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Mandantenbrief 11/2022
- Für alle Steuerpflichtigen: Geplante Neuregelungen bei der Fotovoltaik ab 2023
- Für alle Steuerpflichtigen: Kein Betriebsausgabenabzug (oder Werbungskostenabzug) für ausschließlich beim Beruf getragene bürgerliche Kleidung
- Für alle Steuerpflichtigen: Kein Rechtsschutz bei geringem Streitwert
- Für alle Steuerpflichtigen: Entlastungsbetrag für alleinerziehende bei Aufnahme von Flüchtlingen
- Für (ehemalige) Ehegatten: Realsplitting mit Auslandsbezug
- Für Erben: Neues zur Beendigung der Selbstnutzung bei einem Familienheim
- Für GmbH-Gesellschafter: Zum Zeitpunkt der Realisierung eines Auflösungsverlustes aus einer GmbH-Beteiligung
- Für (Nach-) Erben: Freibeträge beim Zusammentreffen mehrerer Nacherbschaften
1. Für alle Steuerpflichtigen: Geplante Neuregelungen bei der Fotovoltaik ab 2023
Mit Datum vom 14.9.2022 hat das Bundeskabinett, den Entwurf eines Jahressteuergesetzes 2022 verabschiedet. In diesem Entwurf der Bundesregierung finden sich insbesondere zum Thema Fotovoltaik zahlreiche Regelungen, welche im Referentenentwurf aus dem Sommer dieses Jahres noch nicht enthalten waren. Im Folgenden soll daher die Neuregelung kurz dargestellt und der bisherigen Regelung gegenübergestellt werden. Voraussichtlich wird die Neuregelung auf Fotovoltaikanlagen zutreffen, die ab 2023 in Betrieb genommen werden. Die Änderungen sind dabei sowohl ertragsteuerlicher als auch umsatzsteuerlicher Natur.
Zunächst zum Ertragsteuerrecht: Bisher war es so, dass die Einnahmen aus dem Betrieb der Fotovoltaikanlage solche aus Gewerbebetrieb waren. Gewerbesteuer ist regelmäßig nicht angefallen, solange der Gewinn insgesamt unterhalb des gewerbesteuerlichen Freibetrags von 24.500 Euro lag. Einkommensteuerlich musste der Gewinn bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb versteuert werden bzw. etwaige Anfangsverluste konnten mit anderen Einkünften steuermindernd verrechnet werden. Insbesondere bei den typischen Anlagen auf dem Einfamilienhaus oder Zweifamilienhaus konnte man jedoch auf die einkommensteuerliche (und dem folgend auf die gewerbesteuerlichen) Registrierung verzichten, da ein Liebhaberei-Betrieb angenommen wurde. Insbesondere aufgrund des Eigenverbrauchs des produzierten Stroms ging man daher davon aus, dass bei Anlagen bis zehn KW eine entsprechende Liebhaberei gegeben ist und dementsprechend auch einkommensteuerlich nichts gemacht werden musste.
Ab 2023 wird nun für Fotovoltaikanlagen die folgende Steuerbefreiung in § 3 Nummer 72 des Einkommensteuergesetzes (EStG) geschaffen. Danach sind die Einnahmen und Entnahmen im Zusammenhang mit dem Betrieb von auf, an oder in Einfamilienhäusern (einschließlich Nebengebäuden) oder nicht zu Wohnzwecken dienenden Gebäuden vorhandenen Fotovoltaikanlagen mit einer installierten Bruttoleistung laut Marktstammdatenregister von bis zu 30 KW steuerfrei.
Ebenfalls steuerfrei sind die Einnahmen und Entnahmen aus dem Betrieb von auf, an oder in überwiegend zu Wohnzwecken genutzten sonstigen Gebäuden vorhandenen Fotovoltaikanlagen mit einer installierten Bruttoleistung laut Marktstammdatenregister von bis zu 15 KW je Wohn- oder Gewerbeeinheit.
Insgesamt ist die Steuerbefreiung auf höchstens 100 KW pro Steuerpflichtigen oder Mitunternehmerschaft begrenzt. Werden also aus der Anlage Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielt, so sind diese Einnahmen insgesamt steuerfrei und ein Gewinn ist nicht zu ermitteln. Insoweit ist auch die Abfärberegelung des § 15 Abs. 3 Nummer 1 EStG nicht anzuwenden, wie ausweislich des vorliegenden Gesetzesentwurfes ausdrücklich in § 3 Nummer 27 EStG neu geregelt ist.
Die Gesetzesbegründung für diese neue Regung fällt dabei wie folgt aus: Mit dem Ziel des Abbaus bürokratischer Hürden und der Setzung eines steuerlichen Anreizes zum Ausbau der erneuerbaren Energien werden Einnahmen aus dem Betrieb von Fotovoltaikanlagen mit einer installierten Gesamtbruttoleistung lt. Marktstammdatenregister auf, an oder in Einfamilienhäusern (einschließlich Dächern von Garagen und Carports und anderweitiger Nebengebäude) oder nicht Wohnzwecken dienenden Gebäuden (z.B. Gewerbeimmobilie, Garagenhof) von bis zu 30 kW (peak) ab 1.1.2023 steuerfrei gestellt.
Die Steuerbefreiung gilt unabhängig von der Verwendung des erzeugten Stroms.
Für private Immobilienbesitzer wird es künftig einfacher, sich für die Installation einer Fotovoltaikanlage auf ihrer eigengenutzten oder vermieteten Immobilie zu entscheiden. Die Steuerbefreiung gilt unabhängig von der Verwendung des erzeugten Stroms. Damit sind auch Einnahmen aus Fotovoltaikanlagen, bei denen der erzeugte Strom vollständig in das öffentliche Stromnetz eingespeist, zum Aufladen eines privaten oder betrieblich genutzten E-Autos verbraucht oder von Mietern genutzt wird, steuerfrei.
Die Steuerbefreiung gilt darüber hinaus auch für Fotovoltaikanlagen auf Mehrfamilienhäusern und gemischt genutzten Gebäuden mit Wohn- und Gewerbeeinheiten mit überwiegender Nutzung zu Wohnzwecken bis zu einer Größe von 15 kW (peak) (anteilige Bruttoleistung laut Marktstammdatenregister) pro Wohn- und Gewerbeeinheit. Damit wird auch der Betrieb von Fotovoltaikanlagen durch Privatvermieter, Wohnungseigentümergemeinschaften, Genossenschaften und Vermietungsunternehmen begünstigt. Werden in einem Betrieb nur steuerfreie Einnahmen aus dem Betrieb von begünstigten Fotovoltaikanlagen erzielt, braucht hierfür kein Gewinn mehr ermittelt und damit z. B. auch keine Anlage EÜR abgegeben zu werden.
Bei vermögensverwaltenden Personengesellschaften (z. B. Vermietungs-GbRs) führt der Betrieb von Fotovoltaikanlagen, die die begünstigten Anlagengrößen nicht überschreiten, nicht zu einer gewerblichen Infektion der Vermietungseinkünfte. Damit können auch vermögensverwaltende Personengesellschaften künftig auf ihren Mietobjekten Fotovoltaikanlagen von bis zu 15 kW (peak) je Wohn- und Gewerbeeinheit (max. 100 kW (peak)) installieren und ihre Mieter mit selbst produziertem Strom versorgen, ohne steuerliche Nachteile befürchten zu müssen.
