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Mandantenbrief 11/2024

Mandantenbrief 11/2024

1. Für alle Steuerpflichtigen: Außergewöhnliche Belastungen bei Unterbringung in einer Wohngemeinschaft

Das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 10.8.2023 unter dem Aktenzeichen VI R 40/20 beschäftigt sich mit einem zentralen Aspekt des deutschen Steuerrechts, nämlich der Frage, unter welchen Bedingungen Aufwendungen für die Unterbringung in einer Wohngemeinschaft als außergewöhnliche Belastungen im Sinne des § 33 des Einkommensteuergesetz (EStG) anerkannt werden können. Diese Thematik ist besonders relevant für Steuerpflichtige, die aufgrund von Krankheit, Pflegebedürftigkeit oder Behinderung besondere finanzielle Aufwendungen haben.

Im konkreten Fall handelt es sich um ein Ehepaar, das im Jahr 2016 zur Einkommensteuer gemeinsam veranlagt wurde. Der Ehemann ist schwerbehindert und lebt seit November 2015 in einer selbstverantworteten Wohngemeinschaft, in der er zusammen mit anderen pflegebedürftigen Menschen untergebracht ist. Diese Wohngemeinschaft zeichnet sich dadurch aus, dass die Bewohner nicht in einem klassischen Pflegeheim, sondern in einer gemeinschaftlichen Wohnform leben und von einem ambulanten Pflegedienst betreut werden. Die monatlichen Kosten für die Miete und die allgemeine Lebensführung in dieser Wohngemeinschaft beliefen sich im Streitjahr auf insgesamt 16.920 Euro. Diese Ausgaben machte das Ehepaar in seiner Einkommensteuererklärung als außergewöhnliche Belastung geltend.

Das Finanzamt lehnte die Anerkennung jedoch ab und begründete seine Entscheidung damit, dass der Ehemann nicht in einem Heim, sondern in einer selbstverantworteten Wohngemeinschaft untergebracht und deshalb der Abzug ausgeschlossen sei. Dies führte dazu, dass das Ehepaar Klage beim erstinstanzlichen Finanzgericht erhob, welches die Klage teilweise für begründet erklärte und die Aufwendungen nach einer Kürzung um eine sogenannte Haushaltsersparnis als außergewöhnliche Belastung anerkannte. Gegen dieses Urteil legte der Fiskus Revision beim Bundesfinanzhof ein, da er offensichtlich eine Grundsatzentscheidung dahingehend erzwingen wollte, dass entsprechende Aufwendungen grundsätzlich nicht steuermindernd abziehbar sind.

Der Bundesfinanzhof hat die Revision des Finanzamts zurückgewiesen und das Urteil des Finanzgerichts Köln bestätigt. Dabei stellten die obersten Finanzrichter der Republik klar, dass die Aufwendungen für die krankheits- oder pflegebedingte Unterbringung in einer Einrichtung immer dann als außergewöhnliche Belastung im Sinne des § 33 EStG abziehbar sind, wenn sie dem Steuerpflichtigen zwangsläufig entstehen. Das Gericht betonte, dass es hierbei nicht zwingend erforderlich ist, dass der Steuerpflichtige in einem klassischen Pflegeheim untergebracht ist. Auch alternative Wohnformen, wie etwa vorliegend die selbstverantwortete Wohngemeinschaft, können die Voraussetzungen für eine steuerliche Berücksichtigung durchaus erfüllen.

Um zu verstehen, warum der Bundesfinanzhof die Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung anerkannt hat, ist es wichtig, die gesetzlichen Tatbestandsmerkmale der außergewöhnlichen Belastungen und deren Voraussetzungen im Detail zu betrachten.

Das erste Tatbestandsmerkmal für eine außergewöhnliche Belastung ist die Zwangsläufigkeit der Aufwendungen. Nach § 33 Abs. 2 EStG sind Ausgaben nur dann als außergewöhnliche Belastungen abziehbar, wenn sie dem Steuerpflichtigen zwangsläufig erwachsen. Das bedeutet, dass der Steuerpflichtige rechtlich, tatsächlich oder sittlich verpflichtet sein muss, diese Aufwendungen zu tragen und ihnen nicht ausweichen kann. Im vorliegenden Fall ist die Zwangsläufigkeit dadurch gegeben, dass der Ehemann aufgrund seiner Schwerbehinderung und Pflegebedürftigkeit auf eine Unterbringung angewiesen ist, die eine umfassende Betreuung und Pflege sicherstellt. Die Wahl einer Wohngemeinschaft anstelle eines klassischen Pflegeheims ändert nichts an der Tatsache, dass die Aufwendungen für seine Unterbringung zwangsläufig entstehen.

Ein weiteres wesentliches Tatbestandsmerkmal ist die Außergewöhnlichkeit der Aufwendungen. Die Aufwendungen müssen über das hinausgehen, was der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommens- und Vermögensverhältnisse sowie gleichen Familienstands typischerweise erwächst. In diesem Fall hat der Bundesfinanzhof klargestellt, dass die Kosten für die pflegebedingte Unterbringung in einer Wohngemeinschaft außergewöhnlich sind, weil sie unmittelbar mit der besonderen Pflegesituation des Ehemanns zusammenhängen und von anderen Steuerpflichtigen nicht in dieser Form getragen werden müssen.

Ein weiterer Punkt, der in der Rechtsprechung immer wieder betont wird, ist die Angemessenheit der Aufwendungen. Die Kosten müssen dem Grunde und der Höhe nach angemessen sein. Das erstinstanzliche Finanzgericht hatte die anerkannten Aufwendungen um eine Haushaltsersparnis gekürzt, um auf diesem Weg den Teil der Kosten zu berücksichtigen, der der normalen Lebensführung zuzurechnen ist und somit nicht als Abzug als außergewöhnliche Belastungen in Betracht kommt. Der Bundesfinanzhof hat diese Kürzung nicht nur gebilligt, sondern auch für korrekt erachtet, da die Haushaltsersparnis den regulären Lebenshaltungskosten entspricht, die dem Ehepaar auch ohne die pflegebedingte Unterbringung entstanden wären.

