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Mandantenbrief 12/2020

Inhalt:
  1. Für alle Steuerpflichtigen: Offenbare Unrichtigkeiten bei ordnungsgemäßer Erklärung und Fehler des Finanzamtes
  2. Für alle Steuerpflichtigen: Entfernungspauschale bei Hin- und Rückweg an unterschiedlichen Arbeitstagen
  3. Für alle Steuerpflichtigen: Marderbefall keine außergewöhnliche Belastung
  4. Für alle Steuerpflichtigen: Zum Begriff eines ordnungsgemäßen (Computer-) Fahrtenbuches
  5. Für GmbH-Gesellschafter: Zur Besteuerung einer inkongruenten Gewinnausschüttung
  6. Für Gesellschafter einer Personengesellschaft: Keine Klagebefugnis des Gesellschafters
  7. Für Eltern: Zur Übertragung des Freibetrags für den Betreuungs-, Erziehungs- und Ausbildungsbedarf des Kindes
  8. Für Erben: Abzug von vergeblichen Rechtsverfolgungskosten als Nachlassverbindlichkeit
  9. Für alle Steuerpflichtigen: Zur Steuerfreiheit bei der Übertragung des Familienheims

1. Für alle Steuerpflichtigen: Offenbare Unrichtigkeiten bei ordnungsgemäßer Erklärung und Fehler des Finanzamtes

In der Rechtsprechung ist es schon lange ein erheblicher Streitpunkt, wie mit Fehlern umzugehen ist, die beim Finanzamt aufgrund einer grob unachtsamen Bearbeitung von Prüfhinweisen entstehen, bei denen die eingereichte Steuererklärung jedoch vollkommen korrekt ist.

Häufig geht es dabei darum, ob vom Steuerpflichtigen vollkommen korrekt erklärte Einkünfte, die bei Bearbeitung der Steuererklärung wegen unachtsamer Bearbeitung vergessen wurden, über die Änderungsvorschrift der offenbaren Unrichtigkeiten nachgereicht werden können. Im Zentrum steht dabei die Frage, ob insoweit überhaupt eine offenbare Unrichtigkeit gegeben ist oder ob unterstellt werden muss, dass auch rechtliche Erwägungen dazu geführt haben können, dass das Finanzamt von der korrekt erklärten Steuererklärung abgewichen ist.

Das erstinstanzliche Finanzgericht Düsseldorf hatte hier in seiner Entscheidung vom 16.02.2017 unter dem Aktenzeichen 14 K 3554/14 E eine negative Entscheidung für die Steuerpflichtigen getroffen. Danach hieß es nämlich: Die unbewusste Nichterfassung korrekt erklärter Einkünfte aus selbstständiger Arbeit bei der Einkommensteuerveranlagung aufgrund eines Fehlers beim Einscannen der Steuererklärung stellt unter Berücksichtigung der durch das Risikomanagement der Finanzverwaltung vorgesehenen Arbeitsweise auch dann noch eine offenbare Unrichtigkeit und keinen Rechtsanwendungsfehler aufgrund mangelhafter Sachverhaltsaufklärung dar, wenn sie auf die grob unachtsame Bearbeitung von Prüfhinweisen zurückzuführen ist.

Die Entscheidung hatte in der Praxis für erhebliches Rumoren gesorgt, denn schließlich ist es kaum nachvollziehbar, warum noch eine offenbare Unrichtigkeit gegeben sein soll, wenn doch der bearbeitende Finanzamtsmitarbeiter mittels Risikomanagement auf einen Fehler hingewiesen wird, aber dennoch nicht korrigierend eingreift. Schlicht der gesunde Menschenverstand sagt einem in einem solchen Fall schon, dass hier doch höchstwahrscheinlich ein Abwägen und damit eine Rechtsanwendung vorgenommen worden ist. Allein diese Möglichkeit sollte eine Änderung aufgrund von offenbaren Unrichtigkeiten ausscheiden lassen.

Erfreulicherweise ist der Streitfall beim Bundesfinanzhof in München unter dem Aktenzeichen VIII R 4/17 anhängig geworden und dieser hat nun die Sache entgegen der erstinstanzlichen Aussage wieder richtiggestellt. Mit Urteil vom 14.01.2020 heißt es: Sind vom Steuerpflichtigen in seiner Steuererklärung angegebene Einkünfte im Einkommensteuerbescheid nicht berücksichtigt worden, weil eine Anlage zur Einkommensteuererklärung versehentlich nicht eingescannt und die angegebenen Einkünfte somit nicht in das elektronische System übernommen wurden, liegt insoweit ein mechanisches Versehen und damit auch grundsätzlich eine offenbare Unrichtigkeit im Sinne der gesetzlichen Regelung des § 129 der Abgabenordnung (AO) vor.

Dies ist auch durchaus nachvollziehbar, jedoch kommt die wichtigste Aussage der obersten Finanzrichter der Republik erst jetzt: Ein mechanisches Versehen ist nämlich nicht mehr gegeben, sondern es liegt ein Fehler im Bereich der Sachverhaltsermittlung vor, wenn der Sachbearbeiter eine weitere Sachverhaltsermittlung unterlässt, obwohl sich ihm aufgrund der im Rahmen des Risikomanagementsystems ergangenen Prüf- und Risikohinweise eine weitere Prüfung des Falls hätte aufdrängen müssen.

In der Urteilsbegründung führt der Bundesfinanzhof sehr schön aus, weshalb sich Details der Urteilsbegründung auch gut für die Begründung eines eigenen Rechtsbehelfs eignen. Daher soll an dieser Stelle noch vertiefend auf die Urteilsbegründung eingegangen werden.

Grundsätzlich ist klar, dass die Finanzbehörde aufgrund der Regelung in § 129 AO Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die beim Erlass des Verwaltungsaktes unterlaufen sind, jederzeit berichtigen kann.