Umsatzsteuerlich wurden die entsprechenden kleinen Fotovoltaikanlagen bisher so gehandhabt, dass man umsatzsteuerlicher Unternehmer wurde. So konnte der Umsatzsteuerbetrag aus den Eingangsrechnungen für die Installation der Fotovoltaikanlage und den Kauf des Speichers vom Finanzamt erstattet werden. Im Gegenzug musste jedoch auf den Eigenverbrauch des Stroms oder auch auf den verkauften Strom Umsatzsteuer berechnet werden. Nach fünf Jahren konnte man dann zur Kleinunternehmerregelung wechseln, und musste so auf den Eigenverbrauch und den verkauften Strom (in den Grenzen der Kleinunternehmerregelung) auch keine Umsatzsteuer mehr entrichten.
Ab 2023 soll für Fotovoltaikanlagen eine faktische Steuerbefreiung geschaffen werden. Tatsächlich liegt zwar keine Steuerbefreiung vor, vielmehr wurde der Steuersatz für entsprechende Umsätze auf 0 % herabgesetzt. So ermäßigt sich die Umsatzsteuer auf 0 % für die Lieferungen von Solarmodulen an den Betreiber einer Fotovoltaikanlage, einschließlich der für den Betrieb einer Fotovoltaikanlage wesentlichen Komponenten und der Speicher, die dazu dienen, den mit Solarmodulen erzeugten Strom zu speichern, wenn die Fotovoltaikanlage auf oder in der Nähe von Privatwohnungen, Wohnungen sowie öffentlichen und anderen Gebäuden, die für den Gemeinwohl dienenden Tätigkeiten genutzt werden, installiert wird. Die vorgenannten Voraussetzungen gelten als erfüllt, wenn die installierte Bruttoleistung der Fotovoltaikanlage laut Marktstammdatenregister nicht mehr als 30 KW beträgt oder betragen wird.
Eine entsprechende Steuerbefreiung bzw. die Herabsetzung des Steuersatzes auf 0 % gibt es auch für die innergemeinschaftlichen Erwerbe entsprechender Fotovoltaikanlagen bzw. die Einfuhr der zuvor bezeichneten Gegenstände. Ebenso wird der Steuersatz auf 0 % herabgesetzt für die Installation von Fotovoltaikanlagen sowie der Speicher, die dazu dienen, die mit Solarmodulen erzeugten Strom zu speichern, wenn die Lieferung der installierten Komponenten die vorgenannten Voraussetzungen erfüllen.
Die Gesetzesbegründung dazu fällt wie folgt aus: Die Regelung sieht vor, dass auf die Lieferung, die Einfuhr und den innergemeinschaftlichen Erwerb sowie die Installation von Fotovoltaikanlagen einschließlich der Stromspeicher ein Nullsteuersatz anzuwenden ist. Die Regelung entlastet die Betreiber von Fotovoltaikanlagen von Bürokratie. Denn aufgrund des Nullsteuersatzes können diese die Kleinunternehmerregelung ohne finanzielle Nachteile anwenden. Der Vorsteuerabzug als Grund für einen Verzicht auf die Kleinunternehmerregelung entfällt, weil die Lieferung von Fotovoltaikanlagen ohnehin nicht mehr mit Umsatzsteuer belastet ist.
In der ersten Variante des Gesetzes gilt der Nullsteuersatz für die Lieferung von Solarmodulen an den Betreiber einer Fotovoltaikanlage, einschließlich der für den Betrieb einer Fotovoltaikanlage wesentlichen Komponenten und der Speicher, die dazu dienen, den mit Solarmodulen erzeugten Strom zu speichern. Die Steuerermäßigung umfasst auch Stromspeicher, mit denen der von der Fotovoltaikanlage erzeugte Strom gespeichert werden soll. Zwar ist ein Stromspeicher nicht zwingend erforderlich, um eine Fotovoltaikanlage zu betreiben, dennoch entscheiden sich viele Anlagenbetreiber, einen Stromspeicher zu erwerben. Der Kauf eines Stromspeichers ist mit hohen finanziellen Aufwendungen verbunden. Das Ziel der Bürokratieentlastung würde daher verfehlt, wenn die Lieferung von Stromspeichern mit Umsatzsteuer belastet wäre. Denn in diesem Fall bestände weiterhin ein hoher Anreiz für Betreiber von Fotovoltaikanlagen, auf die Anwendung der Kleinunternehmerregelung zu verzichten.
Voraussetzung für die Anwendung des Nullsteuersatzes in der ersten Variante ist, dass die Fotovoltaikanlage auf und in der Nähe von Privatwohnungen, Wohnungen sowie öffentlichen oder anderen Gebäuden, die für dem Gemeinwohl dienende Tätigkeiten genutzt werden, installiert wird. Dieser Tatbestand greift die Regelung in Artikel 98 Abs. 2 in Verbindung mit Anhang III Nr. 10c der Richtlinie 2006/112/EG auf und setzt sie in nationales Recht um.
Durch die Übernahme der Richtlinienregelung ist sichergestellt, dass das nationale Recht den maximalen Spielraum ausnützt, den die Richtlinie bei der Anwendung eines Nullsteuersatzes für Fotovoltaikanlagen den Mitgliedstaaten zugesteht. Aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung gelten die Voraussetzungen als erfüllt, wenn die installierte Bruttoleistung der Fotovoltaikanlage laut Marktstammdatenregister nicht mehr als 30 kW (peak) beträgt. Die Regelung verhindert in einem Großteil der Fälle, dass sich der leistende Unternehmer beim Erwerber über die Nutzungsart des Gebäudes zu informieren hat. Die Leistung der gelieferten Fotovoltaikanlage wird dem leistenden Unternehmer hingegen in der Regel bekannt sein.
In den weiteren Varianten des Gesetzes ist auch die Einfuhr und der innergemeinschaftliche Erwerb von Solarmodulen und Stromspeichern begünstigt, wenn die Lieferung dieser Gegenstände die Voraussetzungen erfüllt.
Als letztes wird im Rahmen der Neuregelung auch die Installation von Fotovoltaikanlagen und Speichern begünstigt, wenn die Lieferung der Komponenten dem Nullsteuersatz unterliegt. Die Regelung vermeidet Bürokratieaufwand. Denn beim Erwerb einer Fotovoltaikanlage einschließlich deren Installation ist einheitlich der Nullsteuersatz anzuwenden. Eine Abgrenzung zwischen Lieferungs- und Dienstleistungselementen ist damit entbehrlich.
2. Für alle Steuerpflichtigen: Kein Betriebsausgabenabzug (oder Werbungskostenabzug) für ausschließlich beim Beruf getragene bürgerliche Kleidung
Mit Urteil vom 16.3.2022 stellt der Bundesfinanzhof unter dem Aktenzeichen VIII R 33/18 direkt in seinem Leitsatz klar, dass Aufwendungen für bürgerliche Kleidung als unverzichtbare Aufwendungen der Lebensführung grundsätzlich nicht abziehbar sind. Sie sind nur dann als Betriebsausgaben zu berücksichtigen, wenn es sich um „typische Berufskleidung“ handelt, die nicht auch zu privaten Anlässen getragen werden kann.
Konkret führt der Bundesfinanzhof in seiner Entscheidung wie folgt aus: Bei der Ermittlung der Einkünfte aus unternehmerischer Tätigkeit sind Aufwendungen als Betriebsausgaben abzuziehen, wenn sie durch die Einkünfteerzielung veranlasst sind. Eine solche Veranlassung ist gegeben, wenn die Aufwendungen mit der Einkünfteerzielung objektiv zusammenhängen und ihr subjektiv zu dienen bestimmt sind. Dies bedeutet, wenn sie mit dieser in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, kann ein Betriebsausgabenabzug infrage kommen.
