Urteilsbegründung können zahlreiche gute Argumente entnommen werden.
Hinweis:
Leider ist mit der vorgenannten Entscheidung jedoch noch keine abschließende Klärung erfolgt. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache und natürlich zur Fortbildung des Rechts hat das Finanzgericht Baden-Württemberg die Revision zum Bundesfinanzhof zugelassen.
Mittlerweile ist die Revision der Finanzverwaltung auch unter dem Aktenzeichen VI R 10/21 in München anhängig. Insoweit werden Betroffene gezwungen sein, sich nicht nur die Argumentation des erstinstanzlichen Gerichtes zu eigen zu machen, sondern müssen sich wohl im Weiteren auch auf das anhängige Musterverfahren berufen und dementsprechend die eigene Verfahrensruhe beantragen. Aus unserer Sicht stehen die Chancen jedoch nicht schlecht, dass mit einem positiven Urteil gerechnet werden kann.
5. Für Eltern: Zum Abzug von Kinderbetreuungskosten im Zusammenhang mit steuerfrei gezahlten Arbeitgeberzuschüssen
Der im Folgenden behandelte Beschluss des Bundesfinanzhofs vom 14.4.2021 unter dem Aktenzeichen III R 30/20 betrifft insbesondere alle Eltern, die Kindergartenbeiträge zahlen und dazu steuerfreie Arbeitgeberzuschüsse erhalten. Insoweit stellt sich nämlich die streitgegenständliche Frage, ob die als Sonderausgaben abziehbaren Kinderbetreuungskosten um die steuerfreien Arbeitgeberzuschüsse zu kürzen sind.
Zunächst einmal eine generelle Einordnung: Ausweislich der gesetzlichen Regelung in § 10 Abs. 1 Nummer 5 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) sind als Sonderausgaben zwei Drittel der Aufwendungen, höchstens allerdings 4.000 Euro je Kind, für Dienstleistungen zur Betreuung eines zum Haushalt des Steuerpflichtigen gehörenden Kindes im Sinne des § 32 Abs. 1 EStG, welches das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, abziehbar. So im Wesentlichen die Regelung im Gesetz.
Der Bundesfinanzhof vertritt dabei im vorliegenden Beschluss die Auffassung, dass aus der Verwendung des Begriffs „Aufwendungen“ und dem Zweck der gesetzlichen Vorschrift schon bestimmt wird, dass nur solche Ausgaben als Sonderausgaben berücksichtigt werden dürfen, durch die der Steuerpflichtige tatsächlich und endgültig wirtschaftlich belastet ist.
Grundsätzlich ist es zwar ohne Bedeutung, woher der Steuerpflichtige das Geld für die Beiträge für die Leistung von Sonderausgaben genommen hat, ob aus dem Stamm seines Vermögens, ob aus laufenden Bezügen oder aus anderen Mitteln. Das gilt aber nicht, wenn ihm Zuwendungen von seinem Arbeitgeber gewährt worden sind, die den gezielten Zweck haben, um von dem Arbeitnehmer zur Erbringung der dem Grunde nach als Sonderausgaben abzugsfähigen Leistung verwendet zu werden. In einer sehr alten Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 13.8.1971 unter dem Aktenzeichen VI R 171/68 hat die Rechtsprechung schon einmal diese These entwickelt. Folglich betreten die Richter kein wirkliches Neuland und es macht insoweit für sie wirtschaftlich keinen Unterschied, ob der Arbeitgeber die Beträge für den Arbeitnehmer beispielsweise an die Betreuungseinrichtungen entrichtet, ob er ihm die Beiträge ersetzt oder ob er ihm vor der Leistung zweckgebundene steuerfreie Leistungen gewährt. In allen drei Fällen ist das wirtschaftliche Ergebnis das Gleiche: Der Steuerpflichtige wird durch die Beiträge in dem Umfang nicht belastet, die der Arbeitgeber hierfür durch einen zweckgebundenen Zuschuss gewährt. Im vorliegenden Fall dienten die steuerfreien Leistungen nach § 3 Nummer 33 EStG genau dem Zweck, die wirtschaftliche Belastung durch die Kinderbetreuungskosten zu mindern.
Die Anrechnung der steuerfreien Leistungen auf die Sonderausgaben entspricht daher auch dem Gesetzeszweck. Darüber hinaus geht es bei denen nach § 3 Nummer 33 des Einkommensteuergesetzes zusätzlich zum Arbeitslohn erbrachten Leistungen nicht um Leistungen, die der freien Disposition des Empfängers überlassen werden. Vielmehr handelt es sich um eine zweckgebundene steuerbare Leistung, die nur dann steuerfrei belassen wird, wenn sie für den im Gesetz benannten Zweck „Unterbringung und Betreuung von nicht schulpflichtigen Kindern der Arbeitnehmer in Kindergärten oder vergleichbaren Einrichtungen“ verwendet wird. Soweit eine steuerfreie Leistung durch den Arbeitgeber erfolgt, stellt die Zahlung nach ihrem wirtschaftlichen Gehalt eine den Sonderausgabenabzug mindernde Erstattung der nach § 10 Abs. 1 Nummer 5 EStG genannten Aufwendungen dar, weil diese nur bei tatsächlich geleisteten Kinderbetreuungskosten erfolgen kann und im Ergebnis den Aufwand des Steuerpflichtigen und damit dessen wirtschaftliche Belastung reduziert. Damit werden nach Auffassung der obersten Finanzrichter der Republik auch unberechtigte Doppelbegünstigung ausgeschlossen.