Im Zentrum der Frage steht dabei, was denn alles ähnliche offenbare Unrichtigkeiten sind. Diese sind einem Schreib- oder Rechenfehler vergleichbare mechanische Versehen, wie beispielsweise Eingabe- oder Übertragungsfehler, die ebenso mechanisch, dies bedeutet ohne weitere Prüfung, erkannt und berichtigt werden können. Dagegen zählen zu den offenbaren Unrichtigkeiten nicht Fehler bei der Auslegung oder Anwendung einer Rechtsnorm, eine unrichtige Tatsachenwürdigung oder die unzutreffende Annahme einer Möglichkeit in einem vorliegenden Sachverhalt. Insoweit ist § 129 AO schon dann nicht anwendbar, wenn auch nur die ernsthafte Möglichkeit besteht, dass die Nichtbeachtung einer feststehenden Tatsache auf einer fehlerhaften Tatsachenwürdigung oder einem sonstigen sachverhaltsbezogenen Denk- oder Überlegungsfehler gründet oder auf mangelnder Sachverhaltsaufklärung beruht. Diese Aussage entspricht im Übrigen der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, wie es beispielsweise aus seiner Entscheidung vom 17.05.2017 unter dem Aktenzeichen X R 45/16 zu ersehen ist.

Allerdings ist nicht jede versehentlich unberücksichtigte Tatsache mit einer unvollständigen Sachverhaltsermittlung gleichzusetzen. Eine einer Berichtigung entgegenstehende unvollständige Sachverhaltsermittlung ist erst anzunehmen, wenn für die Besteuerung wesentliche Tatsachen nicht durch ein mechanisches Versehen berücksichtigt geblieben sind. Ermittlungsfehler gehen somit über das mechanische Versehen bei Heranziehung des Sachverhalts zur Steuerfestsetzung hinaus, weil ein Teil des rechtserheblichen Sachverhalts wegen fehlerhaft unterlassener oder unrichtiger Tatsachenaufklärung noch nicht bekannt ist. Ist dagegen ohne weitere Prüfung erkennbar, dass ein Teil des bekannten Sachverhalts aus Unachtsamkeit bei der Steuerfestsetzung nicht erfasst worden ist, darf die offenbare Unrichtigkeit zu Gunsten und zu Ungunsten des Steuerpflichtigen durch Berichtigung der versehentlich fehlerhaften Steuerfestsetzung korrigiert werden. So auch zuletzt die höchstrichterliche Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 22.05.2019 unter dem Aktenzeichen XI R 9/18.

"Offenbar" ist eine Unrichtigkeit hingegen immer dann, wenn sie klar auf der Hand liegt, durchschaubar, eindeutig oder augenfällig ist. Maßgebend ist deshalb, ob der Fehler bei Offenlegung des aktenkundigen Sachverhalts für jeden unvoreingenommenen (objektiven) Dritten klar und deutlich als offenbare Unrichtigkeit erkennbar ist. Dabei genügt die Offenbarkeit der Unrichtigkeit als solche. Darauf, ob der Steuerpflichtige die Unrichtigkeit anhand des Bescheides oder der ihm vorliegenden Unterlagen erkennen konnte, kommt es hingegen überhaupt nicht an.

Ausgehend von diesen allgemeingültigen Rechtsprechungsgrundsätzen muss man daher klar herausarbeiten, dass ein eigentlicher Fehler durchaus eine offenbare Unrichtigkeit sein kann. So beispielsweise im Streitfall, in dem das Einscannen einer Anlage zur Steuererklärung versehentlich unterblieben ist und dementsprechend die Daten nicht Eingang in die Berechnung gefunden haben. Damit ist ein Sachverhalt jedoch regelmäßig nicht beendet. Aufgrund des Risikomanagements der Finanzverwaltung erhielt der Sachbearbeiter im Finanzamt nämlich auch mehrere Prüfhinweise, dass hier offensichtlich eine Anlage zur Steuererklärung fehlt. Das Nichtbeachten dieser Prüfhinweise hingegen kann nicht mehr so ohne Weiteres als offenbare Unrichtigkeit abgetan werden, da hier unterstellt werden muss, dass sich der Sachbearbeiter etwas dabei gedacht hat, wenn er dem gegebenen Hinweis nicht nachgeht. Führt daher ein solcher Fehler dazu, dass Einkünfte nicht im Einkommensteuerbescheid aufgeführt werden und dementsprechend die Steuerlast deutlich geringer ist, kann eine Änderung des Bescheides nicht über die Korrekturvorschrift der offenbaren Unrichtigkeiten nach § 129 AO erfolgen.

2. Für alle Steuerpflichtigen: Entfernungspauschale bei Hin- und Rückweg an unterschiedlichen Arbeitstagen

In der Praxis ist es gar nicht so selten, dass der Hin- und Rückweg zur ersten Tätigkeitsstätte an verschiedenen Arbeitstagen stattfindet. Ein Paradebeispiel sind hier Piloten, die an Tag eins zum Flughafen fahren, der als erste Tätigkeitsstätte angesehen werden kann, und bei der Rückkehr von ihrem Flug an Tag zwei von der ersten Tätigkeitsstätte wieder nach Hause fahren. Streitbefangen war in solchen Situationen, wie die Entfernungspauschale zu berücksichtigen ist.

Mit Urteil vom 12.02.2020 führt der Bundesfinanzhof unter dem Aktenzeichen VI R 42/17 dazu wie folgt aus: Ausweislich der gesetzlichen Regelung des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nummer 4 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) sind Werbungskosten auch Aufwendungen des Arbeitnehmers für die Wege zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte im Sinne der gesetzlichen Definition in § 9 Abs. 4 EStG.

Zur Abgeltung dieser Aufwendung ist für jeden Arbeitstag, an dem der Arbeitnehmer die erste Tätigkeitsstätte aufsucht, eine Entfernungspauschale für jeden vollen Kilometer der Entfernung zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte von 0,30 Euro anzusetzen. Höchstens können jedoch im Kalenderjahr 4.500 Euro berücksichtigt werden. Ein höherer Betrag als die vorgenannten 4.500 Euro ist nur dann anzusetzen, soweit der Arbeitnehmer einen eigenen oder ihm zur Nutzung überlassenen Kraftwagen nutzt.

Um nun überhaupt die Entfernungspauschale berechnen zu können, muss zunächst die erste Tätigkeitsstätte festgelegt werden. Bei der ersten Tätigkeitsstätte handelt es sich ausweislich der Definition im Einkommensteuergesetz um die ortsfeste betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers, eines verbundenen Unternehmens oder eines vom Arbeitgeber bestimmten Dritten, der der Arbeitnehmer dauerhaft zugeordnet ist. Im vorliegenden Urteilssachverhalt war es unstrittig, dass der Flughafen die erste Tätigkeitsstätte des Klägers darstellte.