Ausweislich des Beschlusses des Großen Senats des Bundesfinanzhofs vom 21.9.2009 unter dem Aktenzeichen GrS 1/06 ist eine solche Veranlassung jedoch nicht gegeben, wenn es sich um unverzichtbare Aufwendungen für die Lebensführung handelt, die nach Maßgabe des subjektiven Nettoprinzips durch die Vorschriften zur Berücksichtigung des steuerlichen Existenzminimums pauschal abgegolten oder als Sonderausgaben oder außergewöhnliche Belastung abziehbar sind. Zwar lassen sich theoretisch auch Aufwendungen etwa für bürgerliche Kleidung, für eine Brille oder für eine Armbanduhr bei feststehender Arbeitszeit aufteilen. Derartige Aufwendungen sind aber, wenn sie nach den Vorschriften über das steuerliche Existenzminimum als Sonderausgaben oder als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen sind, grundsätzlich dem Anwendungsbereich des Betriebsausgabenabzugs oder des Werbungskostenabzugs entzogen, um eine doppelte Berücksichtigung zu vermeiden. Insoweit scheidet eine Aufteilung der Aufwendungen in abziehbare Werbungskosten oder Betriebsausgaben einerseits und nicht abziehbare Aufwendungen für die private Lebensführung andererseits aus.
Tatsächlich entspricht es auch bereits der bisherigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, die Aufwendungen für bürgerliche Kleidung als nicht abziehbar einzuordnen. Insoweit hat bereits der Bundesfinanzhof mit Beschluss vom 13.11.2013 unter dem Aktenzeichen VI B 40/13 klargestellt, dass Aufwendungen für bürgerliche Kleidung nach den Vorschriften über das steuerliche Existenzminimum grundsätzlich dem Anwendungsbereich des Werbungskostenabzugs entzogen sind. Inwieweit gleichwohl ein beruflicher Mehraufwand zu berücksichtigen ist, bleibt in erster Linie der Entscheidung des Gesetzgebers überlassen. Damit spielen die Richter auf die typische Berufskleidung an.
Inwieweit in Bezug auf die Bekleidung beruflicher Mehraufwand zu berücksichtigen ist, hat also unstrittig der Gesetzgeber zu entscheiden. Dieser hat beim Werbungskostenabzug geregelt, dass Aufwendungen für typische Berufskleidung als Werbungskosten abziehbar sind. Die Vorschrift ist entsprechend im Rahmen des Betriebsausgabenabzugs anwendbar, wie nicht zuletzt bereits der Bundesfinanzhof in einer Entscheidung vom 6.12.1990 unter dem Aktenzeichen IV R 65/90 herausgearbeitet hat.
Dennoch führt dies alles nicht dazu, dass die im Streitfall geltend gemachten Aufwendungen für die Bekleidung als Trauerredner als Betriebsausgaben abgezogen werden können. Definitiv handelt es sich insoweit nicht um Aufwendungen für die sogenannte typische Berufskleidung, sondern für Kleidung, deren Benutzung als normale bürgerliche Kleidung im Rahmen des Möglichen und Üblichen liegt bzw. die gewöhnlich privat getragen werden kann.
Welche Art von Kleidungsstücken unter den Tatbestand der „typischen Berufskleidung“ im Sinne der gesetzlichen Vorschrift fallen, ist im Gesetz tatsächlich nicht näher definiert. Bei der Auslegung des Tatbestandsmerkmals „typische Berufskleidung“ ist jedoch zu berücksichtigen, dass nach der bereits zitierten Rechtsprechung des Großen Senats Aufwendungen für bürgerliche Kleidung grundsätzlich den nicht abziehbaren und nicht aufteilbaren unverzichtbaren Aufwendungen für die Lebensführung zuzurechnen sind.
Typische Berufskleidung umfasst daher nur Kleidungsstücke, die nach ihrer Beschaffenheit objektiv nahezu ausschließlich für die berufliche Nutzung bestimmt und geeignet und wegen der Eigenart des Berufs nötig sind bzw. bei denen die berufliche Verwendungsbestimmung bereits aus ihrer Beschaffenheit entweder durch ihre Unterscheidungsfunktion, wie zum Beispiel bei Uniform oder dauerhaft angebrachte Firmenembleme, oder durch ihre Schutzfunktion, wie bei Schutzanzügen, Arbeitsschuhen oder ähnlichem, folgt.
Entsprechend diesen Grundsätzen scheidet die Qualifizierung eines Kleidungsstücks als typische Berufskleidung immer dann aus, wenn die Benutzung nach objektiven Kriterien als normale bürgerliche Kleidung im Rahmen des Möglichen und Üblichen liegt.
Zwar hat der Bundesfinanzhof tatsächlich in älteren Entscheidungen auch bürgerliche Kleidung, die nach ihrer Beschaffenheit nicht nur nahezu ausschließlich beruflich, sondern vor allem auch privat genutzt werden konnte, als typische Berufskleidung angesehen. So beispielsweise den schwarzen Anzug eines Leichenbestatters mit Urteil vom 30.9.1970 unter dem Aktenzeichen I R 33/69.
Auch den schwarzen Anzug und die schwarze Hose eines Oberkellners hat der BFH in einer Entscheidung vom 9.3.1979 unter dem Aktenzeichen VI R 171/77 als typische Berufskleidung eingeordnet.
Weiterhin sogar den schwarzen Anzug eines katholischen Geistlichen mit Entscheidung vom 10.11.1989 unter dem Aktenzeichen VI R 159/86.
Tatsächlich sieht der Bundesfinanzhof jedoch aktuell seine bisherigere Rechtsprechung aufgrund der zuvor zitierten Entscheidung des Großen Senats als überholt an. Dabei weist der Bundesfinanzhof in seiner aktuellen Entscheidung aus März 2022 ausdrücklich noch auf die folgenden Punkte hin:
So führen Aufwendungen für bürgerliche Kleidung selbst dann nicht zum Betriebsausgabenabzug, wenn diese Kleidung ausschließlich bei der Berufsausübung genutzt wird. Dies hat der Bundesfinanzhof auch schon in einer Entscheidung vom 20.11.1979 unter dem Aktenzeichen VI R 25/78 entschieden.
Auch ein erhöhter, beruflich veranlasster Verschleiß von bürgerlicher Kleidung kann grundsätzlich nicht zu einem Betriebsausgabenabzug führen, wie der Bundesfinanzhof in einer Entscheidung vom 24.7.1981 unter dem Aktenzeichen VI R 171/78 herausgearbeitet hat.
Dies gilt auch, wenn die konkreten Kleidungsstücke ohne die beruflichen Gründe überhaupt nicht angeschafft worden wären bzw. die Aufwendungen infolge der beruflichen Gepflogenheiten besonders hoch sind oder eben auch Mehraufwendungen für Bekleidung entstehen, weil der Steuerpflichtige seine individuellen Bedürfnisse den Wünschen des Arbeitgebers oder den Gepflogenheiten bestimmter Wirtschaftskreise unterordnen muss. Selbst wenn der Arbeitgeber zwingend anordnet, beispielsweise im Umgang mit Kunden gehobene bürgerliche Kleidung zu tragen, ist auch der dadurch entstehende Mehraufwand nicht geeignet, Werbungskosten für typische Berufskleidung anzusetzen.
Nach alledem kommt der Bundesfinanzhof nach wie vor zu dem Schluss, dass auch im vorliegenden Fall die Aufwendungen des Klägers für schwarze Kleidung im Rahmen der Tätigkeit als Trauerredner nicht als Betriebsausgaben abzugsfähig sind.