Zusammenfassend haben die Richter des Bundesfinanzhofes in ihrem Urteil deutlich gemacht, dass Aufwendungen für die krankheits- oder pflegebedingte Unterbringung auch in alternativen Wohnformen wie einer selbstverantworteten Wohngemeinschaft als außergewöhnliche Belastungen steuerlich abziehbar sind, sofern sie zwangsläufig, außergewöhnlich und angemessen sind.

Diese überaus erfreuliche Entscheidung ist ein wichtiger Schritt in der Rechtsprechung zur steuerlichen Behandlung von Pflegekosten und zeigt, dass der Bundesfinanzhof bei der Beurteilung außergewöhnlicher Belastungen nicht nur klassische Pflegeheime berücksichtigt, sondern auch moderne, gemeinschaftliche Wohnformen, wie sie wahrscheinlich in der Zukunft auch noch häufiger vorkommen werden. Diese Entwicklung ist vor allem vor dem Hintergrund einer sich wandelnden Pflegekultur in Deutschland von enormer Bedeutung, da immer mehr Menschen alternative Wohn- und Betreuungsformen wählen.

2. Für alle Steuerpflichtigen: Zur Einkünfteerzielungsabsicht bei sogenannten Luxusimmobilien

Das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 20.6.2023 behandelt unter dem Aktenzeichen IX R 17/21 eine steuerrechtliche Fragestellung im Bereich der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Es geht konkret darum, unter welchen Umständen bei der Vermietung von Immobilien mit einer Wohnfläche von mehr als 250 Quadratmetern eine sogenannte Einkünfteerzielungsabsicht angenommen werden kann. Diese Einkünfteerzielungsabsicht ist entscheidend dafür, ob Verluste aus der Vermietung steuerlich berücksichtigt werden können. Die Entscheidung ist dabei für Praxis deshalb von großer Bedeutung, weil die Rechtsprechung nun Ausnahmen von den eigentlich grundsätzlichen Leitlinien fest etabliert.

Grundsätzlich geht das Steuerrecht bei einer langfristigen Vermietung von Immobilien davon aus, dass der Vermieter die Absicht hat, Einkünfte zu erzielen, also Gewinne zu machen. Dies gilt auch dann, wenn in den ersten Jahren Verluste anfallen, beispielsweise durch hohe Abschreibungen oder Zinsaufwendungen. Die Einkünfteerzielungsabsicht wird als typisierend und grundsätzlich bei einer auf Dauer angelegten Wohnraumvermietung immer erst einmal angenommen und unterstellt. Diese Annahme ist für den Steuerpflichtigen vorteilhaft, da er die Verluste mit anderen Einkünften verrechnen kann und so seine Steuerlast mindert. Allerdings gibt es Ausnahmen, insbesondere bei Immobilien, die aufgrund ihrer Größe oder besonderen Ausstattung eine ungewöhnlich hohe Wohnqualität bieten. In solchen Fällen ist eine genauere Überprüfung der Einkünfteerzielungsabsicht erforderlich, um sicherzustellen, dass die Vermietung tatsächlich auf Gewinnerzielung und nicht auf private Motive, wie z.B. die Unterstützung von Familienangehörigen, abzielt.

In dem vorliegenden Fall ging es nun um ein Ehepaar, das in den Jahren 2011 bis 2014 drei große Einfamilienhäuser vermietete, deren Wohnflächen jeweils über 250 Quadratmeter lagen. Die Immobilien wurden vollständig fremdfinanziert und (dies ist durchaus auch von entscheidender Bedeutung) an die Kinder des Ehepaars vermietet, wobei die Mietverträge unbefristet abgeschlossen wurden. Die Mieten lagen bei mehr als 66 % der ortsüblichen Vergleichsmiete, was grundsätzlich gemäß der Regelung in § 21 Abs. 2 Satz 2 des Einkommensteuergesetz (EStG) dann als vollentgeltliche Vermietung gewertet wird.

Das Finanzamt erkannte zunächst die von den Klägern geltend gemachten Verluste aus Vermietung und Verpachtung an. Nach einer Außenprüfung änderte es jedoch seine Auffassung und versagte die steuerliche Anerkennung der Verluste. Die Finanzbeamten argumentierten, dass aufgrund der großen Wohnflächen der Objekte eine Überprüfung der Einkünfteerzielungsabsicht zwingend erforderlich ist, da bei solchen Objekten die langfristige Gewinnerzielung entgegen dem Grundsatz immer infrage stehe.

Demgegenüber wandten die Kläger ein, dass die Vermietung zu über 66 % der ortsüblichen Miete erfolgt und damit nach § 21 Abs. 2 Satz 2 EStG eine Einkünfteerzielungsabsicht zu unterstellen ist. Die Steuerpflichtigen verwiesen darauf, dass die vereinbarten Mieten marktüblich sind und die Vermietung daher vollentgeltlich erfolgte. Sie argumentierten weiter, dass das bloße Überschreiten der 250-Quadratmeter-Grenze nicht ausreiche, um die typisierte Annahme der Einkünfteerzielungsabsicht infrage zu stellen. Zudem müsse ihnen die Möglichkeit eingeräumt werden, durch eine Totalüberschussprognose nachzuweisen, dass die Vermietung langfristig Gewinne abwerfen kann.

Das erstinstanzliche Finanzgericht Baden-Württemberg folgte jedoch der Argumentation des Finanzamts und verneinte die Einkünfteerzielungsabsicht. Es führte aus, dass bei Immobilien mit mehr als 250 Quadratmetern Wohnfläche eine solche Annahme nicht automatisch gegeben sein kann. Das Gericht verwies darauf, dass die ortsübliche Miete bei besonders großen oder luxuriös ausgestatteten Objekten häufig nicht den tatsächlichen Wohnwert widerspiegele. In solchen Fällen sei eine Totalüberschussprognose notwendig, um zu prüfen, ob die Vermietung tatsächlich mit einer Gewinnerzielungsabsicht erfolgt.