Der Abzug der Entfernungspauschale setzt weiterhin voraus, dass der Steuerpflichtige an einem Arbeitstag den Weg von der Wohnung zu seiner ersten Tätigkeitsstätte und von dort wieder zurück zu seiner Wohnung zurücklegt. Dies subsumiert der Bundesfinanzhof aus früheren Entscheidungen der höchstrichterlichen Rechtsprechung. So hat der erkennende Senat bereits mit Urteil vom 26.07.1978 unter dem Aktenzeichen VI R 16/76 zur Vorgängerregelung der Entfernungspauschale entschieden, dass der frühere Kilometerpauschbetrag für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte mit dem eigenen Kraftfahrzeug zwei Fahrten, also eine Hin- und eine Rückfahrt, abgilt, und dass ein Arbeitnehmer, der lediglich eine Fahrt zurücklegt, dementsprechend nur die Hälfte des Kilometerpauschbetrages als Werbungskosten abziehen kann.

Dabei hatte der Senat unter Hinweis auf eine noch frühere Entscheidung vom 17.12.1971 unter dem Aktenzeichen VI R 12/70 dargelegt, dass der Gesetzgeber insoweit vom Normalfall ausgegangen sei, dass dem Arbeitnehmer täglich Aufwendungen für zwei beruflich veranlasste Fahrten, nämlich für die Hinfahrt zur Arbeitsstätte und für die Rückfahrt von der Arbeitsstätte, entstünden. Insoweit lassen die obersten Finanzrichter der Republik keinen Zweifel daran, dass der damalige Pauschbetrag beide Fahrten abgelten sollte. Lediglich zur Vereinfachung werde der Pauschbetrag nicht auf die tatsächliche auf der Hinfahrt und der Rückfahrt gefahrenen Kilometern angewendet, sondern auf die Entfernung der kürzesten nutzbaren Straßenverbindung von der Wohnung zur Arbeitsstätte. Nach dem Willen des Gesetzgebers, so die Auffassung des Bundesfinanzhofs, soll aber im Ergebnis nur die Hälfte des Pauschbetrags je Entfernungskilometer pro Fahrt als Werbungskosten berücksichtigt werden.

An dieser Auslegung hat sich nach Auffassung des Bundesfinanzhofs weder mit der Einführung der Entfernungspauschale durch das Gesetz zur Einführung einer Entfernungspauschale vom ein 20.12.2000 noch durch nachfolgende Gesetzesänderungen, insbesondere durch das neue Reisekostenrecht ab 2014, etwas geändert.

Daher kommen die Richter in ihrer aktuellen Entscheidung auch zu dem Schluss: Die Entfernungspauschale für Wege zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte gilt arbeitstäglich für zwei Wege, nämlich den Hin- und den Rückweg. Legt ein Arbeitnehmer hingegen nur einen Weg an einem Tag zurück, so ist nur die Hälfte der Entfernungspauschale je Entfernungskilometer und Arbeitstag als Werbungskosten zu berücksichtigen.

3. Für alle Steuerpflichtigen: Marderbefall keine außergewöhnliche Belastung

In der Vorschrift des § 33 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ist geregelt, dass die Einkommensteuer auf Antrag des Steuerpflichtigen in einem bestimmten Umfang ermäßigt wird, wenn ihm zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes erwachsen. Man spricht in diesem Zusammenhang von den sogenannten außergewöhnlichen Belastungen.

Gemäß § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG erwachsen dem Steuerpflichtigen Aufwendungen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen. Die Voraussetzungen sind immer dann gegeben, wenn es sich um Aufwendungen handelt, die in den besonderen Verhältnissen des einzelnen Steuerpflichtigen oder einer Minderheit von Steuerpflichtigen begründet sind. Außergewöhnlich müssen dabei sowohl das Ereignis, das die Belastung des Steuerpflichtigen mit sich bringt, als auch die Aufwendungen als solches sein.

Aufwendungen zur Wiederbeschaffung existenznotwendiger Gegenstände oder zur Beseitigung von Schäden an diesen können aus Anlass eines unausweichlichen Ereignisses wie Brand, Hochwasser, Kriegseinwirkung, Vertreibung oder politische Verfolgung als aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig anzusehen sein und dürfen daher die Einkommensteuer als sogenannte außergewöhnliche Belastungen mindern. In diesem Zusammenhang hat der Bundesfinanzhof insbesondere auch die aus einer sogenannten „privaten Katastrophe“ folgenden Aufwendungen als außergewöhnliche Belastungen angesehen. Dies wurde beispielsweise so im Urteil vom 29.03.2012 unter dem Aktenzeichen VI R 21/11 definiert.

Auch wenn das elementare private Wohnbedürfnis nicht durch das Wohnen in einem eigenen Haus befriedigt werden muss, sind Aufwendungen zur Wiederherstellung der Bewohnbarkeit eines selbstgenutzten Einfamilienhauses nach Eintritt eines außergewöhnlichen Schadensereignisses nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs nicht grundsätzlich von der Anwendung des § 33 EStG ausgeschlossen.

Außergewöhnliche Belastungen können dann vorliegen, wenn der Steuerpflichtige wegen Schäden an seinem Wohnhaus Gefahr läuft, seine Existenzgrundlage zu verlieren oder seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können, insbesondere sein Wohnhaus nicht mehr weiter zu Wohnzwecken nutzen zu können. Denn das Wohnen betrifft grundsätzlich einen existenziell wichtigen Bereich, es gehört zum verfassungsrechtlich geschützten Existenzminimum.

Aufwendungen sind nach § 33 EStG steuermindernd zu berücksichtigen, wenn sie einem Steuerpflichtigen erwachsen, weil er gezwungen ist, eine konkrete von einem Gegenstand des existenznotwendigen Bedarfs ausgehende Gesundheitsgefährdung zu beseitigen. Derartigen Aufwendungen kann der Steuerpflichtige aus tatsächlichen Gründen nicht ausweichen, wenn anderenfalls mit einem Schaden für seine Gesundheit oder die Gesundheit seiner Familie zu rechnen ist. Dabei reicht allerdings nicht eine allgemein bekannte Schädlichkeit, sondern es müssen mindestens konkret zu befürchtende Gesundheitsschäden anzunehmen sein. So auch die ständige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, soweit ersichtlich zuletzt mit Beschluss vom 28.03.2018 unter dem Aktenzeichen VI B 106/17.