3. Für alle Steuerpflichtigen: Kein Rechtsschutz bei geringem Streitwert
Mit Beschluss vom 30.5.2021 kam das Finanzgericht Münster unter dem Aktenzeichen 15 V 408/22 zu dem Schluss, dass es im Rahmen eines einstweiligen Rechtsschutzverfahrens, bei dem es in der Summe um einen Betrag von 4,50 Euro geht, kein Rechtsschutzbedürfnis besteht.
Konkret lag der Sachverhalt wie folgt: Auf Antrag der Antragstellerin wurde ein Abrechnungsbescheid erteilt, in dem ein Säumniszuschlag in Höhe von 4,50 Euro festgestellt wurde. Der Säumniszuschlag ist ausweislich des Abrechnungsbescheids bereits in voller Höhe bezahlt gewesen. Gegen den Abrechnungsbescheid legte die Antragstellerin Einspruch ein und beantragte Aussetzung der Vollziehung mit der Begründung, dass die Erhebung der Säumniszuschläge verfassungswidrig sei.
Im oben genannten Beschluss kam das Finanzgericht nachvollziehbar zu dem Ergebnis, dass es dem Antrag an einem Rechtsschutzbedürfnis fehlt. Ein solches ist gegeben, wenn die mit der betreffenden Rechtsschutzhandlung verfolgten Interesse nach objektivem Werturteil des begehrten Rechtsschutzes fähig, bedürftig und würdig erscheinen. Nicht schutzwürdig ist hingegen ein Interesse, das nach allgemeiner Anschauung so gering anzusehen ist, dass es nicht die Inanspruchnahme der staatlichen Rechtsschutzeinrichtungen rechtfertigt. Nach dieser Maßgabe konnte das erkennende Finanzgericht Münster im vorliegenden Streitfall ein Bedürfnis auf Rechtsschutz nicht erkennen.
Bei objektiver Sicht auf das Antragsbegehren ist ein berechtigtes Interesse nicht gegeben. Zwar enthält die anzuwendende Verfahrensordnung keine allgemeine Bagatellgrenze für die Einlegung eines Rechtsbehelfes. Durch die Kleinbetragsverordnung ist jedoch bestimmt, dass die Festsetzung der Einkommensteuer, Körperschaftsteuer, Erbschaftsteuer (und damit auch der Schenkungsteuer), Grunderwerbsteuer sowie sogar der Rennwett- und Lotteriesteuer nur geändert oder berichtigt werden kann, wenn die Abweichung von der bisher festgesetzten Steuer mindestens zehn Euro zugunsten des Steuerpflichtigen oder mindestens 25 Euro zulasten des Steuerpflichtigen beträgt. Für den Gewerbesteuermessbetrag liegen diese Grenzen bei zwei Euro zugunsten des Steuerpflichtigen und bei fünf Euro zulasten des Steuerpflichtigen, sodass beim durchschnittlichen Gewerbesteuerhebesatz in Deutschland von etwa 400 % eine Änderung bei einer Zahllastauswirkung von bis zu acht Euro zugunsten bzw. 20 Euro zulasten des Steuerpflichtigen ausgeschlossen wird. Auch für die Feststellung von Einkünften, die Rückforderung von Wohnungsbauprämien und die Kraftfahrzeugsteuer enthält die Kleinbetragsverordnung ähnlich wirkende Vorgaben.
Für steuerliche Nebenleistungen, wie im Streitfall der Säumniszuschlag, ist hingegen keine allgemeine Bagatellgrenze normiert, unterhalb derer der Steuerpflichtige oder die Finanzverwaltung einen rechtswidrigen Steuerbescheid hinzunehmen haben. Nach Auffassung des Finanzgerichts Münster soll mit dem vorliegenden Beschluss auch keine derartige absolute Grenze kraft Richterrechts geschaffen werden. Ein Unterschreiten der Bagatellgrenze der Kleinbetragsverordnung sieht der Senat jedoch als indiziell für die Frage an, ob ein Rechtsschutzbedürfnis nach allgemeiner Anschauung als schutzwürdig anzuerkennen ist. Dementsprechend ist hier das Rechtsschutzbedürfnis aufgrund des geringen Betrages von 4,50 Euro nicht als schutzwürdig anzuerkennen.
Darüber hinaus nimmt das Gericht auch die Kosten der Rechtsverfolgung in den Blick, die der Antragsgegner beim zulässigen Rechtsbehelf dem Antragsteller zu erstatten hätte. Bei Verfahren über eine Aussetzung der Vollziehung wird der Streitwert mit 10 % des auszusetzenden Betrages angesetzt. Dies wären vorliegend 0,45 Euro. Bei diesem Streitwert entstehen Kosten des Beraters in Höhe von 111,96 Euro. Bereits mit Urteil vom 4.8.1955 hat das Sozialgericht Düsseldorf unter dem Aktenzeichen V 539/54 klargestellt, dass in Fallgestaltungen, in denen die Rechtsanwaltsgebühren ein Vielfaches des eingeklagten Anspruchs betragen, die Frage der Verfolgung prozessfremder Zwecke im Raum steht. Dem folgend hat das Sozialgericht Düsseldorf darauf erkannt, dass beim Klageanspruch in Höhe von seinerzeit 3,90 DM und Rechtsanwaltskosten in Höhe von seinerzeit 100 DM die Klage mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig ist. Diesem Gedanken folgend sieht dies vorliegend auch das Finanzgericht Münster im vorliegenden Fall so, da die ersatzfähigen Kosten der Rechtsverfolgung gerundet 25-mal so hoch sind wie die zu erstreitende Summe.
Hinweis: Das erstinstanzliche Finanzgericht hat die Beschwerde zum BFH nicht zugelassen. Auch wenn es insoweit an einer höchstrichterlichen Klärung mangelt, ob ein Rechtsschutzbedürfnis bei einstweiligen Rechtsschutzverfahren über geringfügige steuerliche Nebenleistungen anzuerkennen ist, hält der erkennende Senat die Spezifikationen, die für die Entscheidung dieses konkreten Einzelfalls ausschlaggebend gewesen sind, für derart besonders, dass die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat. Tatsächlich sollte man sich bei 4,50 Euro auch um Wichtigeres kümmern.
4. Für alle Steuerpflichtigen: Entlastungsbetrag für alleinerziehende bei Aufnahme von Flüchtlingen
Gemäß der gesetzlichen Regelung in § 24 b Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) können Alleinstehende einen Entlastungsbetrag für Alleinerziehende von der Summe der Einkünfte abziehen. Voraussetzung dafür ist unter anderem, dass zu ihrem Haushalt mindestens ein Kind gehört, für das ein Freibetrag oder Kindergeld zusteht. Entsprechend der gesetzlichen Definition in § 24 b Abs. 3 Satz 1 EStG sind Steuerpflichtige, die nicht die Voraussetzungen für die Anwendung des Splittingverfahrens erfüllen oder verwitwet sind und keine Haushaltsgemeinschaft mit einer anderen volljährigen Person bilden, alleinstehend. Eine Haushaltsgemeinschaft mit einer anderen volljährigen Person liegt entsprechend der gesetzlichen Vorschriften vor, wenn der Steuerpflichtige mit der volljährigen Person in der gemeinsamen Wohnung gemeinsam wirtschaftet.