Gerade weil der Sonderausgabenabzug schon nach seinem Gesetzeswortlaut „Aufwendungen“ und damit eine wirtschaftliche Belastung voraussetzt, bedarf es auch keiner besonderen Regelung. Der Gesetzgeber hat bewusst darauf verzichtet, ein Abzugsverbot generell auch auf Sonderausgaben zu erstrecken, obwohl der zugrunde liegende Rechtsgedanke, nämlich einen doppelten Steuervorteil zu vermeiden, auch bei Sonderausgaben gelten soll. Er hat vielmehr über den Begriff der „Aufwendungen“ und der damit verbundenen wirtschaftlichen Belastung die Beschränkung des Sonderausgabenabzugs selbst geregelt, um so letztlich auch Doppelbegünstigungen zu vermeiden. Soweit daher aus dem Fehlen vergleichbarer Vorschriften der Schluss gezogen wird, dass die Verwendung steuerfreier Einnahmen dem Sonderausgabenabzug nicht entgegensteht, gilt dies jedenfalls dann nicht, wenn die steuerfreien Einnahmen gerade für die den geltend gemachten Sonderausgaben zugrunde liegenden Ausgaben bestimmt waren.
Entgegen der Ansicht der Kläger führt die Kürzung der Sonderausgaben um die steuerfreien Arbeitgeberleistungen auch nicht zu einer Verletzung des Art. 6 des Grundgesetzes (GG). Diese leiten die Kläger argumentativ daraus ab, dass es für nicht verheiratete Eltern einfach sei, durch eine wirtschaftliche Zuordnung der geleisteten Kinderbetreuungskosten die Kürzung der Sonderausgaben zu vermeiden, da es bei den steuerfreien Zuschüssen des Arbeitgebers (§ 3 Nr. 33 EStG) nach R 3.33 Abs. 1 Satz 2 der Lohnsteuer-Richtlinien (LStR) nicht darauf ankomme, welcher Elternteil die Kinderbetreuungskosten gezahlt habe.
Hieraus ergibt sich jedoch weder eine Ungleichbehandlung noch eine Verletzung des Art. 6 GG, da Unverheiratete nicht bessergestellt werden als Verheiratete. Soweit in R 3.33 Abs. 1 Satz 2 LStR die Arbeitgeberleistungen nach § 3 Nr. 33 EStG auch dann als steuerfrei angesehen werden, wenn der nicht beim Arbeitgeber beschäftigte Elternteil die Aufwendungen trägt, gilt dies sowohl für verheiratete als auch für unverheiratete Elternteile. Allerdings setzt die Steuerfreiheit in beiden Konstellationen voraus, dass der Arbeitgeberzuschuss zweckentsprechend verwendet wird (so auch R 3.33 Abs. 4 Satz 2 LStR). Dies ist nur dann der Fall, wenn der Arbeitgeberzuschuss tatsächlich für die Betreuungskosten verwendet wird. Das setzt auch bei Unverheirateten voraus, dass zwischen den Elternteilen ein wie auch immer gearteter Ausgleich stattfindet, damit die zweckentsprechende Verwendung gewährleistet ist und die Steuerfreiheit in Anspruch genommen werden kann. Steht fest, dass der Arbeitgeberzuschuss für die Betreuungskosten zweckentsprechend verwendet wurde, dann schließt dies zwangsläufig „Aufwendungen“ i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG des zahlenden (unverheirateten) Elternteils in Höhe des steuerfreien Zuschusses und damit den Sonderausgabenabzug aus. Eine Doppelbegünstigung wird somit sowohl bei unverheirateten als auch bei verheirateten Elternteilen ausgeschlossen.
Im Ergebnis bleibt daher festzuhalten, dass als Sonderausgaben abziehbare Kinderbetreuungskosten um steuerfreie Arbeitgeberschüsse zu kürzen sind. Der Abzug von Sonderausgaben setzt insoweit voraus, dass Aufwendungen vorhanden sind, durch die der Steuerpflichtige tatsächlich und endgültig wirtschaftlich belastet wird. Durch Kinderbetreuungskosten wird der Steuerpflichtige in dem Umfang nicht belastet, in dem der Arbeitgeber hierfür durch eine zweckgebunden Zuschuss Leistungen gewährt.