Der Bundesfinanzhof hob das Urteil des Finanzgerichts zwar auf und verwies den Fall zur erneuten Verhandlung zurück. Er bestätigte allerdings auch direkt, dass bei Immobilien mit mehr als 250 Quadratmetern Wohnfläche eine Überprüfung der Einkünfteerzielungsabsicht erforderlich ist. Die Zurückverweisung fand lediglich deshalb statt, weil die vom erstinstanzlichen Finanzgericht getroffenen Feststellungen nicht ausreichen, um die Frage aus Sicht der obersten Richter abschließend und beurteilen und zu klären.

Der Bundesfinanzhof stellte insoweit klar, dass die Einkünfteerzielungsabsicht eine subjektive Absicht des Steuerpflichtigen darstellt, auf die prognostizierte Dauer der Nutzung einen Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten zu erzielen. Diese Absicht wird bei einer auf Dauer angelegten Vermietungstätigkeit grundsätzlich angenommen, was der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, beispielsweise durch Urteil vom 06.10.2004 unter dem Aktenzeichen IX R 30/03, entspricht.

Der Bundesfinanzhof erläuterte, dass die 250-Quadratmeter-Grenze aus der Rechtsprechung entwickelt wurde und darauf basiert, dass für solche großen Objekte oft keine aussagekräftigen Mietspiegel existieren. So bereits der Bundesfinanzhof in der bereits genannten Entscheidung vom 06.10.2004. Die Ausnahme von der typisierten Annahme der Einkünfteerzielungsabsicht bei solchen Objekten ist keine unwiderlegbare Vermutung, sondern erfordert eine detaillierte Prüfung im Einzelfall.

Weiterhin stellte der Bundesfinanzhof fest, dass die Neuregelung in § 21 Abs. 2 Satz 2 EStG durch das Steuervereinfachungsgesetz 2011 die bisherige Rechtsprechung zur Überprüfung der Einkünfteerzielungsabsicht nicht außer Kraft setzt. Diese Regelung betrifft lediglich die Frage, ob eine Vermietung als vollentgeltlich zu behandeln ist, wenn die Miete mindestens 66 % der ortsüblichen Miete beträgt. Die subjektive Einkünfteerzielungsabsicht bleibt davon aber unberührt und ist weiterhin zu prüfen, insbesondere in den Fällen, in denen eine Ausnahme von der typisierten Annahme vorliegt, wie bei Objekten mit mehr als 250 Quadratmetern Wohnfläche. Insoweit verwiesen die obersten Finanzrichter der Republik auf eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 17.04.2018 unter dem Aktenzeichen IX R 9/17.

Im vorliegenden Fall bemängelte der Bundesfinanzhof konkret, dass das erstinstanzliche Finanzgericht bei seiner Überprüfung der Einkünfteerzielungsabsicht nicht alle relevanten Faktoren ausreichend berücksichtigt habe. Insbesondere fehle es an einer genauen Analyse, ob die in den Streitjahren vorgenommenen Mietanpassungen und Zinsänderungen bereits objektiv vorhersehbar waren und ob die Gebäudekosten korrekt in die Totalüberschussprognose einbezogen wurden. Der Bundesfinanzhof wies darauf hin, dass die Totalüberschussprognose stets aus der Sicht des jeweiligen Veranlagungszeitraums erstellt werden müsse, um eine realistische Einschätzung der Gewinnerzielungsabsicht zu ermöglichen.

Insgesamt verdeutlicht die Entscheidung, dass bei der Vermietung von Immobilien mit einer Wohnfläche von mehr als 250 Quadratmetern besondere Anforderungen an den Nachweis der Einkünfteerzielungsabsicht gestellt werden. Auch wenn die Vermietung zu mehr als 66 % der ortsüblichen Miete erfolgt, genügt dies nicht automatisch als Nachweis für die Gewinnerzielungsabsicht. Einen Automatismus gibt es bei solchen Immobilien an keiner Stelle mehr. Eine detaillierte Totalüberschussprognose ist erforderlich, um die steuerliche Anerkennung von Verlusten sicherzustellen. Diese Prognose muss alle relevanten Faktoren, einschließlich Mietanpassungen und Finanzierungskosten, berücksichtigen und auf einer realistischen Einschätzung der zukünftigen Einnahmen und Ausgaben basieren.

3. Für alle Steuerpflichtigen: Doppelte Haushaltsführung in einem sog. Wegverlegungsfall

In einem Urteil des Finanzgerichts Köln vom 22. Juni 2023 unter dem Aktenzeichen 11 K 3123/18 ging es um die steuerliche Anerkennung einer doppelten Haushaltsführung in einem sogenannten Wegverlegungsfall. Im Kern dreht sich der Streitfall um die Frage, ob die Klägerin einen eigenen Hausstand an ihrem Lebensmittelpunkt in H unterhalten hat und ob daher die Voraussetzungen für eine beruflich veranlasste doppelte Haushaltsführung erfüllt waren.

Der Sachverhalt verdeutlich die Rechtslage: Die Kläger, ein Ehepaar, hatten ihren gemeinsamen Wohnsitz ursprünglich in Y, wo auch die Klägerin beschäftigt war. Im Jahr 2016 erwarb die Klägerin das elterliche Haus in H und trug vor, dass sich ihr Lebensmittelpunkt nun in H befinde. Demnach machte sie Kosten für eine doppelte Haushaltsführung geltend, da sie weiterhin in Y arbeitete und dort eine Zweitwohnung beibehielt. Die Kläger begründeten die Verlagerung ihres Lebensmittelpunkts nach H mit familiären Bindungen und der Renovierung des Elternhauses. Die Klägerin argumentierte, dass durch den Erwerb des Hauses und die enge familiäre Anbindung der Lebensmittelpunkt nach H verlegt worden sei, was die Geltendmachung einer doppelten Haushaltsführung rechtfertige.