Im Rahmen der Einkommensteuer-Kurzinformation Nummer 2 aus 2022 stellt nun das Finanzministerium des Landes Schleswig-Holstein mit Erlass vom 16.6.2022 klar, dass die Unterbringung von volljährigen Flüchtlingen aus der Ukraine durch Alleinstehende in ihrem Haushalt im Jahr 2022 nicht zu einer steuerschädlichen Haushaltsgemeinschaft im Sinne der gesetzlichen Regelung führt. Insoweit führt das Finanzministerium des Landes Schleswig-Holstein eine Billigkeitsregelung ein.
Alleinerziehenden Flüchtlinge aus der Ukraine, die in einem Haushalt in Deutschland untergebracht werden, kann hingegen der Entlastungsbetrag für Alleinerziehende nicht gewährt werden, wenn sie mit der aufnehmenden Person eine Haushaltsgemeinschaft bilden.
Hinweis: Ganz ausdrücklich schreibt das Finanzministerium des Landes Schleswig-Holstein auch, dass die Billigkeitsregelung nur im Jahr 2022 greift. Weil jedoch nach derzeit vorliegenden Erkenntnissen im Folgejahr die Problematik nicht beseitigt sein wird, stellt sich die Frage, wie dann zu verfahren ist. Es bleibt insoweit zu hoffen, dass dann eine erneute Billigkeitsregelung in Kraft tritt.
5. Für (ehemalige) Ehegatten: Realsplitting mit Auslandsbezug
Als Realsplitting bezeichnet man in der Bundesrepublik Deutschland das Verfahren der steuerlichen Berücksichtigung von Unterhaltsleistungen an den geschiedenen oder dauernd getrenntlebenden Ehegatten. Insoweit kann nämlich der Geber die Unterhaltsleistung ausweislich der Vorschrift in § 10 Absatz 1a Nummer 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) als Sonderausgaben abziehen.
Eine der wesentlichen Voraussetzungen ist dabei, dass die Unterhaltsleistungen vom geschiedenen oder dauernd getrenntlebenden Ehegatten als sonstige Einkünfte im Sinne der Vorschrift des § 22 Nummer 1 a EStG versteuert werden. Man spricht dabei auch von dem sogenannten Korrespondenzprinzip: Der eine versteuert und der andere hat die steuerliche Abzugsposition. Der steuerliche Vorteil in der Summe liegt in der Steuersatzdifferenz.
In Abweichung von der bisherigen Rechtsprechung hat der Bundesfinanzhof in einer Entscheidung vom 31.3.2004 unter dem Aktenzeichen X R 18/03 klargestellt, dass Unterhaltsleistungen, die ein unbeschränkt Steuerpflichtiger von seinem nicht unbeschränkt steuerpflichtigen geschiedenen oder dauernd getrennt lebenden Ehegatten erhält, nicht steuerbar sind.
Vor diesem Hintergrund hat aktuell die Oberfinanzdirektion Frankfurt am Main mit Erlass vom 1.2.2022 zu den Unterhaltsleistungen zwischen geschiedenen oder dauernd getrenntlebenden Ehegatten mit Auslandsbezug Stellung genommen.
Danach gilt folgendes: Die Besteuerungsregelung der sonstigen Einkünfte in § 22 Nummer 1 a EStG enthält auf Basis der bisherigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs eine abschließende Regelung der Besteuerung von Einkünften eines unbeschränkt Steuerpflichtigen aus Unterhaltsleistungen seines geschiedenen oder dauernd getrenntlebenden Ehegattens. Kommt eine Besteuerung der Unterhaltsbezüge nicht in Betracht, weil die Voraussetzungen für den damit korrespondierenden Sonderausgabenabzug nicht vorliegen, kann die Steuerpflicht der Bezüge nicht auf die Regelung in § 22 Nummer 1 EStG gestützt werden.
Auf der anderen Seite gilt für den Sonderausgabenabzug beim Unterhaltsleistenden: Voraussetzungen ist entsprechend der Vorschrift in § 10 Absatz 1a Nummer 1 EStG, dass der Empfänger der Leistung ebenfalls unbeschränkt steuerpflichtig ist. Hat der Empfänger der Unterhaltsleistungen seinen Wohnsitz in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union, ist der Sonderausgabenabzug ebenfalls möglich. Vorausgesetzt ist dabei, dass das andere Land der Europäischen Union die Besteuerung der Leistungen beim Empfänger bescheinigt. Anstelle einer Papierbescheinigung des anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union ist die Bestätigung der ausländischen Finanzbehörde im Rahmen einer Spontanauskunft möglich. Ist die Besteuerung der Unterhaltsleistung im Wohnsitzland des Empfängers nicht vorgesehen, so ist es beispielsweise in Österreich, kommt der Sonderausgabenabzug in der Bundesrepublik Deutschland auch nicht in Betracht.
Ist der Empfänger nicht unbeschränkt steuerpflichtig und hat er auch seinen Wohnsitz nicht in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union, kommt der Sonderausgabenabzug nur in Betracht, wenn das jeweilige Doppelbesteuerungsabkommen entsprechende Regelungen enthält, wonach die Unterhaltsleistung besteuert wird. Das ist der Fall, wenn das Besteuerungsrecht der erhaltenen Unterhaltszahlung dem Wohnsitzstaat des Empfängers zugewiesen wird. Ist hingegen diesbezüglich keine Regelung im Doppelbesteuerungsabkommen getroffen, ist der Sonderausgabenabzug zu versagen.
Tipp: Scheitert aufgrund der vorgenannten Voraussetzungen der Sonderausgabenabzug, ist zu prüfen, ob unter den Voraussetzungen des § 33 a Abs. 1 Satz fünf EStG ein Abzug der Unterhaltsleistung im Rahmen der außergewöhnlichen Belastungen zulässig ist. Vielleicht kann man im Einzelfall ja so immer noch einen Steuervorteil erreichen.
6. Für Erben: Neues zur Beendigung der Selbstnutzung bei einem Familienheim
Entsprechend der Steuerbefreiungsregeln im Erbschaftsteuergesetz bleibt unter anderem der Erwerb von Todes wegen des Eigentums an einem im Inland belegenen Gebäude durch Kinder im Sinne der Steuerklasse I Nummer 2 steuerfrei, soweit der Erblasser darin bis zum Erbfall eine Wohnung zu eigenen Wohnzwecken genutzt hat oder bei der er aus zwingenden Gründen an einer Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken gehindert war. Weitere Voraussetzung ist, dass die Wohnung beim Erwerber unverzüglich zur Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken bestimmt ist. Nur in diesem Fall spricht man von einem Familienheim. Zudem gibt es bei der Steuerbefreiung für Kinder die Voraussetzung, dass diese nur greift, soweit die Wohnfläche der Wohnung 200 m² nicht übersteigt.
Weiter regelt die Steuerbefreiung, dass eine Steuerfreiheit mit Wirkung für die Vergangenheit wegfällt, wenn der Erwerber das Familienheim innerhalb von zehn Jahren nach dem Erwerb nicht mehr zu Wohnzwecken selbst nutzt. Die Steuerbefreiung fällt nur dann nicht weg, wenn er aus zwingenden Gründen an einer Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken gehindert ist.
Vor diesem Hintergrund hatte seinerzeit das Finanzgericht Düsseldorf in einer Entscheidung vom 8.1.2020 unter dem Aktenzeichen 4 K 3120/18 Erb klargestellt, dass bauliche Mängel an einem geerbten Familienheim, die den Abriss des Gebäudes aus wirtschaftlichen Erwägungen geboten erscheinen lassen, keine zwingenden objektiven Gründe sind, die den rückwirkenden Wegfall der Erbschaftsteuerbefreiung bei Aufgabe der Selbstnutzung zu Wohnzwecken innerhalb der Zehnjahresfrist entgegenstehen.