6. Für Immobilieneigentümer: Geschäftsveräußerung bei Erwerb eines vom Veräußerer zunächst gepachteten und teilweise untervermieteten Grundstücks
Mit Urteil vom 3.7.2014 hat der Bundesfinanzhof unter dem Aktenzeichen V R 12/13 entschieden, dass eine Geschäftsveräußerung im Ganzen entsprechend der Regelung des § 1 Absatz 1a Umsatzsteuergesetz (UStG) nicht vorliegt, wenn der Veräußerer eines vermieteten Grundstücks seine Vermietungstätigkeit nach der Grundstücksübertragung unverändert fortsetzt, indem er nicht mehr als Eigentümer, sondern als Zwischenmieter vermietet. In diesem Fall fehlt es schlichtweg an der Übertragung des Vermietungsunternehmens, weshalb eine nicht steuerbare Geschäftsveräußerung im Ganzen nicht gegeben sein kann.
Davon zu unterscheiden ist nun der aktuelle Fall hinter dem Urteil des BFH vom 24.2.2021 unter dem Aktenzeichen XI R 8/19. Im hier vorliegenden Sachverhalt hatte der Eigentümer das Grundstück an den Kläger vermietet. Dieser hat wiederum an Dritte (als Zwischenvermieter) das Grundstück vermietet. Schließlich wurde das Grundstück an den Kläger verkauft. Dabei ging natürlich das bisherige Mietverhältnis zwischen dem Veräußerer und dem Kläger unter. Das Vermietungsunternehmen hingegen war auf den Kläger übergegangen, weshalb insoweit auch eine Geschäftsveräußerung im Ganzen infrage kam. Der Fall ist umgekehrt zu dem älteren Sachverhalt.
Zum Hintergrund: Nach § 1 Abs. 1a Satz UStG unterliegen die Umsätze im Rahmen einer Geschäftsveräußerung an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen nicht der Umsatzsteuer. In diesem Fall tritt der erwerbende Unternehmer an die Stelle des Veräußerers.
Voraussetzung für die Geschäftsveräußerung ist, dass ein Unternehmer oder ein in der Gliederung eines Unternehmens gesondert geführter Betrieb im Ganzen entgeltlich oder unentgeltlich übereignet oder in eine Gesellschaft eingebracht wird. Der Tatbestand der Geschäftsveräußerung erfasst dabei auch die Übertragung von Geschäftsbetrieben und von selbstständigen Unternehmensteilen, die als Zusammenfassung materieller und immaterieller Bestandteile eines Unternehmens oder einen Unternehmensteil bilden, mit dem eine selbstständige wirtschaftliche Tätigkeit fortgeführt werden kann. Insoweit kann eine Geschäftsveräußerung im Ganzen auch bei Übertragung eines Gegenstandes erfüllt sein, wenn dieser Gegenstand eben die unternehmerische Tätigkeit ausmacht. So bereits der Bundesfinanzhof in seiner Entscheidung vom 4.9.2008 unter dem Aktenzeichen V R 23/06.
Der Erwerber muss außerdem beabsichtigen, den übertragenen Geschäftsbetrieb oder Unternehmensteil zu betreiben. Nicht begünstigt ist die sofortige Abwicklung der übernommenen Geschäftstätigkeit. Der Erwerber darf aber den von ihm erworbenen Geschäftsbetrieb beispielsweise aus betriebswirtschaftlichen oder kaufmännischen Gründen in seinem Zuschnitt ändern und modernisieren.
Ob das übertragene Unternehmensvermögen als hinreichendes Ganzes die Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit ermöglicht und ob die vor und nach der Übertragung ausgeübten Tätigkeiten übereinstimmen oder sich hinreichend ähneln, ist von den nationalen Gerichten im Rahmen einer Gesamtwürdigung zu entscheiden. Dabei ist der Art der wirtschaftlichen Tätigkeit, deren Fortführung geplant ist, besondere Bedeutung zuzumessen.
Nach diesen Grundsätzen kommt der Bundesfinanzhof in seiner Entscheidung vom 24.2.2021 zu dem Schluss, dass eine (partielle) Geschäftsveräußerung im Ganzen auch dann vorliegt, soweit der Erwerber das zunächst vom Veräußerer gepachtete (teilweise eigenbetrieblich genutzte und teilweise untervermieteten) Grundstück nach dem Erwerb weiterhin teilweise vermietet. Insoweit ist das Vermietungsunternehmen auf ihn übergegangen und mit Blick auf den vermieteten Teil liegt auch eine Geschäftsveräußerung im Ganzen vor.
7. Für Immobilien-Veräußerer: Berechnung der 10-Jahres-Frist beim privaten Veräußerungsgeschäft
Entsprechend der gesetzlichen Regelung in § 22 Nummer 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zählen zu den sonstigen Einkünften auch Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften, welche wiederum selbst in § 23 EStG geregelt sind. Dazu gehören unter anderem Veräußerungsgeschäfte bei Grundstücken, bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als zehn Jahre beträgt. Dem Urteil des Bundesfinanzhofs vom 25.3.2021 unter dem Aktenzeichen IX R 10/20 lag nun die Streitfrage zugrunde, auf welches Ereignis für die Berechnung der 10-Jahres-Frist beim privaten Veräußerungsgeschäft abzustellen ist.