Für die in § 33 EStG geforderte Zwangsläufigkeit reicht es daher nicht aus, wenn der Steuerpflichtige möglicherweise in der Zukunft einer Sanierung nicht mehr ausweichen kann. Vielmehr muss die Sanierung im Zeitpunkt ihrer Durchführung unerlässlich sein. Fehlt es an der konkreten Gefahr, so ist eine dennoch durchgeführte Maßnahme als eine steuerlich nicht zu berücksichtigende Gesundheitsvorsorge zu beurteilen. Der Nachweis, dass eine Sanierung zur Beseitigung einer konkreten Gesundheitsgefährdung unverzüglich erforderlich ist, obliegt dabei wie so oft dem Steuerpflichtigen. Wird eine Schadensentwicklung über einen längeren Zeitraum tatenlos hingenommen, fehlt es nämlich in der Folge schließlich an der Zwangsläufigkeit der Aufwendungen.

Um nur die den Umständen nach notwendigen und angemessenen Aufwendungen als außergewöhnliche Belastungen zum Abzug zuzulassen, ist die Unzumutbarkeit anhand objektiver Kriterien zu bestimmen. Handelt es sich um Geruchsbelästigungen, ist das Überschreiten von objektiv feststellbaren Geruchsschwellen erforderlich. Eine Veranlassung der Aufwendungen durch das subjektive Empfinden der Beteiligten genügt insoweit nicht.

Die Richter des vorliegend erkennenden Senats betonen jedoch auch, dass durch eine Einbeziehung von Vermögensbelastungen der Anwendungsbereich des § 33 EStG nicht unangemessen ausgedehnt werden darf. Deshalb ist es geboten, in Fällen mit Vermögensberührung den gesetzlichen Merkmalen der Außergewöhnlichkeit und Zwangsläufigkeit besondere Beachtung zu schenken. Entscheidend ist, ob das Ereignis, dessen Folge die Aufwendungen oder die Verpflichtung zum Bestreiten dieser Aufwendungen sind, für den Steuerpflichtigen zwangsläufig war. Dabei ist nicht nur auf die der Schadensentstehung nächste Ursache abzustellen, sondern auf das auslösende Ereignis zurückzugreifen, also die dahinterliegenden Ursachen in die Betrachtung mit einzubeziehen. Diese sind unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck des § 33 EStG nach steuer- und verfassungsrechtlichen Maßstäben zu werten. Nicht unter § 33 EStG fallen diesem Gedanken folgend daher Kosten, die einem Steuerpflichtigen als Folge seiner frei getroffenen Entscheidungen zur Lebensgestaltung und Lebensführung erwachsen. Diese sind grundsätzlich von ihm selbst und (leider) ohne eine steuerliche Entlastung zu tragen.

Von diesen Grundsätzen ausgehend hat das Finanzgericht Hamburg in seiner Entscheidung vom 20.02.2020 unter dem Aktenzeichen 3 K 28/19 folgende Entscheidung gefällt: Aufwendungen, mit denen dem möglichen Eintritt von Schäden vorgebeugt werden soll - wie etwa Kosten für Maßnahmen, mit denen das Eindringen von Mardern in Wohngebäude und ihre Einnistung verhindert werden soll - sind keine außergewöhnlichen Belastungen.

Die Kosten für die Beseitigung von Mardertoiletten in einem Wohngebäude sind zumindest dann keine außergewöhnliche Belastung, wenn es über Jahre von Mardern aufgesucht wurde und infolge dessen konkrete Gesundheitsgefahren oder unzumutbare Gerüche auftreten. Soweit der Steuerpflichtige nicht nachweisen kann, dass dies nicht erkennbar war oder es keine wirksamen Gegenmaßnahmen gab, ist davon auszugehen, dass es sich bei den später anfallenden Kosten um Folgen seiner freien Willensentschließung handelt. Eine Steuerminderung mittels außergewöhnlicher Belastung scheidet dann aus!

4. Für alle Steuerpflichtigen: Zum Begriff eines ordnungsgemäßen (Computer-) Fahrtenbuches

Die Problematik rund um das Fahrtenbuch ist allgegenwärtig bei der steuerlichen Einordnung eines Fahrzeugs. Das Problem an einem üblichen in Papier zu führenden Fahrtenbuch: Es ist ein Heidenaufwand. Im Zuge der Digitalisierung liegt daher auch der Gedanke nahe, ein Fahrtenbuch moderner und smarter über eine App oder über den Computer zu führen. Leider sind hiermit in der Praxis jedoch einige steuerliche Hürden verbunden.

Das Finanzgericht Münster hat in seiner Entscheidung vom 18.02.2020 unter dem Aktenzeichen 6 K 46/17 E, G sehr differenziert zu den Voraussetzungen eines ordnungsgemäßen Fahrtenbuches (sei es analog oder digital geführt) Stellung genommen. Die wichtigsten Ausführungen aus der Urteilsbegründung wollen wir daher an dieser Stelle für den praktischen Gebrauch aufbereiten und wiedergeben:

So muss als erstes hervorgehoben werden, dass der Begriff des ordnungsgemäßen Fahrtenbuches, egal ob es sich um ein analoges oder digitales Fahrtenbuch handelt, gesetzlich nirgends näher bestimmt ist.

Das Finanzgericht Münster führt allerdings aus, dass bereits aus dem Wortlaut und aus dem Sinn und Zweck der Regelung folgt, dass die dem Nachweis des zu versteuernden Privatanteils (Privatfahrten einschließlich der Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte) an der gesamten Fahrleistung dienenden Aufzeichnungen eine hinreichende Gewähr für ihre Vollständigkeit und Richtigkeit bieten und mit vertretbarem Aufwand auf ihre materielle Richtigkeit hin überprüfbar sein müssen. Dies hört sich alles noch sehr bürokratisch und technisch an. Konkretisierungen sind daher für die Praxis wichtig. Daher gehört zu diesen Voraussetzungen auch, dass das Fahrtenbuch zeitnah und in geschlossener Form geführt worden ist und die zu erfassenden Fahrten einschließlich des an ihrem Ende erreichten Gesamtkilometerstandes vollständig und in ihrem fortlaufenden Zusammenhang wiedergibt.