Weiter hat das erstinstanzliche Finanzgericht Düsseldorf entschieden, dass eine Aufgabe der Selbstnutzung des Wohnhauses aus zwingenden Gründen wegen der Unmöglichkeit der selbständigen Haushaltsführung auch dann zu verneinen ist, wenn die die Räume im Obergeschoss nutzende Erbin aus gesundheitlichen Gründen auf die Hilfe eines im Haus wohnenden Bekannten beim Treppensteigen und bei ihrer Versorgung angewiesen ist.
Exakt diese Entscheidung des erstinstanzlich erkennenden Finanzgerichts Düsseldorfs hat der Bundesfinanzhof aktuell mit Urteil vom 1.12.2021 unter dem Aktenzeichen II R 18/20 sehr deutlich relativiert und die Sache im Ergebnis zurückverwiesen. Definitiv gehen auch die obersten Finanzrichter der Republik davon aus, dass die Steuerbefreiungsvorschriften beim Familienheim eng auszulegen sind. Damit begegnen sie keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Eine entsprechende enge Auslegung ist auch für die geregelte Rückausnahme von der Nachversteuerung gegeben.
Tritt daher die Nachversteuerung ein, ist ein Steuerbescheid zu ändern. In dem Merkmal „aus zwingenden Gründen an einer Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken gehindert“ müssen sich die Hinderungsgründe auf die Selbstnutzung des betreffenden Familienheims beziehen. Ob der Erwerber an einem anderen Ort einen Haushalt führen kann, ist nicht entscheidend. Der erkennende Senat des Bundesfinanzhofs teilt insoweit nicht die Auffassung, die Unmöglichkeit, selbstständig ein Haushalt zu führen, müsse sich auf das Führen eines eigenen Haushaltes schlechthin beziehen.
Die Nachversteuerung setzt nach dem Gesetzeswortlaut zunächst voraus, dass „der Erwerber das Familienheim nicht mehr zu Wohnzwecken selbst nutzt“. Die unmittelbar folgende Wendung „an einer Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken gehindert“ kann nur die Selbstnutzung des betreffenden Familienheims meinen. Sie bezieht sich nicht auf die Führung jeglichen Haushalts auch anderenorts.
Eine solche (ungeschriebene) Voraussetzung verfehlt zudem die Zielrichtung der Vorschrift. Die Begünstigung des Familienheims soll unter anderem das Familiengebrauchsvermögen erhalten und den gemeinsamen familiären Lebensraum schützen. So ist es auch bereits der Gesetzesbegründung in der seinerzeitigen Bundestagsdrucksache zu entnehmen. Bei Aufgabe der Selbstnutzung fällt dieses Schutzziel fort. Soweit das Gesetz aus Billigkeitsgründen zugunsten eines Erwerbers die Nachversteuerung mit einer Rückausnahme wegen einer Zwangslage versieht, kann diese sinnvoll nur so verstanden werden, dass sich die Zwangslage gerade auf das nicht mehr erfüllte Tatbestandsmerkmal mit dem entsprechenden Schutzziel bezieht. Das ist die Selbstnutzung des Familienheims mit dem familiären Lebensraum. Das verfassungsrechtliche Gebot enger Auslegung vermag keine zweckwidrige Auslegung zu rechtfertigen. Dem entsprechend geht das Vorstellungsbild bereits im Gesetzgebungsverfahren dahin, die Steuerbefreiung zu belassen, wenn zwingende Gründe das selbstständige Führen eines Haushaltes „in dem erworbenen Familienheim“ unmöglich machen.
Der Erwerber muss also aus zwingenden Gründen an einer Selbstnutzung des Familienheims zu eigenen Wohnzwecken gehindert sein. Es reicht dafür nicht aus, wenn sich der Erwerber nur aufgrund persönlicher oder wirtschaftlicher Zweckmäßigkeitserwägungen an der Selbstnutzung gehindert fühlt.
Das Merkmal „zwingend“ schließt insoweit Gründe aus, kraft derer die Beendigung der Selbstnutzung aus Sicht des Erwerbes nachvollziehbar und auch verständlich scheint, jedoch Gegenstand seiner freien Entscheidung ist. Es gehört dann zur privaten Lebensgestaltung des Erwerbes, ob und wie er das Familienheim nutzen möchte. Das ist insbesondere der Fall, wenn es nach Art und Gestaltung nicht den persönlichen Vorstellungen des Erwerbes entspricht.
Demgegenüber ist der Erwerber aus zwingenden Gründen an einer Selbstnutzung des Familienheims zu eigenen Wohnzwecken gehindert, wenn diese ihm unter den konkreten Umständen objektiv unmöglich oder unzumutbar wird. Das entspricht dem Billigkeitskorrektiv der Vorschrift. Zwingende Gründe liegen insoweit vor, wenn dem Erwerber die Selbstnutzung des Familienheims objektiv unmöglich wird. Tatsächlich sind die zwingenden Gründe jedoch nicht auf diese Fälle beschränkt. Anderenfalls erschöpft sich der Anwendungsbereich der Rückausnahme praktisch im Tod des Erwerbers. Eine solche Regelung war ersichtlich nicht gesetzgeberisches Ziel. Selbst der Fall der Pflegebedürftigkeit, der im Gesetzgebungsverfahren als Beispiel diente und auch von der Finanzverwaltung übernommen wurde, begründete regelmäßig keine objektive Unmöglichkeit. Die Pflege kann im Allgemeinen auch mithilfe entsprechender Dienste im eigenen Heim geführt werden, ob dies wirtschaftlich sinnvoll ist, ist eine Frage der Zweckmäßigkeit.
Vielmehr ist daher erforderlich, aber auch ausreichend, wenn dem Erwerber aus objektiven Gründen die Selbstnutzung des Familienheims nicht mehr zuzumuten ist. Dabei ist ein strenger Maßstab anzulegen, um eine verfassungswidrige Begünstigung zu vermeiden. Ein abgeschlossener Katalog von Gründen besteht jedoch nicht und dürfte praktisch auch schwierig werden.
Wann entsprechend diesen Vorgaben von zwingenden Gründen auszugehen ist, ist dabei Gegenstand der tatsächlichen Würdigung. Maßgeblich ist dabei die Gesamtwürdigung aller Tatsachen. Dies gilt letzten Endes auch für die Frage, welche Rückschlüsse aus der Lebensführung des Erwerbes nach Verlassen des Familienheims gezogen werden können, insbesondere aus dem Umzug in einen anderen selbst geführten Haushalt oder in eine Wohnform mit Betreuung und Pflege.
Die Feststellungslast für diejenigen Umstände, die eine Selbstnutzung des Familienheims objektiv unmöglich machen oder aus objektiven Gründen unzumutbar erscheinen, trägt dabei natürlich der Erwerber.
Nach alledem kommen die obersten Finanzrichter der Republik zu dem Schluss, dass ein zwingender Grund im Sinne der Vorschrift auch gegeben sein kann, wenn der Erwerber zwar unter Zuhilfenahme extremer Hilfe- und Pflegeleistungen in der Lage ist, weiter in dem erworbenen Familienheim zu leben, diese jedoch ein solches Ausmaß annehmen, dass nicht mehr von einer selbstständigen Haushaltsführung des Erwerbers im betreffenden Familienheim gesprochen werden kann. Allein die regelmäßige Inanspruchnahme der üblichen Unterstützungsleistungen genügt dafür allerdings nicht. Bereits den Gesetzgebungsmaterialien ist insoweit zu entnehmen, dass zwingende Gründe solche sind, die das selbstständige Führen eines Haushaltes in dem erworbenen Familienheim unmöglich machen. Dieses Abgrenzungskriterium entspricht der Zielsetzung der Vorschrift, den gemeinsamen familiären Lebensraum zu schützen. Vermag der Erwerber diesen Lebensraum nicht mehr aus wesentlich eigener Kraft auszufüllen, ist das Familienheim zur äußeren Hülle entwertet.