Nach der ständigen Rechtsprechung sind für die Berechnung des Zeitraums zwischen Anschaffung und Veräußerung grundsätzlich die Zeitpunkte maßgebend, in denen die obligatorischen Verträge abgeschlossen wurden. So insbesondere auch zu entnehmen der Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 10.12.2015 unter dem Aktenzeichen IX R 23/13.
Mit Blick auf den Zweck der Regelung des privaten Veräußerungsgeschäftes für Grundstücke, innerhalb der Veräußerungsfrist realisierte Werterhöhungen eines bestimmten Wirtschaftsguts im Privatvermögen der Einkommensteuer zu unterwerfen, kann von einer rechtsgeschäftlichen „Anschaffung“ oder „Veräußerung“ nur gesprochen werden, wenn die Vertragserklärungen beider Vertragspartner innerhalb der Veräußerungsfrist bindend abgegeben worden sind.
Eine „Veräußerung“ in diesem Sinne liegt daher vor, wenn die rechtsgeschäftlichen Erklärungen beider Vertragspartner innerhalb der Veräußerungsfrist übereinstimmend abgegeben werden. Denn mit der beiderseitigen übereinstimmenden Willenserklärung wird der Vertragsschluss für die Vertragspartner zivilrechtlich bindend. Damit sind, entsprechend dem Zweck des privaten Veräußerungsgeschäftes, die Voraussetzungen für die Realisierung der Wertsteigerung verbindlich eingetreten, wie auch bereits der Bundesfinanzhof in einem Urteil vom 2.2.1982 unter dem Aktenzeichen VIII R 59/81 in anderer Sache herausgearbeitet hat.
Vorgenannte Grundsätze gelten dabei auch für Immobilien in Sanierungsgebieten. Entsprechend der Vorschrift des § 144 Abs. 2 Nummer 1 des Baugesetzbuches bedarf die rechtsgeschäftliche Veräußerung eines Grundstücks in einem förmlich festgelegten Sanierungsgebiet der schriftlichen Genehmigung der Gemeinde. Gleiches gilt für einen schuldrechtlichen Vertrag, durch den eine Verpflichtung zur Veräußerung eines Grundstücks begründet wird. Ist der schuldrechtliche Vertrag genehmigt worden, gilt auch das in Ausführung dieses Vertrags vorgenommene dingliche Rechtsgeschäft als genehmigt. § 144 des Baugesetzbuches normiert damit einen umfassenden Genehmigungsvorbehalt für rechtsgeschäftliche Grundstücksübertragungsgeschäfte in Sanierungsgebieten.
Das Fehlen einer entsprechend erforderlichen Genehmigung macht daher sowohl das schuldrechtliche Verpflichtungsgeschäft als auch das dingliche Verfügungsgeschäft schwebend unwirksam. Die Vertragsparteien sind zwar mit Abschluss des rechtsgeschäftlichen Grundstücksveräußerungsvertrages an ihre Willenserklärung gebunden, es bestehen aber noch keine Erfüllungsansprüche. Mit der Erteilung der Genehmigung wird das Rechtsgeschäft schließlich rückwirkend wirksam, mit der rechtskräftigen Verweigerung der Genehmigung endgültig unwirksam.
Die Bindungswirkung eines innerhalb der Haltefrist des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG abgeschlossenen, wegen des Fehlens einer öffentlich-rechtlichen Genehmigung (noch) schwebend unwirksamen Vertrags kann jedoch ausreichen, um die Rechtsfolgen eines privaten Veräußerungsgeschäfts eintreten zu lassen. Haben sich die Parteien bereits vor Erteilung der öffentlich-rechtlichen Genehmigung auf die Vertragsinhalte geeinigt und sich mithin dergestalt gebunden, dass sich keine Partei mehr einseitig vom Vertrag lösen kann, sind die Voraussetzungen für die Annahme eines Anschaffungs- oder Veräußerungsgeschäfts innerhalb der Zehn-Jahres-Frist erfüllt.
Denn die in § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG verwendeten Begriffe „Anschaffung“ und „Veräußerung“ verdeutlichen, dass die Wirksamkeit des Vertrags nicht zwingend schon bei dessen Abschluss gegeben sein muss. Bezieht sich die Genehmigung Dritter nicht auf die inhaltliche Ausgestaltung des Vertrags oder die Wirksamkeit der Willenserklärungen, verfolgt sie vielmehr Zwecke, die außerhalb des Vertrags liegen, und auf die die Vertragsbeteiligten keinen Einfluss haben, hat sie auf die zivilrechtlich entstandene - und von den Vertragsbeteiligten auch gewollte - Bindungswirkung keinen Einfluss. So verhält es sich bei der Genehmigung nach § 144 BauGB. Diese Regelung bezweckt mit dem behördlichen Genehmigungsvorbehalt, Rechtsgeschäfte, die sich erschwerend auf den Ablauf der Sanierung auswirken können, zu verhindern.