Das Finanzamt lehnte diese Anerkennung ab, da es den Lebensmittelpunkt der Klägerin weiterhin in Y sah. Betrachtet man die Argumentation des Finanzamtes etwas genauer, muss man zugeben, dass diese im vorliegenden Fall auch nicht von der Hand zu weisen ist. Insbesondere war das Alltagsleben der Familie, einschließlich der ärztlichen Versorgung und der sozialen Kontakte der Kinder, in Y verankert. Auch die räumliche Ausstattung des Elternhauses in H sowie die Nutzung des Hauses durch die Eltern der Klägerin sprachen nicht für einen eigenen Hausstand der Klägerin in H.

Das Finanzgericht schloss sich aus durchaus nachvollziehbaren Gründen der Auffassung des Finanzamtes an und wies die Klage ab. Es führte aus, dass für die steuerliche Anerkennung einer doppelten Haushaltsführung gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 des Einkommensteuergesetz (EStG) ein eigener Hausstand am Lebensmittelpunkt und eine beruflich veranlasste Zweitwohnung am Arbeitsort erforderlich sind. Ein Hausstand setzt das Innehaben einer Wohnung und eine finanzielle Beteiligung an den Kosten der Lebensführung voraus. Auch muss sich der Lebensmittelpunkt des Steuerpflichtigen in dieser Wohnung befinden, was durch eine Gesamtwürdigung der Umstände zu ermitteln ist. Dabei sind unter anderem die Dauer und Häufigkeit der Aufenthalte, die Ausstattung und Größe der Wohnung sowie die sozialen Bindungen zu berücksichtigen.

Im vorliegenden Fall sah das Gericht den Lebensmittelpunkt der Klägerin jedoch weiterhin eindeutig in Y. Die regelmäßige Anwesenheit der Klägerin und der Kinder in Y, die Nutzung der ärztlichen Versorgung sowie die Anmeldung der Kinder in Schule und Kindergarten in Y deuteten nach der unseres Erachtens nachvollziehbaren Meinung des Gerichtes eindeutig darauf hin, dass sich das familiäre Leben hauptsächlich auch dort abspielte. Das Haus in H wurde nach Ansicht des Gerichts lediglich zu Besuchszwecken genutzt. Zudem konnte die Klägerin keine ausreichenden Nachweise für eine finanzielle Beteiligung an den Kosten der Lebensführung in H erbringen, da das Haus hauptsächlich von den Eltern bewohnt wurde und diese die anfallenden Kosten trugen.

Die Klägerin konnte somit weder einen eigenen Hausstand in H noch die Verlagerung ihres Lebensmittelpunkts dorthin glaubhaft machen. Daher verneinte das Gericht korrekterweise die Voraussetzungen für eine doppelte Haushaltsführung, was dazu führte, dass die geltend gemachten Aufwendungen nicht steuerlich anerkannt wurden.

Mit dieser Entscheidung bestätigte das Finanzgericht die eigentlich schon immer bestehende Rechtsauffassung, dass ein bloßes Vorhalten einer Wohnung ohne nachgewiesenen Lebensmittelpunkt und finanziellen Beitrag zu den Haushaltskosten nicht ausreicht, um eine doppelte Haushaltsführung steuerlich geltend zu machen.

4. Für Arbeitnehmer: Erstattung von Lohnkirchensteuer an den Arbeitgeber

Das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 23.08.2023 unter dem Aktenzeichen X R 16/21 behandelt eine steuerliche Fragestellung, die besonders im Zusammenhang mit der Erstattung von Kirchensteuer relevant ist. Die grundsätzliche Frage war, ob die Zahlung einer Kirchensteuer, die ein Arbeitnehmer seinem Arbeitgeber im Rahmen eines Regresses erstattet, als Werbungskosten oder als Sonderausgabe bei der Einkommensteuer berücksichtigt werden kann. Diese Thematik berührt nicht nur die steuerrechtliche Einstufung von Ausgaben, sondern auch die Frage nach dem Zusammenhang zwischen beruflichen Tätigkeiten und privaten Steuerpflichten.

Im vorliegenden Fall wurde ein Gesellschafter-Geschäftsführer, der spätere Kläger, von seiner Arbeitgeber-GmbH in Regress genommen, nachdem die GmbH aufgrund einer Lohnsteueraußenprüfung für den Kläger Lohn- und Kirchensteuer nachzahlen musste. Die GmbH haftete gemäß § 42d des Einkommensteuergesetzes (EStG) als Arbeitgeberin für die nicht abgeführte Steuer. Der Kläger erstattete der GmbH daraufhin die Kirchensteuer und machte diese Zahlung in seiner Einkommensteuererklärung als Sonderausgabe geltend.

Das Finanzamt lehnte dies ab und argumentierte, dass die Zahlung nicht als Sonderausgabe abzugsfähig sei, da der Kläger nicht auf seine eigene Kirchensteuerschuld, sondern lediglich im Rahmen eines zivilrechtlichen Regresses gezahlt habe. Auch das Finanzgericht Münster wies die Klage des Klägers ab und stellte fest, dass die Erstattung der Kirchensteuer nicht auf einer eigenen Steuerschuld des Klägers, sondern auf der Haftung der GmbH beruhte.

Der Bundesfinanzhof entschied zugunsten des Klägers und hob das Urteil des Finanzgerichts Münster auf. Er stellte klar, dass die vom Kläger an die GmbH gezahlte Kirchensteuer als Sonderausgabe nach § 10 Abs. 1 Nr. 4 EStG abzugsfähig ist. Diese Zahlung sei auf die persönliche Kirchensteuerschuld des Klägers erfolgt, auch wenn sie im Rahmen eines Regresses an den Arbeitgeber geleistet wurde.