Ist der Erwerber aus zwingenden Gründen an einer Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken gehindert, führt weder die Aufgabe des Eigentums an dem Familienheim noch der Abriss des Gebäudes zur Nachversteuerung. Ist die Beendigung der Selbstnutzung des Familienheims aus den oben dargestellten zwingenden Gründen erbschaftsteuerrechtlich unschädlich, muss dies auch für eine spätere Veräußerung oder einen späteren Abriss gelten.
Hinweis: Im entschiedenen Einzelfall hat der Bundesfinanzhof die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das erstinstanzliche Finanzgericht zurückverwiesen. Definitiv reicht es also nicht aus, wenn sich der Erwerber nur aufgrund persönlicher oder wirtschaftlicher Erwägungen an der Selbstnutzung gehindert fühlt. Daneben vorliegende gesundheitliche Beeinträchtigungen können jedoch zwingende Gründe darstellen, wenn diese dem Erwerber eine selbständige Haushaltsführung in dem erworbenen Familienheim unzumutbar machen. Dies gilt es vorstehend im konkreten Einzelfall zu prüfen.
7. Für GmbH-Gesellschafter: Zum Zeitpunkt der Realisierung eines Auflösungsverlustes aus einer GmbH-Beteiligung
Ausweislich der gesetzlichen Vorschriften in § 17 Abs. 1 und Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) gehört zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb unter den dort genannten Voraussetzungen auch der Gewinn aus der Auflösung einer Kapitalgesellschaft. Steuerbar (also in der Folge insbesondere mit anderen Einkünften steuermindernd verrechenbar) ist insoweit auch ein aus der Auflösung einer Kapitalgesellschaft entstehender Verlust. Ein entsprechender Auflösungsverlust ist der Betrag, um den die im Zusammenhang mit der Auflösung der Gesellschaft vom Steuerpflichtigen getragenen Kosten und seine Anschaffungskosten den gemeinen Wert des zugeteilten und zurückgezahlten Vermögens der Kapitalgesellschaft übersteigen. Zu den Anschaffungskosten gehören dabei auch ganz ausdrücklich die nachträglichen Anschaffungskosten.
Entsprechend der Vorschriften in § 60 Abs. 1 Nummer 4 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) ist eine GmbH durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen aufgelöst. Die Entstehung eines Auflösungsverlustes setzt aber weiter voraus, dass mit Zuteilung und Rückzahlung gemäß den einkommensteuerlichen Vorschriften nicht mehr zu rechnen ist und feststeht, ob und in welcher Höhe noch nachträgliche Anschaffungskosten oder sonstige im Rahmen des § 17 Abs. 2 EStG zu berücksichtigende wesentliche Aufwendungen anfallen. Insoweit hat bereits der Bundesfinanzhof in einer Entscheidung vom 25.1.2000 unter dem Aktenzeichen VIII R 63/98 klargestellt, dass in einem Konkursverfahren über das Vermögen einer GmbH der Auflösungsverlust im Sinne des § 17 EStG regelmäßig erst mit Abschluss des Konkursverfahrens realisiert ist. Auf Basis dieser Rechtsprechung hat auch das erstinstanzliche Finanzgericht Düsseldorf in seiner Entscheidung vom 12.4.2022 unter dem Aktenzeichen 10 K 1175/19 E klargestellt, dass die steuerliche Berücksichtigung eines Auflösungsverlusts auch nur nach diesen Kriterien erfolgen kann.
Konkret gilt insoweit folgendes: Nach der Auflösung der Gesellschaft bestimmt sich der Zeitpunkt der Entstehung des Auflösungsgewinns oder -verlustes nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung. Dieser Zeitpunkt ist bei einer Auflösung mit anschließender Liquidation normalerweise der Zeitpunkt des Abschlusses der Liquidation. Erst dann steht fest, ob und in welcher Höhe der Gesellschafter mit einer Zuteilung und Rückzahlung von Vermögen der Gesellschaft rechnen kann, ferner welche nachträglichen Anschaffungskosten der Beteiligung anfallen und welche Veräußerungskosten bzw. Auflösungskosten der Gesellschafter persönlich zu tragen hat.
Ausnahmsweise (wohl gemerkt eben nur ausnahmsweise!) kann der Zeitpunkt, in dem der Veräußerungsverlust realisiert ist, schon vor Abschluss der Liquidation feststehen, wenn mit einer wesentlichen Änderung des bereits feststehenden Verlustes nicht mehr zu rechnen ist. Das ist zum Beispiel dann der Fall, wenn die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens mangels Masse abgelehnt wurde, wie der Bundesfinanzhof in einem Beschluss vom 27.11.1995 unter dem Aktenzeichen VIII B 16/95 bereits klargestellt hat.
Ebenfalls ist ein solcher Fall gegeben, wenn die Gesellschaft bereits im Zeitpunkt des Auflösungsbeschlusses vermögenslos war, wie der Bundesfinanzhof in einer anderen Entscheidung vom 4.11.1997 unter dem Aktenzeichen VIII R 18/94 herausgearbeitet hat. In beiden Fällen ist der Verlust deshalb bereits feststehend, weil die Möglichkeit einer Auskehrung von Restvermögen an die Gesellschafter ausgeschlossen werden kann.
Bei einer Auflösung der Gesellschaft wegen Eröffnung des Insolvenzverfahrens lässt sich diese Feststellung regelmäßig noch nicht treffen. Der Auflösungsgewinn oder eben auch der Auflösungsverlust ist nach den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung zu ermitteln, soweit die Eigenart der Gewinnermittlung nach § 17 EStG keine Abweichung von diesem Grundsatz erfordert. Danach ist insbesondere das Realisationsprinzip zu beachten. Die stillen Reserven sind bei Veräußerungsgeschäften erst dann realisiert, wenn der Veräußerer seine Sachleistung erbracht hat. Davon ist auch im Insolvenzfall auszugehen. Der Veräußerungsgewinn oder der Veräußerungsverlust ist erst dann realisiert, wenn der Insolvenzverwalter die einzelnen Wirtschaftsgüter des Gesellschaftsvermögens oder das Unternehmen im Ganzen veräußert und mit dem letzten Geschäft die Grundlage für die Schlussverteilung geschaffen hat. Die Dauer eines Insolvenzverfahrens ist nicht abzuschätzen. In dieser Zeit können sich die Marktwerte der Wirtschaftsgüter erheblich verändern. Eine strenge Beachtung des Realisationsprinzips ist deshalb geboten, weil damit der oft erhebliche Aufwand an Ermittlung und Bewertung des Gesellschaftsvermögens durch die Beteiligten und Prognosen über den vermutlichen Ausgang des Insolvenzverfahrens vermieden werden kann.
Vermögenslosigkeit in dem Sinne, dass eine Verlagerung des Verlustentstehungszeitpunktes in Betracht kommt, ist ausschließlich dann gegeben, wenn nach ordentlicher kaufmännischer Betrachtungsweise kein Vermögen mehr vorhanden ist, das als Aktivposten in der Bilanz aufgenommen werden kann und zur Befriedigung der Gläubiger oder der Verteilung an die Gesellschafter zur Verfügung steht. So auch bereits der Bundesfinanzhof in einer Entscheidung vom 13.3.2018 unter dem Aktenzeichen IX R 38/16.