Erforderlich ist danach eine beiderseitige Bindung der Vertragsbeteiligten. Eine bloß einseitige Bindung durch ein einseitiges Angebot, einen Kauf auf Probe oder die Möglichkeit einer Partei, sich durch Versagung der Genehmigung nach Abschluss des Vertrages durch einen Vertreter ohne Vertretungsmacht jederzeit wieder vom Vertrag lösen zu können, reicht insoweit nicht aus. Denn in den genannten Fällen der einseitigen Bindung können die Beteiligten nicht sicher von der Realisierung des Grundstückswerts ausgehen, solange es einer Partei freisteht, ob sie das Geschäft zustande kommen lassen will oder nicht. In diesen Fällen ist der Vertrag bindend erst dann geschlossen, wenn das Angebot angenommen wird, der Kaufgegenstand die Billigung des Probenkäufers findet oder vom Vertretenen genehmigt wird.
Anders ist dies hingegen, wenn das Erstarken eines schwebend unwirksamen Rechtsgeschäfts zur vollen Wirksamkeit nicht mehr vom Verhalten der Vertragsparteien abhängig ist. Denn im Fall des Vertragsabschlusses bei noch ausstehender sanierungsrechtlicher Genehmigung können sich die Vertragsparteien nicht einseitig von ihren Willenserklärungen lösen. Sie unterliegen während der schwebenden Unwirksamkeit dem Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme und sind verpflichtet, alles zu unternehmen, um die Genehmigung und damit die volle Wirksamkeit des Vertrages herbeizuführen. Daher entfaltet auch ein wegen des Fehlens einer öffentlich-rechtlichen Genehmigung schwebend unwirksames Rechtsgeschäft beiderseitige Bindungswirkung, obschon die Beteiligten zu diesem Zeitpunkt die Rechtsmacht besitzen, diese Bindungswirkung bis zur Erteilung der Genehmigung gemeinsam durch einen einvernehmlichen Aufhebungsvertrag zu beseitigen.
Folglich lautet die Kernaussage des Bundesfinanzhofs in seiner Entscheidung vom 25.3.2021 unter dem Aktenzeichen IX R 14/20, dass eine Anschaffung bzw. eine Veräußerung im Sinne des privaten Veräußerungsgeschäftes vorliegt, wenn die übereinstimmenden rechtsgeschäftlichen Verpflichtungserklärungen beider Vertragspartner innerhalb der 10-Jahres-Frist bindend abgegeben worden sind.
8. Für Erben: Zum Begriff des Grundstücks beim Erwerb eines Familienheims
Ausweislich der gesetzlichen Regelung in § 13 Abs. 1 Nummer 4c des Erbschaftsteuergesetzes (ErbStG) ist der Erwerb von Todes wegen des Eigentums oder Miteigentums an einem im Inland oder in der Europäischen Union bzw. einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraumes belegenen bebauten Grundstücks durch Kinder im Sinne der Steuerklasse I Nummer 2 und Kinder verstorbener Kinder im Sinne der Steuerklasse I Nummer 2 von der Erbschaftsteuer befreit.
Die Steuerbefreiung gilt, falls der Erblasser in der Immobilie bis zum Erbfall eine Wohnung zu eigenen Wohnzwecken genutzt hat oder bei der er aus zwingenden Gründen an einer Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken gehindert war und die Wohnung beim Erwerber unverzüglich zur Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken bestimmt ist. Es muss sich also um das sogenannte Familienheim handeln. Ebenso gilt die Steuerbefreiung nur, soweit die Wohnfläche der Wohnung 200 Quadratmeter nicht übersteigt.
Schon im Gesetz wird zur Definition des bebauten Grundstücks auf § 181 Abs. 1 Nummer 1 bis 5 des Bewertungsgesetzes (BewG) verwiesen. Danach werden von der Steuerbefreiung Ein- und Zweifamilienhäuser, Mietwohngrundstücke, Wohnungs- und Teileigentum, Geschäftsgrundstücke und gemischt genutzte Grundstücke erfasst. Eine darüberhinausgehende nähere Bestimmung, in welchem Umfang der zu der Wohnung gehörende Grund und Boden an der Begünstigung teilhat, erhält die Vorschrift nicht. In Betracht kommt daher einerseits das Grundstück im zivilrechtlichen Sinne, d. h. ein vermessener, im Liegenschaftskataster bezeichneter Teil der Erdoberfläche, oder alternativ andererseits die wirtschaftliche Einheit im Sinne des Bewertungsgesetzes.
Für die Bestimmung des Grundstücksbegriffs im Sinne der Steuerbefreiung des Familienheims nach zivilrechtlichen Grundsätzen spricht die bürgerlich-rechtliche Prägung des Erbschaftsteuerrechts, wie sie bereits durch den Bundesfinanzhof in seiner Entscheidung vom 26.11.1986 unter dem Aktenzeichen II R 190/81 herausgearbeitet wurde. Als Verkehrssteuer knüpft die Erbschaftsteuer grundsätzlich an bürgerlich-rechtliche Vorgänge an. Andererseits verweist die Regelung im Gesetzestext bereits auf bebaute Grundstücke im Sinne des Bewertungsgesetzes und gerade nicht im Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB).