Der Bundesfinanzhof führte aus, dass die Erstattung der Kirchensteuer durch den Kläger an die GmbH nicht als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit abziehbar ist. Werbungskosten setzen einen objektiven Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit voraus, der hier nicht gegeben sei, da die Zahlung auf einem zivilrechtlichen Anspruch basiere und nicht direkt durch die berufliche Tätigkeit des Klägers verursacht wurde.

Jedoch kann die Erstattung als Sonderausgabe abgezogen werden. Der Bundesfinanzhof begründete dies damit, dass es sich bei der Erstattung an den Arbeitgeber um eine Zahlung auf die eigene Kirchensteuerschuld des Klägers handelt. Die GmbH hatte die Steuer im Vorgriff auf eine Nachforderung abgeführt, die den Kläger als Steuerschuldner belastete. Somit handelte es sich bei der Erstattung durch den Kläger an die GmbH um eine Zahlung auf seine persönliche Steuerschuld, was den Abzug als Sonderausgabe rechtfertigt.

Wichtig für die Einordnung als Sonderausgabe ist der Umstand, dass die Erstattung der Kirchensteuer durch den Kläger nicht als Drittaufwand gewertet wurde. Der Bundesfinanzhof betonte, dass die Zahlung durch den Arbeitgeber im Wege des Steuerabzugs und die anschließende Erstattung durch den Arbeitnehmer als Teil des Lohnsteuerverfahrens anzusehen sei. Der Kläger wurde durch diese Zahlung wirtschaftlich belastet und war rechtlich verpflichtet, die Steuerschuld zu begleichen, was ihn zum Abzug berechtigte.

5. Für Erben: Kapitalertragsteuer leider keine Nachlassverbindlichkeit

Das Urteil des Finanzgerichts Münster vom 2.11.2023 unter dem Aktenzeichen 3 K 2755/22 Erb befasst sich mit einer komplexen steuerrechtlichen Fragestellung im Bereich der Erbschaftsteuer. Konkret geht es darum, ob Kapitalertragsteuer, die auf eine Gewinnausschüttung anfällt, als Nachlassverbindlichkeit abziehbar ist. Im vorliegenden Fall erbte der Kläger nach dem Tod seines Vaters Anteile an einer GmbH. Noch zu Lebzeiten des Vaters beschloss die Gesellschafterversammlung der GmbH eine Ausschüttung, die jedoch erst nach dessen Tod erfolgte. Bei der Auszahlung wurde die Kapitalertragsteuer nebst Solidaritätszuschlag einbehalten. In der Erbschaftsteuererklärung machte der Kläger geltend, dass diese einbehaltenen Steuern als Nachlassverbindlichkeiten zu berücksichtigen seien. Das Finanzamt folgte dieser Auffassung jedoch nicht und setzte den Nennwert der Ausschüttung ohne Abzug der Kapitalertragsteuer fest.

Dagegen richtete der Steuerpflichtige seine Klage. Er argumentierte, dass die Kapitalertragsteuer den Wert der Ausschüttungsforderung mindere und somit die tatsächliche Bereicherung reduziert wird. Er verwies darauf, dass die Steuerschuld zwar erst nach dem Tod des Vaters formal entstanden sei, ihre Entstehung jedoch bereits sicher und konkret absehbar gewesen sei. Demnach sei die Kapitalertragsteuer als Nachlassverbindlichkeit abzugsfähig, da sie in direktem Zusammenhang mit dem Erwerb des Vermächtnisses steht.

Das Finanzamt hingegen vertrat die Ansicht, dass die Kapitalertragsteuer keine Nachlassverbindlichkeit darstellt. Es führte an, dass die Steuer nicht auf den Erblasser, sondern auf den Erben entfalle, da der steuerlich relevante Zufluss der Ausschüttung erst nach dem Tod des Erblassers erfolgt sei. Nach der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs mit Urteil vom 17.2.2010 unter dem Aktenzeichen II R 23/09 mindert die Kapitalertragsteuer nicht den Wert der Forderung, da es sich lediglich um eine Form der Einkommensteuervorauszahlung handele, die erst beim Erben anfällt.

Das Finanzgericht Münster schloss sich daher der Auffassung des Finanzamts an und wies die Klage ab. Das Gericht stellte klar, dass die Erbschaftsteuer die Bereicherung des Erben besteuere, die sich nach dem Wert des gesamten Vermögensanfalls abzüglich der abzugsfähigen Nachlassverbindlichkeiten bestimme. Nach § 10 Abs. 5 Nr. 1 des Erbschaftsteuergesetzes (ErbStG) könnten Steuerschulden nur dann als Nachlassverbindlichkeiten abgezogen werden, wenn sie aus Verbindlichkeiten des Erblassers resultierten, die dieser zu Lebzeiten in eigener Person begründet habe.

Im vorliegenden Fall sei der steuerlich relevante Tatbestand, nämlich der Zufluss der Ausschüttung, jedoch erst nach dem Tod des Erblassers verwirklicht worden. Die Kapitalertragsteuer ist daher eine Steuerschuld des Erben und nicht des Erblassers, weshalb sie nicht als Nachlassverbindlichkeit abzugsfähig sein kann. Das Gericht führte weiter aus, dass die Doppelbesteuerung durch Erbschaft- und Einkommensteuer verfassungsrechtlich unbedenklich ist, da es sich um unterschiedliche steuerliche Tatbestände handele. Diese Einschätzung entspricht auch der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts im Nichtannahmebeschluss vom 7.4.2015 unter dem Aktenzeichen 1 BvR 1432/10.

In der Folge wurde die Klage des Erben abgewiesen, und die Erbschaftsteuer wurde auf der Grundlage des vollen Nennwerts der Ausschüttung ohne Abzug der einbehaltenen Kapitalertragsteuer festgesetzt. Auch wenn man in der ersten Reaktion das Gefühl hat, dass nun Erbschaftsteuer erhoben wird, obwohl der Steuerpflichtige insoweit nicht bereichert ist, stellt sich dieses Gefühl als falsch heraus. Im Endeffekt wird man der Argumentation von Finanzamt und Finanzgericht zustimmen müssen.