Nach Meinung des erstinstanzlichen Finanzgerichts Münster lassen sich diese Anforderungen in ihren wesentlichen Zügen bereits aus dem Wortlaut des Gesetzes herleiten, wobei sich die Erstinstanzler unter anderem auch auf eine seinerzeit wegweisende Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 16.11.2005 unter dem Aktenzeichen VI R 64/04 beziehen. Ob dies wirklich so einfach herzuleiten ist, wie seitens der Rechtsprechung behauptet wird, sei an dieser Stelle einmal dahingestellt. Fakt ist, dass diese wesentlichen Züge beachtet werden müssen.

Nach Aussage und Definition der Rechtsprechung erfüllt ein Fahrtenbuch als Eigenbeleg des Fahrzeugführers begrifflich die Aufgabe, über die mit einem Fahrzeug unternommenen Fahrten Rechenschaft abzulegen. Da die dabei zu führenden Aufzeichnungen eine buchförmige Ausgestaltung aufweisen sollen, verlangt aufgrund der Rechtsprechung schon der allgemeine Sprachgebrauch des Weiteren, dass die erforderlichen Angaben in einer gebundenen oder jeweils in einer in sich geschlossenen Form festgehalten werden müssen, die nachträgliche Einfügungen oder Veränderungen ausschließt oder zumindest deutlich als solche erkennbar werden lässt.

Außerdem müssen die geführten Aufzeichnungen eine ordentliche und damit im Wesentlichen eine übersichtliche äußere Form aufweisen, wie die Finanzrichter sowohl erstinstanzlich als auch höchstrichterlich gebetsmühlenartig wiederholen.

Zudem will die Rechtsprechung aus Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung erkennen, dass ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch nicht nur fortlaufend und in einer geordneten und geschlossenen äußeren Form, sondern auch zeitnah zu führen ist. Dabei darf dieser zeitliche Aspekt keinesfalls vernachlässigt werden.

Ziel der ordnungsgemäßen Aufzeichnung muss es sein, dass die unzutreffende Zuordnung einzelner Privatfahrten zum beruflichen Nutzungsanteil wie auch deren gänzliche Nichtberücksichtigung im Fahrtenbuch möglichst auszuschließen ist. Dieser Anforderung wird nur die fortlaufende und zeitnahe Erfassung der Fahrten in einem geschlossenen Verzeichnis gerecht, das aufgrund seiner äußeren Gestaltung geeignet ist, jede im Regelfall nachträgliche Abänderung, Streichungen und Ergänzungen als solche kenntlich werden zu lassen. Vereinfacht gesagt, könnte man hier auch anführen, dass die Rechtsprechung auf diese Art und Weise eine nachträgliche Manipulation des Fahrtenbuchs verhindern und ausschließen möchte, oder diese zumindest so schwer wie irgend möglich machen möchte.

Um dies zu erreichen, hat das Fahrtenbuch neben dem Datum und den Fahrtzielen grundsätzlich auch den jeweils aufgesuchten Kunden oder Geschäftspartner oder, wenn ein solcher nicht vorhanden ist, den konkreten Gegenstand der dienstlichen Verrichtung aufzuführen. Bloße Ortsangaben im Fahrtenbuch genügen allenfalls dann, wenn sich der aufgesuchte Kunde oder Geschäftspartner aus der Ortsangabe zweifelsfrei ergibt oder wenn sich dessen Name auf einfache Weise unter Zuhilfenahme von Unterlagen ermitteln lässt, die ihrerseits nicht mehr ergänzungsbedürftig sind. Dementsprechend müssen die zu erfassenden Fahrten einschließlich des an ihrem Ende erreichten Gesamtkilometerstandes im Fahrtenbuch vollständig und in ihrem fortlaufenden Zusammenhang wiedergegeben werden.

Dies allein zeigt in der Praxis schon den erheblichen Aufwand eines Fahrtenbuches. Grundsätzlich ist dabei nämlich jede einzelne berufliche Verwendung für sich und mit dem bei Abschluss der Fahrt erreichten Gesamtkilometerstand des Fahrzeugs aufzuzeichnen. Besteht allerdings eine einheitliche berufliche Reise aus mehreren Teilabschnitten, so können diese Abschnitte miteinander zu einer zusammenfassenden Eintragung verbunden werden. Dann genügt die Aufzeichnung des am Ende der gesamten Reise erreichten Kilometerstandes, wenn zugleich die einzelnen Kunden oder Geschäftspartner im Fahrtenbuch in der zeitlichen Reihenfolge aufgeführt werden, in der sie aufgesucht worden sind. Diese konkreten Grundsätze sind dabei auf ein Urteil des Bundesfinanzhofes vom 01.03.2012 unter dem Aktenzeichen VI R 33/10 zurückzuführen.

Wenn jedoch der berufliche Einsatz des Fahrzeugs zugunsten einer privaten Verwendung unterbrochen wird, stellt diese Nutzungsänderung wegen der damit verbundenen unterschiedlichen steuerlichen Rechtsfolgen einen Einschnitt dar, der im Fahrtenbuch durch Angabe des bei Abschluss der beruflichen Fahrt erreichten Kilometerstandes zu dokumentieren ist. Auch diese pingelige Auslegung ist direkt in mehreren Urteilen des Bundesfinanzhofs wiederzufinden, so beispielsweise in der Entscheidung der obersten Finanzrichter vom 09.11.2005 unter dem Aktenzeichen VI R 27/05 oder auch der Entscheidung vom 10.04.2008 unter dem Aktenzeichen VI R 38/06.