In allen anderen Fällen kann daher ein Auflösungsverlust einer Kapitalgesellschaft nicht bereits mit anderen Einkünften verrechnet werden.
8. Für (Nach-) Erben: Freibeträge beim Zusammentreffen mehrerer Nacherbschaften
Mit Entscheidung vom 1.12.2021 haben die obersten Finanzrichter der Republik unter dem Aktenzeichen II R 1/20 entschieden, dass dem Nacherben auf Antrag für alle der Nacherbfolge unterliegenden Erbmassen insgesamt lediglich ein Freibetrag zusteht, wenn mehrere Erblasser denselben Vorerben und nach dessen Tod denselben Nacherben eingesetzt haben.
Zum Hintergrund der Entscheidung. Der Anfall der Nacherbschaft gilt grundsätzlich als Erwerb vom Vorerben. Während zivilrechtlich der Vorerbe und der Nacherbe zwar nacheinander, aber beide vom ursprünglichen Erblasser erben, gilt erbschaftsteuerlich der Vorerbe als Erbe. So geregelt in § 6 Abs. 1 des Erbschaftsteuergesetzes (ErbStG). Sein Erwerb unterliegt in vollem Umfang und ohne Berücksichtigung der Beschränkung durch das Nacherbenrecht der Erbschaftsteuer. Bei Eintritt der Nacherbfolge haben diejenigen, auf die das Vermögen übergeht, den Erwerb als vom Vorerben stammend zu versteuern. Die Vorschrift fingiert dabei für erbschaftsteuerliche Zwecke, dass der Nacherbe Erbe des Vorerben wird. So auch bereits der Bundesfinanzhof in einer Entscheidung vom 31.8.2021 unter dem Aktenzeichen II R 2/20. Alle Besteuerungsmerkmale sind im Verhältnis zur Person des Vorerben (und eben nicht zur Person des Erblassers) anzuwenden. Dies hat unter anderem die Folge, dass für die Besteuerung des Nacherbfalls die Steuerklasse nach dem Verhältnis des Nacherben zum Vorerben und nicht zum Erblasser gilt.
Geht beim Tod des Vorerben neben dem zur Nacherbschaft gehörenden Vermögen zugleich eigenes Vermögen des Vorerben auf den Nacherben über, weil der Nacherbe gleichzeitig Alleinerbe oder Miterbe nach dem Vorerben ist, liegen zivilrechtlich zwei Erbfälle vor. Ein Erbfall nach dem Erblasser und ein weiterer nach dem Vorerben. Erbschaftsteuerrechtlich handelt es sich gleichwohl um einen einheitlichen Erwerb vom Vorerben. So auch bereits der Bundesfinanzhof in einer Entscheidung vom 2.12.1998 unter dem Aktenzeichen II R 43/97, wie auch in einem Beschluss vom 28.2.2007 unter dem Aktenzeichen II B 82/06. Ein etwaiger negativer Erwerb aus der Vorerbschaft kann daher mit einem positiven Erwerb aus der Erbeinsetzung verrechnet werden und umgekehrt.
Diese Grundsätze gelten dabei unabhängig davon, ob der Nacherbe eine oder mehrere Nacherbschaften erhält, solange er diese von demselben Vorerben auf dessen Tod hin erlangt. Die erbschaftsteuerliche Fiktion des § 6 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 ErbStG wird durch den Antrag, die Erbschaft als vom Erblasser stammend zu behandeln, zwar modifiziert, nicht aber aufgehoben. Auf Antrag ist der Versteuerung das Verhältnis des Nacherben zum Erblasser zugrunde zu legen. Geht in diesem Fall auch eigenes Vermögen des Vorerben auf den Nacherben über, sind beide Vermögensanfälle hinsichtlich der Steuerklasse getrennt zu behandeln. Für das eigene Vermögen des Vorerben kann ein Freibetrag jedoch nur gewährt werden, soweit der Freibetrag für das der Nacherbfolge unterliegende Vermögen nicht verbraucht ist. Die Steuer ist für jeden Erwerb jeweils nach dem Steuersatz zu erheben, der für den gesamten Erwerb gelten würde. Trotz der speziellen Regeln zur Berechnung der Steuer liegt ein einheitlicher Erwerb vor.
Entsprechend der Regelung Erbschaftsteuergesetz stehen dem Nacherben bei entsprechender Antragstellung zwar zwei Freibeträge im Sinne von § 16 ErbStG zu, zum einem für das der Nacherbfolge unterliegende Vermögen, zum anderen für das eigene Vermögen des Vorerben. Diese befinden sich jedoch in einem Abhängigkeitsverhältnis zueinander. Die Deckelung des für das Vermögen des Vorerben geltenden Freibetrags auf den noch nicht für die Nacherbschaft verbrauchten Freibetrag bewirkt, dass der Nacherbe für den gesamten Erwerb einen Freibetrag maximal in der Höhe beanspruchen kann, der dem jeweils höheren Freibetrag entspricht.
Schon aus den Gesetzesmaterialien wird daher nach Auffassung des Bundesfinanzhofs deutlich, dass durch diese Regelung ungerechtfertigte Vorteile für den Nacherben hinsichtlich der Freibeträge vermieden werden sollen. Dem Nacherben sollte nicht für jede Vermögensmasse gesondert ein Freibetrag zustehen, sondern insgesamt nur der Freibetrag, der für sein günstigeres Verwandtschaftsverhältnis zum Erblasser maßgebend ist.
Haben mehrere Erblasser daher denselben Vorerben und auf dessen Tod denselben Nacherben eingesetzt, steht dem Nacherben auf Antrag für alle der Nacherbfolge unterliegenden Erbmassen insgesamt lediglich ein Freibetrag zu. Dieser richtet sich nach dem Verhältnis zu demjenigen Erblasser, für den es der Nacherbe beantragt hat. Soweit dieser Freibetrag nicht verbraucht ist, verbleibt ein Freibetrag für das Vermögen des Vorerben. Tatsächlich ergibt sich aus der gesetzlichen Regelung des Erbschaftsteuergesetzes keine ausdrückliche Regelung zur Gewährung von Freibeträgen, soweit es zum Zusammentreffen mehrerer Nacherbschaften kommt, allerdings ergibt sich dieses Ergebnis bereits aus dem Regelungskonzept der Vorschrift.
Hinweis: In der weiteren Urteilsbegründung erläutert der Bundesfinanzhof noch ausführlich, warum er diese Meinung vertritt. Interessierte sind insoweit auf die weitere Urteilsbegründung des obersten Bundesfinanzhofs verwiesen. Für die Praxis ist hingegen viel wichtiger: Haben nun mehrere Erblasser denselben Vorerben und bei dessen Tod denselben Nacherben eingesetzt, steht dem Nacherben auf Antrag insgesamt nur ein Freibetrag zu! Die obersten Finanzrichter der Republik haben sich damit ganz ausdrücklich gegen eine Vervielfältigung der Freibeträge ausgesprochen. Diese Aussage und insbesondere die Folgen gilt es nun in der Praxis zu beachten und gegebenenfalls Testamente oder Erbverträge entsprechend anzupassen, damit man zukünftig auch in den Genuss mehrerer Freibeträge gelangen kann. Im Einzelfall ist hier Handlungsbedarf gegeben!