6. Für Arbeitnehmer und Arbeitgeber: Zuschlägen für Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit

Das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 10.8.2023 unter dem Aktenzeichen VI R 11/21 befasst sich mit der Fragestellung zur Berechnung des Grundlohns für die Bemessung der Steuerfreiheit von Zuschlägen für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit. Diese Frage ist von erheblicher Bedeutung, da Zuschläge für Arbeit zu diesen besonderen Zeiten nach § 3b des Einkommensteuergesetzes (EStG) steuerfrei sind, sofern bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind. Der Grundlohn bildet dabei die Bemessungsgrundlage, und es stellt sich die Frage, welche Lohnbestandteile in diesen Grundlohn einzubeziehen sind.

Im konkreten Sachverhalt gewährte die Klägerin, ein Unternehmen, ihren Arbeitnehmern in den Jahren 2012 bis 2015 steuerfreie Zuschläge für Arbeit an Sonn- und Feiertagen sowie für Nachtarbeit. Bei der Berechnung des Grundlohns, der nach § 3b Abs. 2 EStG maßgeblich für die Steuerfreiheit dieser Zuschläge ist, berücksichtigte die Klägerin auch Beiträge, die sie aufgrund einer Gehaltsumwandlung an eine zugunsten der Arbeitnehmer eingerichtete Unterstützungskasse entrichtete. Diese Kasse diente der Alters- und Hinterbliebenenversorgung der Arbeitnehmer. Allerdings vermittelten weder die Leistungszusage der Klägerin noch der Leistungsplan der Unterstützungskasse den Arbeitnehmern einen eigenen Anspruch gegenüber der Kasse.

Das Finanzamt, welches eine Lohnsteuer-Außenprüfung bei der Klägerin durchführte, vertrat die Ansicht, dass die Beiträge an die Unterstützungskasse nicht zum Grundlohn im Sinne von § 3b Abs. 2 EStG gehören. Grundlohn sei der laufende Arbeitslohn, und dieser umfasse lediglich das tatsächlich zugeflossene Arbeitsentgelt, nicht jedoch das arbeitsvertraglich geschuldete Entgelt. Da die Beiträge an die Unterstützungskasse den Arbeitnehmern keinen eigenen Anspruch auf Versorgungsleistungen vermittelten und somit kein tatsächlicher Zufluss an die Arbeitnehmer erfolgte, sah das Finanzamt diese Beiträge nicht als Bestandteil des laufenden Arbeitslohns an. Folglich minderte es die als steuerfrei behandelten Zuschläge entsprechend und erließ einen Lohnsteuer-Nachforderungsbescheid.

Die Klägerin legte nach einem erfolglosen Einspruch gegen diesen Bescheid Klage beim Finanzgericht Baden-Württemberg ein. Das erstinstanzliche Finanzgericht entschied jedoch im Urteil vom 19.4.20221 unter dem Aktenzeichen 10 K 1865/20 zugunsten des Finanzamts und wies die Klage ab. In seiner Begründung folgte das Gericht der Auffassung des Finanzamts, dass der Grundlohn nach § 3b Abs. 2 EStG nur das tatsächlich ausgezahlte Arbeitsentgelt umfasst und die Beiträge an die Unterstützungskasse somit nicht einzubeziehen sind.

Die Klägerin ließ diese Entscheidung erfreulicherweise nicht auf sich beruhen und legte Revision beim Bundesfinanzhof in München ein. Sie rügte eine Verletzung materiellen Rechts und argumentierte, dass die Beiträge an die Unterstützungskasse sehr wohl Bestandteil des Grundlohns sein müssten, da sie auf einer arbeitsvertraglichen Vereinbarung basierten und somit dem Arbeitnehmer arbeitsrechtlich zustanden.

Der Bundesfinanzhof entschied tatsächlich zugunsten der Klägerin und hob das Urteil des erstinstanzlichen Finanzgerichts Baden-Württemberg auf. Er stellte klar, dass der Grundlohn im Sinne von § 3b Abs. 2 Satz 1 EStG der laufende Arbeitslohn ist, der dem Arbeitnehmer bei der für ihn maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit für den jeweiligen Lohnzahlungszeitraum arbeitsvertraglich zusteht. Es ist dabei unerheblich, ob und in welchem Umfang der Grundlohn tatsächlich an den Arbeitnehmer ausgezahlt wird. Die obersten Finanzrichter betonten, dass der Wortlaut des Gesetzes eindeutig ist: Maßgeblich ist, was dem Arbeitnehmer zusteht, nicht das, was ihm tatsächlich zufließt. Diese Auslegung folgt dem Zweck der Vorschrift, dem Arbeitnehmer einen finanziellen Ausgleich für die besonderen Erschwernisse durch Arbeit zu ungünstigen Zeiten zu gewähren. Dieser Ausgleich könne nur dann effektiv und transparent erfolgen, wenn die Steuerfreiheit der Zuschläge nach dem vereinbarten, arbeitsvertraglich geschuldeten Grundlohn bemessen wird und nicht nach dem tatsächlich ausgezahlten Lohn.

Zur Begründung seiner Entscheidung führte der Bundesfinanzhof weiter aus, dass sich aus der Entstehungsgeschichte der Vorschrift nichts Gegenteiliges ergebe. Bereits die Vorgängerregelung habe den Begriff »zustehen« verwendet, und auch in späteren Fassungen des § 3b EStG sei dieser Wortlaut beibehalten worden. Die Gesetzgebungsgeschichte zeige somit, dass keine Änderung hinsichtlich des Begriffs »Grundlohn« beabsichtigt war, die auf das tatsächlich ausgezahlte Entgelt abstellen würde.