Ganz entscheidend war die Frage in einem Fall, der später durch Urteil des Bundesfinanzhofs vom 23.2.2021 unter dem Aktenzeichen II R 29/19 endete. Hierbei stritten die Steuerpflichtigen mit dem Finanzamt darüber, ob neben dem eigentlichen Familienheim auch ein an das Wohngrundstück angrenzendes unbebautes Grundstück unter die Steuerbefreiung fallen kann. Das Finanzamt stellt insoweit nur auf das grundbuchrechtlich erfasste Grundstück ab und wollte auch nur für dieses Objekt die Steuerbefreiung für das Familienheim gelten lassen. Nicht begünstigt sind dementsprechend angrenzende (unbebaute, grundbuchrechtlich eigenständige) Grundstücke, selbst wenn eine wirtschaftliche Einheit zwischen dem mit einem Familienheim bebauten Grundstück und dem unbebauten Nachbargrundstück vorliegen würde. Im Streitfall ging es dabei um ein Familienheimgrundstück, welches 1.200 Quadratmeter groß war, und ein weiteres angrenzendes 800 Quadratmeter großes unbebautes Nachbargrundstück, welches als Garten genutzt wurde.
Um nun herauszufinden, ob auch das benachbarte unbebaute Gartengrundstück unter die Steuerbefreiung des Familienheims fallen kann, führt der Bundesfinanzhof in seiner oben bereits zitierten Entscheidung aus Februar 2021 wie folgt aus: Für Zwecke der Erbschaftsteuer sind die wirtschaftlichen Einheiten des Grundvermögens als Grundbesitzwerte gesondert festzustellen. Diese Feststellungen sind von den zuständigen Belegenheitsfinanzämtern zu treffen. Das Belegenheitsfinanzamt ist zwar nicht zur Entscheidung darüber befugt, ob eine Steuerbefreiung, wie beispielsweise die für das Familienheim, zu gewähren ist. Ihm obliegt allerdings neben der Wertfeststellung auch die verbindliche Feststellung über die wirtschaftlichen Einheiten des Grundvermögens.
Insofern erkannte der Bundesfinanzhof, dass die Streitfrage, ob die Steuerbefreiung für das Familienheim auch für das benachbarte Gartengrundstück gelten kann, nicht im Rechtsbehelfsverfahren gegen den Erbschaftsteuerbescheid geklärt werden kann. Vielmehr muss insoweit der Wertfeststellungsbescheid des Belegenheitsfinanzamts angegriffen und hier argumentiert werden, dass die wirtschaftliche Einheit des Grundvermögens nicht vollständig festgestellt wurde, sondern auch noch das benachbarte Gartengrundstück hätte berücksichtigt werden müssen. Im vorliegenden Fall ist der Feststellungsbescheid nun bindend und kann im Verfahren gegen den Erbschaftsteuerbescheid nicht mehr erfolgreich angegriffen werden. Die Steuerbefreiung für das Familienheim darf daher nur noch für das eigentliche Familienheimgrundstück in Anspruch genommen werden.
9. Für Personengesellschaften: Gesellschafterwechsel in doppelt- und mehrstöckigen Gesellschaftsstrukturen und deren Auswirkungen auf Fehlbeträge nach § 10a GewStG
Der Bundesfinanzhof hat mit Urteil vom 24.4.2014 unter dem Aktenzeichen IV R 34/10 entschieden, dass im Fall der Einbringung des Betriebs einer Kommanditgesellschaft (Obergesellschaft) in eine atypisch stille Gesellschaft (Untergesellschaft) eine doppelstöckige Mitunternehmerschaft entsteht, ohne hierbei ausdrücklich zur Frage des möglichen Vorliegens zweier – getrennt voneinander bestehender - Gewerbebetriebe Stellung zu nehmen. Im Nachgang dazu hat der Bundesfinanzhof in seiner Entscheidung vom 8.12.2016 unter dem Aktenzeichen IV R 8/14 zwei Gewerbebetriebe mit folgendem Leitsatz bejaht: Betreibt eine Personengesellschaft als Inhaber eines Handelsgewerbes, an dem sich ein anderer atypisch still beteiligt, ein gewerbliches Unternehmen i.S. des § 15 EStG, unterhält sowohl die atypisch stille Gesellschaft, der dieses Unternehmen für die Dauer ihres Bestehens zugeordnet wird, als auch die Personengesellschaft jeweils einen selbständigen Gewerbebetrieb. Die Folge: Der Inhaber des Handelsgewerbes hat für jeden dieser Gewerbebetriebe jeweils eine eigenständige Gewerbesteuererklärung abzugeben.
Darüber hinaus hat der Bundesfinanzhof in seinem Urteil vom 24.4.2014 auch zur Unternehmeridentität Stellung genommen. Er hat in diesem Zusammenhang zur Frage, ob und inwieweit gewerbesteuerliche Fehlbeträge nach § 10a GewStG, die bis zur Begründung der atypisch stillen Beteiligung am Betrieb der Obergesellschaft entstanden sind, auf Ebene der Untergesellschaft für eine Verrechnung zur Verfügung stehen, auf eine mittelbare Gesellschafterstellung der Gesellschafter der Obergesellschaft an der Untergesellschaft abgestellt.