Bei all diesen Aufzeichnungspflichten liegt wie gesagt die technische Zuhilfenahme mittels App oder Computersystem nahe. Auch hier ist jedoch dann noch einiges zu beachten. Eine mithilfe eines Computerprogramms erzeugte Datei genügt den vorgenannten Anforderungen nämlich nur dann, wenn nachträgliche Veränderungen an den zu einem früheren Zeitpunkt eingegebenen Daten nach der Funktionsweise des verwendeten Programms technisch ausgeschlossen sind oder zumindest in ihrer Reichweite in der Datei selbst dokumentiert und offengelegt werden. Nach diesen Maßstäben ist eine mittels eines Computerprogramms erzeugte Datei, an deren bereits eingegebenem Datenbestand zu einem späteren Zeitpunkt noch Veränderungen vorgenommen werden können, ohne dass die Reichweite dieser Änderung der Datei selbst dokumentiert und bei gewöhnlicher Einsichtnahme in die Datei offengelegt wird, kein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch. Das gilt auch dann, wenn die einzelnen Eintragungen der Computerdatei unmittelbar im Anschluss an die jeweilige Fahrt vorgenommen werden. Eine solche Aufzeichnungsmethode ist nicht geeignet, den fortlaufenden und lückenlosen Charakter der Angaben und ihre zeitnahe Erfassung mit hinreichender Zuverlässigkeit zu belegen. Der auf diese Weise erzeugte Datenbestand ist kein in sich geschlossenes Verzeichnis und damit auch kein Fahrtenbuch im Sinne der gesetzlichen Regelung!

Bei dieser strengen Auslegung ist sich die Rechtsprechung sowohl auf diverser erstinstanzlicher Ebene als auch ausweislich der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs einig. Für die Praxis führt dies im Wesentlichen dazu, dass ein mit dem Computerprogramm Microsoft Excel (oder ähnlichen Tabellenkalkulationsprogrammen) erstelltes Fahrtenbuch niemals als ordnungsgemäß anerkannt werden kann.

Die Rechtsprechung ist sich dabei weiterhin einig, dass eine zeitnahe und geschlossene Dokumentation der Fahrten dem Steuerpflichtigen nach Lage der Dinge keine unangemessenen Belastungen auferlegt. Dabei ist insbesondere auch zu berücksichtigen, dass der zu führende Belegnachweis sich auf Vorgänge bezieht, die sich allein in der Sphäre des Steuerpflichtigen zugetragen haben und die zu einem späteren Zeitpunkt nur in sehr eingeschränktem Umfang und somit mit auch nur mit erheblichem Ermittlungsaufwand auf ihre richtige Darstellung hin überprüfen lassen.

Ausgehend von den vorgenannten Grundsätzen wird daher jedes Fahrtenbuch seitens des Finanzamtes geprüft werden. Gerade im Hinblick auf sogenannte digitale Fahrtenbücher, die die Strecke mittels GPS aufzeichnen, den Kilometerstand gegebenenfalls sogar durch Verbindung mit dem Kfz auslesen können und die entsprechenden Tagesdaten ebenfalls erkennen, ist dennoch Obacht geboten. Der Computer kann nämlich die Angabe des aufgesuchten Geschäftspartners bzw. den Grund der Fahrt niemals selbst eintragen. Zahlreiche Systeme funktionieren daher an dieser Stelle so, dass in einem Internetportal die entsprechenden Angaben nachzutragen sind. Geschieht dies wiederum nicht zeitnah, ist die gegebenenfalls tatsächlich geschäftliche Fahrt als privat einzuordnen, da lediglich die Angabe des aufgesuchten Geschäftspartners nicht zeitnah vorlag und somit eine zeitnahe Führung des Fahrtenbuchs nicht gegeben war.

Nach wie vor bleibt an dieser Stelle zu hoffen, dass dieser umständliche Teil einmal vereinfacht wird. Die Hoffnung stirbt hier allerdings höchstwahrscheinlich zuletzt. Denn Finanzverwaltung und auch Rechtsprechung sind an praktikablen Erleichterungen eher nicht interessiert bzw. sehen dafür keinerlei Notwendigkeit.

5. Für GmbH-Gesellschafter: Zur Besteuerung einer inkongruenten Gewinnausschüttung

Zunächst einmal vorab, was unter einer inkongruenten oder auch disquotalen Gewinnausschüttung zu verstehen ist: Dabei handelt es sich um Gewinnausschüttung, die von der eigentlichen Verteilung der Geschäftsanteile einer GmbH abweicht. Dies soll schlicht und einfach heißen: Ein Gesellschafter bekommt bei der Gewinnverteilung mehr, als ihm nach seiner Anteilshöhe zustehen würde, und ein anderer bekommt dementsprechend weniger. Der Gewinn wird also nicht entsprechend der Verteilung der Anteile an der GmbH verteilt, sondern ein anderer Verteilungsschlüssel wird angewendet.

Im Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) ist insoweit in § 29 Absatz 3 GmbHG geregelt, dass die Verteilung zwar (grundsätzlich) nach dem Verhältnis der Geschäftsanteile erfolgt. Im Gesellschaftsvertrag kann jedoch ein anderer Maßstab der Verteilung festgesetzt werden. Fraglich ist dabei immer, welche Voraussetzungen gegeben sein müssen, damit (insbesondere die Finanzverwaltung) eine von der Verteilung der Geschäftsanteile abweichende Gewinnausschüttung akzeptiert und es später kein böses Erwachen bei der Betriebsprüfung gibt.

Tatsächlich hat die finanzgerichtliche Rechtsprechung hiermit nämlich kein bzw. kaum ein Problem. Bereits mit Urteil vom 19.08.1999 hat der Bundesfinanzhof unter dem Aktenzeichen I R 77/96 entschieden, dass von den Beteiligungsverhältnissen abweichende inkongruente Gewinnausschüttungen (und im Urteilsfall sogar auch noch inkongruente Wiedereinlagen) steuerrechtlich anzuerkennen sind. Ebenso haben die obersten Finanzrichter der Republik in entsprechenden Fällen auch keinen Gestaltungsmissbrauch im Sinne der Regelung des § 42 der Abgabenordnung (AO) erkannt, wenn als Grund für eine inkongruente Gewinnausschüttung andere als steuerliche Gründe nicht erkennbar gewesen sind. Tatsächlich entspricht dies auch dem grundsätzlichen Stand der Rechtsprechung.