Auch die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs hat immer den laufenden Arbeitslohn von sonstigen Bezügen abgegrenzt und dabei klargestellt, dass laufender Arbeitslohn das regelmäßig zufließende Entgelt ist. Diese Rechtsprechung rechtfertigt jedoch nicht die Schlussfolgerung, dass der Grundlohn nach § 3b Abs. 2 Satz 1 EStG nach dem tatsächlich zugeflossenen Entgelt zu bemessen ist. Der Bundesfinanzhof stellte insoweit klar, dass diese Abgrenzung nur für die Unterscheidung zwischen laufendem Arbeitslohn und sonstigen Bezügen relevant ist, nicht aber für die Bestimmung des Grundlohns im Sinne des § 3b EStG. Entscheidend ist vielmehr die Regelmäßigkeit der Zahlungen, unabhängig vom tatsächlichen Zufluss.

Des Weiteren betonte der Bundesfinanzhof, dass auch die Finanzverwaltung in Richtlinie 3b der Lohnsteuer-Richtlinien (LStR) davon ausgeht, dass bei der Ermittlung des Grundlohns auf den arbeitsvertraglich geschuldeten und nicht auf den zugeflossenen Lohn abzustellen ist. Dies zeigt sich zum Beispiel daran, dass die Finanzbehörden den Begriff des »Basisgrundlohns« nach dem vereinbarten Lohn für den jeweiligen Zahlungszeitraum bestimmen.

Auf Grundlage dieser Überlegungen entschied der Bundesfinanzhof, dass die Beiträge der Klägerin an die Unterstützungskasse in den Grundlohn einzubeziehen sind. Die Klägerin hatte die Beiträge laufend geleistet, und diese standen den Arbeitnehmern aufgrund einer arbeitsvertraglichen Verpflichtung zu. Somit sind die von der Klägerin gewährten Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit in der geltend gemachten Höhe steuerfrei.

Diese Entscheidung ist im Ergebnis für Arbeitgeber von großer Bedeutung, da sie die Berechnung der Steuerfreiheit von Zuschlägen beeinflusst und mögliche Risiken bei der Lohnsteuerveranlagung minimiert.

7. Für Eltern: Per E-Mail gestellter Kindergeldantrag formwirksam

Im deutschen Steuerrecht spielt das Kindergeld eine zentrale Rolle, um Familien finanziell zu entlasten und das Existenzminimum der Kinder steuerfrei zu stellen. Die Beantragung von Kindergeld ist dabei an bestimmte formale Voraussetzungen geknüpft. Insbesondere stellt sich immer wieder die Frage, welche Anforderungen an die Form eines Kindergeldantrags selbst zu stellen sind, um eine rückwirkende Auszahlung zu gewährleisten. Diese Frage ist auch im vorliegenden Fall von großer Bedeutung, in dem der Bundesfinanzhof am 12.10.2023 unter dem Aktenzeichen III R 38/21 eine Entscheidung getroffen hat.

Im konkreten Streitfall hatte die Klägerin im Juli 2019 per E-Mail bei der Familienkasse Kindergeld beantragt, nachdem die Zahlungen für ihre Kinder ab Mai 2018 eingestellt worden waren. In ihrer E-Mail gab sie alle relevanten Informationen an, wie ihren Namen, ihre Adresse und die Kindergeldnummer. Die Familienkasse lehnte jedoch den Antrag ab und verlangte eine formelle Antragstellung, da sie der Ansicht war, dass eine einfache E-Mail nicht ausreiche, um die gesetzlich geforderte Schriftform zu erfüllen. Sie argumentierte, dass gemäß § 87a Abs. 3 der Abgabenordnung (AO) bei einer elektronischen Antragstellung eine qualifizierte elektronische Signatur erforderlich ist. Da diese Signatur fehlte, betrachtete die Familienkasse den Antrag erst ab dem Datum als wirksam gestellt, an dem die Klägerin das ausgefüllte und unterschriebene Formular per E-Mail im November 2019 nachreichte. Daher gewährte sie das Kindergeld nur für den Zeitraum ab Mai 2019, denn vor dem 18.7.2019 war der Anspruch auf Kindergeld und nach dem 18.7.2019 der Anspruch auf Auszahlung des Kindergelds auf die letzten sechs Kalendermonate vor Beginn des Monats, in dem der Antrag auf Kindergeld eingegangen ist, begrenzt

Die Klägerin war jedoch der Ansicht, dass bereits ihre erste E-Mail vom Juli 2019 einen formwirksamen Antrag darstellte und legte Einspruch ein. Da die Familienkasse den Einspruch wie erwartet ablehnte, zog sie vor das zuständige Finanzgericht Rheinland-Pfalz. Das Gericht entschied mit Urteil vom 6.7.2021 unter dem Aktenzeichen 5 K 1714/20 zugunsten der Klägerin und verpflichtete die Familienkasse, das Kindergeld auch für den Zeitraum von Mai 2018 bis April 2019 nachzuzahlen. Es befand, dass die E-Mail vom 16.07.2019 alle notwendigen Angaben enthielt und somit die Anforderungen an einen wirksamen Kindergeldantrag erfüllte. Entscheidend war für das Gericht, dass der Zugang zum Kindergeld nicht durch übermäßige Formvorschriften erschwert werden darf.

Die Familienkasse pochte jedoch auf ihre Formalien und akzeptierte dieses Urteil nicht, sondern legte Revision beim Bundesfinanzhof ein. Die Beamten argumentierten, dass das Finanzgericht die rechtlichen Anforderungen an die Schriftform verkannt habe. Ein Kindergeldantrag müsse schriftlich erfolgen, was eine qualifizierte elektronische Signatur erfordere, wenn er per E-Mail gestellt wird. Ohne diese Signatur könne die E-Mail vom Juli 2019 nicht als formwirksamer Antrag angesehen werden, weshalb das Kindergeld erst ab November 2019 rückwirkend gewährt werden könne.