Nach dem Ergebnis der Erörterung der obersten Finanzbehörden der Länder sind die Grundsätze des Urteils zur mittelbaren Gesellschafterstellung über den entschiedenen Einzelfall hinaus nicht anzuwenden. Dieser sogenannten Nichtanwendungserlass ergibt sich aus gleichlautenden Erlassen der obersten Finanzbehörden der Länder vom 11.8.2021.
Folgt man daher der Auffassung der Finanzverwaltung (und auch nur dann) gilt folgendes: An der bisherigen Verwaltungsauffassung, nach der es zur Frage des Vorliegens der Unternehmeridentität stets und ausschließlich auf eine unmittelbare Gesellschafterstellung ankommt, wird uneingeschränkt festgehalten.
Im Fall der Begründung einer atypisch stillen Beteiligung am Handelsgewerbe einer Personengesellschaft, sowie auch in anderen Fällen der Einbringung des Betriebs einer Personengesellschaft in eine andere Personengesellschaft (doppelt- und mehrstöckige Personengesellschaftsstrukturen) gilt somit Folgendes: Die Kürzung des Gewerbeertrags um gewerbesteuerliche Fehlbeträge nach § 10a GewStG setzt sowohl Unternehmensidentität als auch Unternehmeridentität voraus. Dies gilt auch bei der Nutzung von Fehlbeträgen einer Personengesellschaft (Mitunternehmerschaft). Damit gelten die allgemeinen Grundsätze von R 10a.2 (Unternehmensidentität) und R 10a.3 (Unternehmeridentität) GewStR auch bei Mitunternehmerschaften. Träger des Verlustabzugs sind nach R 10a.3 Abs. 3 Satz 1 GewStR die jeweiligen Gesellschafter (Mitunternehmer) der Personengesellschaft. Bei der Beteiligung einer Obergesellschaft an einer Untergesellschaft sind nicht die Gesellschafter der Obergesellschaft, sondern ist die Obergesellschaft Gesellschafterin und damit Träger des Verlustabzugs der Untergesellschaft.
Dies hat zur Folge, dass ein Wechsel im Gesellschafterbestand der Obergesellschaft keinen Einfluss auf Fehlbeträge bei der Untergesellschaft hat, da die Unternehmeridentität bezüglich der Untergesellschaft letztlich unberührt bleibt (vgl. R 10a.3 Abs. 3 Satz 9 Nr. 8 Sätze 1 und 2 GewStR).
Für Fälle, wie sie dem BFH mit Urteil vom 24.4.2014 zugrunde lagen, folgt daraus, dass gewerbesteuerliche Fehlbeträge der Obergesellschaft, die bis zur Begründung der atypisch stillen Gesellschaft (Untergesellschaft) entstanden sind, auf Ebene der Untergesellschaft mangels Unternehmeridentität nicht zur Verrechnung zur Verfügung stehen. Träger der fraglichen Fehlbeträge sind weiterhin die Mitunternehmer der Obergesellschaft (Unternehmeridentität). Diese sind aber nicht Mitunternehmer der Untergesellschaft, denn Mitunternehmer der Untergesellschaft ist allein die Obergesellschaft selbst.
Hinweis:
Es bleibt abzuwarten, ob insoweit weitere Streitigkeiten vor den Gerichten zu erwarten sind.
10. Für Immobilieneigentümer: Gemischt genutzte Gebäude sind bei der erweiterten Gewerbesteuerkürzung keine Wohnungsbauten!
Entsprechend der gesetzlichen Regelung in § 9 Nummer 1 Satz 2 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) können Unternehmen anstelle der sogenannten einfachen Kürzung auch die sogenannte erweiterte Gewerbesteuerkürzung auf Antrag in Anspruch nehmen. Möglich ist dies für Unternehmen, die ausschließlich eigenen Grundbesitz oder neben eigenem Grundbesitz eigenes Kapitalvermögen verwalten und nutzen oder daneben Wohnungsbauten betreuen oder Einfamilienhäuser, Zweifamilienhäuser oder Eigentumswohnungen errichten und veräußern. Ist dies der Fall, erfolgt eine Kürzung um den Teil des Gewerbeertrags, der auf die Verwaltung und Nutzung des eigenen Grundbesitzes entfällt. Nach Satz 3 der Vorschrift gilt die erweiterte Kürzung entsprechend, wenn in Verbindung mit der Errichtung und Veräußerung von Eigentumswohnungen Teileigentum errichtet und veräußert wird und das Gebäude zu mehr als 66 2/3 % zu Wohnzwecken dient.