Wie so häufig, sieht die Finanzverwaltung dies jedoch deutlich strenger, wie beispielsweise dem Schreiben des Bundesfinanzministeriums vom 17.12.2013 unter dem Aktenzeichen IV C 2 - S 2750 a/11/10001 zu entnehmen ist. Darin vertritt die Finanzverwaltung die Auffassung, dass die steuerliche Anerkennung einer inkongruenten Gewinnausschüttung immer voraussetzt, dass eine vom Anteil am Grund- oder Stammkapital abweichende Gewinnverteilung auch zivilrechtlich wirksam ist. Dies sieht die Finanzverwaltung bei einer GmbH nur in folgenden zwei Fällen als erfüllt:

1. Fall: Im Gesellschaftsvertrag wurde gemäß § 29 Abs. 3 Satz 2 GmbHG ein anderer Maßstab der Verteilung als das Verhältnis der Gesellschaftsanteile vorgegeben. Darüber hinaus stellt die Finanzverwaltung weiterhin klar, dass eine nachträgliche Satzungsänderung zur Regelung einer ungleichen Gewinnverteilung die Zustimmung aller beteiligten Gesellschafter erfordert.

2. Fall: Ist in der Satzung keine konkrete inkongruente Gewinnausschüttung vorgegeben, kann diese steuerrechtlich nur dann wirksam anerkannt werden, wenn anstelle eines konkreten Verteilungsmaßstabs eine Klausel enthalten ist, nach der alljährlich mit Zustimmung der beeinträchtigten Gesellschafter oder einstimmig über eine von der satzungsmäßigen Regelung abweichende Gewinnverteilung beschlossen werden kann und der Beschluss mit der in der Satzung bestimmten Mehrheit gefasst worden ist.

In allen anderen Fällen möchte die Finanzverwaltung eine inkongruente Gewinnausschüttung steuerlich nicht anerkennen. Zwar erwähnt sie noch besondere Voraussetzungen für Aktiengesellschaften, jedoch sollen diese vorliegend vernachlässigt werden, da es hier weiterhin um die mittelständische GmbH gehen soll.

Erfreulicherweise widerspricht aktuell auch wieder ein Finanzgericht der starren Haltung der Finanzverwaltung. So nämlich konkret das Finanzgericht Münster in einem Urteil vom 06.05.2020 unter dem Aktenzeichen 9 K 3359/18.

Im Urteilsfall war der Kläger eine natürliche Person, die zu 50% an der GmbH A beteiligt gewesen ist. Die restlichen 50% an der GmbH A hielt die GmbH B, woran der Kläger 100% der Anteile hielt. Aus der GmbH A wurden nun mehrere Millionenbeträge an die GmbH B inkongruent ausgeschüttet. Der Kläger selbst (als natürliche Person) erhielt dabei nichts. Bei der vorliegenden inkongruenten Gewinnausschüttung waren die oben genannten Voraussetzungen für die Finanzverwaltung nicht erfüllt. Dementsprechend vertrat die Finanzverwaltung die Auffassung, dass die inkongruente Gewinnausschüttung steuerlich nicht anzuerkennen ist.

Dem widersprach jedoch aktuell (und sehr erfreulich) das Finanzgericht Münster. Insoweit stellten die Münsteraner Richter fest, dass aus steuerlicher Sicht eine inkongruente Gewinnausschüttung nicht allein deshalb abgelehnt werden kann, weil die Satzung eine solche nicht ausdrücklich vorsieht oder zumindest eine entsprechende Öffnungsklausel enthält. Dies gilt selbst dann, wenn wie im Urteilsfall Steuerbefreiungen ausgenutzt werden sollen.

Ganz konkret hat im vorliegenden Fall nämlich die inkongruente Gewinnausschüttung an die GmbH B dazu geführt, dass diese dort nur zu 95% der Besteuerung unterliegt.

Hinweis: Tatsächlich möchte sich die Finanzverwaltung in dieser Sache jedoch noch nicht (oder immer noch nicht) geschlagen geben und hat den Revisionszug zum Bundesfinanzhof bestiegen. Unter dem Aktenzeichen VIII R 20/20 muss dieser nun die folgenden Rechtsfragen beantworten:

  • Handelt es sich bei der nachträglichen Vereinbarung einer inkongruenten Gewinnausschüttung bei einer GmbH, deren Gesellschaftsvertrag weder eine von § 29 Abs. 3 Satz 1 GmbHG abweichende Gewinnverteilung noch eine Öffnungsklausel vorsieht, um eine Satzungserklärung mit Dauerwirkung, deren zivilrechtliche Wirksamkeit die notarielle Beurkundung und Eintragung in das Handelsregister voraussetzt?

  • Liegt ein Gestaltungsmissbrauch vor, wenn an der ausschüttenden GmbH eine Kapitalgesellschaft und deren alleiniger Anteilseigner (eine natürliche Person) jeweils zur Hälfte beteiligt sind, die Ausschüttung aber allein an die Kapitalgesellschaft erfolgt?

Auch wenn unseres Erachtens es eher wahrscheinlich ist, dass der Bundesfinanzhof die Entscheidung seiner erstinstanzlichen Kollegen beim Finanzgericht Münster bestätigen wird, empfiehlt es sich für die Praxis bis dahin vorsorglich darauf zu achten, dass entweder die Satzung eine entsprechende inkongruente Gewinnausschüttung vorsieht oder aber zumindest eine Öffnungsklausel geregelt wurde, wonach mittels entsprechendem Gesellschafterbeschluss eine solche inkongruente Gewinnausschüttung vorgenommen werden darf.

6. Für Gesellschafter einer Personengesellschaft: Keine Klagebefugnis des Gesellschafters

Ausweislich der gesetzlichen Regelung in § 48 Abs. 1 Nummer 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) können gegen Bescheide über die einheitliche und gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nur zur Vertretung der Personengesellschaft berufene Geschäftsführer Klage erheben oder, wenn solche nicht vorhanden sind, Bevollmächtigte im Sinne des Abs. 2 der gesetzlichen Regelung.

Diese Bestimmung ist dahingehend zu verstehen, dass gegen den gesondert und einheitlich ergangenen Gewinnfeststellungsbescheid im Grundsatz nur die Personengesellschaft im eigenen Namen, vertreten durch ihre Geschäftsführer, Klage erheben kann, obwohl sich der Bescheid inhaltlich an die einzelnen Gesellschafter als Inhaltsadressaten richtet.