Der Bundesfinanzhof bestätigte jedoch erfreulicherweise die Entscheidung des Finanzgerichts weitgehend und erteilte der formalistischen Beamtenmeinung eine Absage. Die obersten Finanzrichter entschieden nämlich, dass ein Kindergeldantrag auch dann formwirksam ist, wenn er per einfacher E-Mail ohne qualifizierte elektronische Signatur gestellt wird, solange alle relevanten Informationen wie Name, Adresse und die Höhe des begehrten Kindergeldes enthalten sind.

Der Bundesfinanzhof stellte weitergehend klar, dass das Gesetz keine Unterschrift fordert, um die Schriftform zu erfüllen, und dass der Zugang zum Kindergeld möglichst niederschwellig gehalten werden muss, um dem Förderzweck der Familienpolitik gerecht zu werden. Das oberste Gericht verwies ausdrücklich darauf, dass der Begriff »schriftlich« in § 67 Satz 1 Einkommensteuergesetz nicht zwangsläufig eine Unterschrift voraussetzt, sondern vielmehr sicherstellen soll, dass der Antrag dokumentiert und überprüfbar ist.

Folglich resultierte auch die Entscheidung, dass die rückwirkende Gewährung des Kindergeldes nicht durch die Sechs-Monats-Frist des § 70 Abs. 1 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in der neuen Fassung beschränkt ist, da der Antrag bereits vor dem 18.07.2019 gestellt worden ist. Somit ist das Kindergeld für den Zeitraum von Mai 2018 bis April 2019 auszuzahlen. Im Ergebnis mal ein wirklicher Beitrag zum Bürokratieabbau.

8. Für GmbHs: Verluste von Kapitalgesellschaften aus stillen Beteiligungen

Eine Entscheidung des Finanzgerichtes Baden-Württemberg vom 25.5.2023 unter dem Aktenzeichen 3 K 1694/19 musste sich mit der Regelung in § 15 Abs. 4 Sätze 6 bis 8 des Einkommensteuergesetzes (EStG) beschäftigten. Danach gilt: Verluste aus stillen Gesellschaften, Unterbeteiligungen oder sonstigen Innengesellschaften an Kapitalgesellschaften, bei denen der Gesellschafter oder Beteiligte als Mitunternehmer anzusehen ist, dürfen weder mit Einkünften aus Gewerbebetrieb noch aus anderen Einkunftsarten ausgeglichen werden. Sie dürfen auch nicht nach § 10d abgezogen werden. Die Verluste mindern jedoch nach Maßgabe des § 10d die Gewinne, die der Gesellschafter oder Beteiligte in dem unmittelbar vorangegangenen Wirtschaftsjahr oder in den folgenden Wirtschaftsjahren aus derselben stillen Gesellschaft, Unterbeteiligung oder sonstigen Innengesellschaft bezieht.

Im konkreten Streitfall, der vor dem Finanzgericht Baden-Württemberg verhandelt wurde, klagte eine GmbH, die sich als atypisch stille Gesellschafterin an einer anderen GmbH beteiligt hatte. Die Klägerin argumentierte, dass die in § 15 Abs. 4 Sätze 6 bis 8 EStG geregelte Verlustabzugsbeschränkung verfassungswidrig sei, da sie den allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) verletze. Sie brachte vor, dass die Regelung eine unzulässige Ungleichbehandlung zwischen Kapitalgesellschaften und natürlichen Personen darstelle, die ebenfalls als stille Gesellschafter auftreten könnten, aber nicht denselben Beschränkungen unterlägen.

Das beklagte Finanzamt hingegen vertrat die Auffassung, dass die Verlustabzugsbeschränkung notwendig sei, um missbräuchliche Gestaltungen zu verhindern und dass die gesetzliche Regelung durch die Befugnis des Gesetzgebers zur Typisierung gedeckt sei. Es wurde betont, dass der Gesetzgeber einen weiten Spielraum habe, wenn es darum gehe, Steuergesetze zu gestalten, insbesondere wenn es darum gehe, Steuergerechtigkeit zu gewährleisten und Umgehungen zu verhindern.

Das Finanzgericht Baden-Württemberg entschied zugunsten des Finanzamts und wies die Klage ab. In seiner Begründung führte das Gericht aus, dass die Verlustabzugsbeschränkung in § 15 Abs. 4 Sätze 6 bis 8 EStG verfassungsmäßig ist. Das Gericht betonte, dass der allgemeine Gleichheitssatz nicht verletzt wird, wenn der Gesetzgeber sachlich gerechtfertigte Differenzierungen vornimmt. Im vorliegenden Fall sei die Differenzierung dadurch gerechtfertigt, dass Kapitalgesellschaften durch ihre Struktur und ihre Möglichkeit zur Nutzung von Verlusten in besonderer Weise von der Regelung betroffen seien. Die Regelung diene dazu, Umgehungen zu verhindern, die ansonsten durch die Nutzung von stillen Beteiligungen möglich wären, um Verluste steuermindernd geltend zu machen.

Das Gericht wies auch darauf hin, dass der Gesetzgeber bei der Typisierung von Steuersachverhalten einen weiten Spielraum hat, solange die Regelung nicht offensichtlich willkürlich ist. Da die Verlustabzugsbeschränkung für Kapitalgesellschaften nicht zu einer endgültigen Versagung des Verlustabzugs führt, sondern lediglich zu einer zeitlichen Verschiebung, sah das Gericht keinen Verstoß gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip.

Abschließend ist die Angelegenheit damit aber noch nicht geklärt, den aktuell ist noch die Revision vor dem Bundesfinanzhof unter dem Aktenzeichen XI R 20/23 anhängig

Hinweis: Die in diesem Mandantenbrief enthaltenen Beiträge sind nach bestem Wissen und Kenntnisstand verfasst worden. Sie dienen nur der allgemeinen Information und ersetzen keine qualifizierte Beratung in konkreten Fällen. Eine Haftung für den Inhalt dieses Informationsschreibens kann daher nicht übernommen werden.

 

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