Streitbefangen war allerdings vorliegend die Frage, ob und gegebenenfalls bis zu welchem Umfang auch die Betreuung gemischt genutzter Gebäude noch als Betreuung von Wohnungsbauten im Sinne der Regelung zur erweiterten Kürzung anzusehen sind. Nach Auffassung des Bundesfinanzhofs in seiner Entscheidung vom 15.4.2021 unter dem Aktenzeichen IV R 32/18 erfasst der Begriff „Wohnungsbauten“ nur Gebäude, die ausschließlich Wohnzwecken dienen. Gemischt genutzte Gebäude werden dabei nicht erfasst und schließen daher schon die Möglichkeit der erweiterten Gewerbesteuerkürzung aus.
Hierfür spricht nach Auffassung des Senats bereits der Wortlaut der Vorschrift. So handelt es sich bei dem Begriff „Wohnbauten“ um den Plural von „Wohnbau“, worunter man Wohngebäude bzw. den Wohnungsbau versteht. Dieser eindeutige Bezug zur Schaffung von Wohnraum spricht dafür, dass sich auch der Begriff Wohnungsbauten nur auf Objekte bezieht, die ausschließlich aus Wohneinheiten bestehen. Abgestellt wird also darauf, dass das Objekt Wohnzwecken dient. Das schließt angesichts der Bedeutung eines Pkw für die Lebensführung des Nutzers auch das Vorhandensein eines Stellplatzes ein, sofern ein solcher einer bestimmten Wohnungseinheit zugeordnet ist.
Auch die systematische Auslegung spricht dafür, dass gemischt genutzte Gebäude nicht unter den Begriff „Wohnungsbauten“ fallen. Insoweit hat der Gesetzgeber den Umstand, dass es in der Praxis auch gemischt genutzte Gebäude gibt, gesehen. Anderenfalls hätte er den oben bereits zitierten Satz 3 der Vorschrift nicht geschaffen, wonach die erweiterte Gewerbesteuerkürzung entsprechend gilt, wenn in Verbindung mit der Errichtung und Veräußerung von Eigentumswohnungen Teileigentum errichtet und veräußert wird und das Gebäude zu mehr als 66 2/3 % Wohnzwecken dient.
Eine vergleichbare Regelung, die auch für Wohnungsbauten einen gewissen Anteil einer gewerblichen Nutzung als noch unschädlich ansieht, hat der Gesetzgeber hingegen nirgends getroffen. Dies allein spricht aus Sicht des erkennenden Senats schon dafür, dass der Gesetzgeber die Betreuung von Wohnungsbauten nur dann als für die Gewährung der erweiterten kürzungsunschädlichen Tätigkeit angesehen hat, wenn sie sich auf die Betreuung von ausschließlich Wohnzwecken dienenden Gebäuden beschränkt.
Auch sieht der erkennende Senat für seine vertretene Auslegung des Begriffs „Wohnungsbauten“ eine Untermauerung in der Entstehungsgeschichte der gesetzlichen Regelung. Im Ergebnis kommen daher die obersten Finanzrichter der Republik zu dem Schluss, dass Wohnungsbauten im Sinne der Vorschrift für die erweiterte Gewerbesteuerkürzung nur Gebäude sind, die ausschließlich Wohnzwecken dienen. Sofern daher ein gemischt genutztes Gebäude ebenfalls noch erfasst wird, scheidet die erweiterte Gewerbesteuerkürzung aus.
Hinweis:
In Nähe zu der vorgenannten Thematik hat das Finanzgericht Münster in seiner Entscheidung vom 11.5.2021 unter dem Aktenzeichen 9 K 2274/19 G eine unerfreuliche Entscheidung getroffen. Zwar ist diese Thematik nicht ganz so relevant für die Allgemeinheit, jedoch soll an dieser Stelle auch darauf hingewiesen werden. Nach vorgenannter Entscheidung kann nämlich eine Kapitalgesellschaft die erweiterte Gewerbesteuerkürzung nicht in Anspruch nehmen, wenn sie Wohnungen vermietet, deren Mieter im Rahmen eines einheitlichen Konzeptes (im vorliegenden Fall einer Seniorenresidenz) Dienstleistungsverträge mit einer Schwestergesellschaft abschließen.
Sollte der Bundesfinanzhof sich dieser fiskalischen Meinung anschließen, ist in der Praxis allerdings noch in ganz anderen Bereichen Obacht geboten. Unstrittig ist immerhin auch, dass die Mitüberlassung von Betriebsvorrichtungen die erweiterte Gewerbesteuerkürzung ausschließt. In der Literatur wird daher geraten, wenn möglich eine zweite Gesellschaft für die Überlassung der Betriebsvorrichtungen zu gründen, damit die erste Gesellschaft in den Genuss der erweiterten Gewerbesteuerkürzung kommen kann. Fraglich ist derzeit, ob solche Konstellationen daher auch unter die fiskalische Entscheidung des Finanzgerichts Münsters fallen sollen. Mit Sicherheit wird uns dies in der Zukunft noch weiter beschäftigen.
Erfreulicherweise ist gegen diese Entscheidung noch die Revision beim Bundesfinanzhof anhängig, welcher unter dem Aktenzeichen III R 26/21 hier noch abschließend klären muss, ob nicht doch die erweiterte Gewerbesteuerkürzung in Anspruch genommen werden kann.