Vor diesem Hintergrund hat der Bundesfinanzhof mit Beschluss vom 30.12.2003 unter dem Aktenzeichen IV B 21/01 bereits kundgetan, dass in dem Rechtsstreit darüber, ob Aufwendungen der Gesellschaft als Betriebsausgaben anzuerkennen sind, solange das Gesellschaftsverhältnis besteht, der einzelnen Gesellschafter auch dann nicht klagebefugt ist, wenn die Aufwendungen nach Auffassung des Finanzamtes allein diesem Gesellschafter zugutegekommen sind. Auch in solchen Fällen steht die Klagebefugnis vielmehr ausschließlich den zur Vertretung befugten Geschäftsführern in sogenannter Prozessstandschaft für die Gesellschaft zu. Der einzelne Gesellschafter hat dieses Recht hingegen nicht.

Aus alledem folgt nun, dass für die Dauer des Bestehens der Gesellschaft im Ergebnis ein Teil der Klagebefugnis der Gesellschafter auf die Gesellschaft verlagert wird. Den Gesellschaftern selbst steht ein eigenes Klagerecht gegen solche Feststellungsbescheide nur in den Fällen zu, in denen dann die in § 48 FGO normierten Voraussetzungen vorliegen. In diesem Sinne auch der Bundesfinanzhof in einer aktuellen Entscheidung vom 23.01.2020 unter dem Aktenzeichen IV R 48/16.

Bei der in diesem Sachverhalt in Betracht kommenden Regelung in § 48 Abs. 1 Nummer 5 FGO steht einem Gesellschafter die Klagebefugnis zu, wenn es sich im Streitfall um eine Frage handelt, die diesen Gesellschafter persönlich angeht. Diese Voraussetzung ist allerdings nicht bereits dann erfüllt, wenn die gesondert und einheitlich festgestellten Besteuerungsgrundlagen Bedeutung für die Besteuerung des Gesellschafters haben, wie im vorliegenden Fall der Steuerpflichtige argumentiert hatte. Dazu sagt der Bundesfinanzhof: Der Wortlaut der gesetzlichen Regelung würde ein solches Verständnis zwar zulassen, ließe dann aber die bewusste Beschränkung der Klagebefugnis der Gesellschafter durch die eigentliche Regelung in § 48 Abs. 1 Nummer 1 FGO leerlaufen. So würde etwa bei einer typischen Ein-Personen-GmbH & Co. KG immer auch der Kommanditist klagebefugt sein, weil ihm der Gewinn alleine zuzurechnen ist. Daher entspricht es dem Zweck der gesetzlichen Regelung vielmehr, nur die Gesellschaft selbst als klagebefugt zu betrachten, wenn Uneinigkeit über die Qualifikation und/oder die Höhe der gemeinschaftlich erzielten Einkünfte besteht. Kennzeichen der persönlichen Streitfragen ist, dass sie nicht den Bereich der gemeinschaftlichen Einkünfteerzielung, sondern beispielsweise der eigenen Sphäre des Gesellschafters zuzuordnen sind, wie es bei der Frage über das Vorliegen oder die Höhe von Sonderbetriebseinnahmen der Fall ist. In diesem Sinne hat sich der Bundesfinanzhof auch schon mit seiner Entscheidung vom 18.08.2015 unter dem Aktenzeichen I R 42/14 geäußert.

Zusammengefasst kann daher die aktuelle Entscheidung des Bundesfinanzhofs auf folgenden Leitsatz heruntergebrochen werden: Besteht Streit über Grund oder Höhe des in einem Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen festgestellten Gesamthandgewinns einer Personengesellschaft, ist nur die Gesellschaft selbst klagebefugt. Eine Klagebefugnis des Gesellschafters ergibt sich nicht schon daraus, dass ihm der streitige Gewinn alleine zugerechnet wurde.

7. Für Eltern: Zur Übertragung des Freibetrags für den Betreuungs-, Erziehungs- und Ausbildungsbedarf des Kindes

Aufgrund der gesetzlichen Regelung in § 32 Abs. 6 Satz 8 des Einkommensteuergesetzes (EStG) wird bei minderjährigen Kindern der dem Elternteil (in dessen Wohnung das Kind nicht gemeldet ist) zustehende Freibetrag für den Betreuungs-, Erziehungs- und Ausbildungsbedarf auf Antrag des anderen Elternteils auf diese übertragen, wenn die Voraussetzungen für eine Zusammenveranlagung nach § 26 Absatz Einsatz 1 EStG nicht vorliegen.

Allerdings ist eine solche Übertragung des Freibetrages für den Betreuungs-, Erziehungs- und Ausbildungsbedarf eines Kindes nicht immer und generell möglich. § 32 Abs. 6 Satz 9 EStG nennt hier die Spielregeln, wann eine Übertragung nicht möglich ist. Diese scheidet nämlich aus, wenn der Übertragung beispielsweise widersprochen wird, weil der Elternteil, bei dem das Kind nicht gemeldet ist, Kinderbetreuungskosten trägt oder das Kind regelmäßig in einem nicht unwesentlichen Umfang betreut.

Das praktische Problem dabei: Das Merkmal der regelmäßigen Betreuung in einem nicht unwesentlichen Umfang im Sinne dieser Regelung ist im Gesetz nicht näher erläutert oder definiert. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes kann das Merkmal einer regelmäßigen Betreuung insbesondere dann als erfüllt angesehen werden, wenn sich ein minderjähriges Kind entsprechend eines (üblicherweise für einen längeren Zeitraum im Voraus festgelegten) weitgehend gleichmäßigen Betreuungsrhythmus tatsächlich in der vereinbarten Abfolge bei dem Elternteil, bei dem es nicht gemeldet ist, aufhält.

Ob dieses Elternteil sein minderjähriges Kind auch in einem nicht unwesentlichen Umfang betreut, erfordert allerdings eine Gesamtschau unter Würdigung aller objektiven Umstände des Einzelfalles. Die Beurteilung kann hierbei von einer Vielzahl nach Lage des Falls naturgemäß auch unterschiedlich zu gewichtenden Faktoren abhängen. Solche Faktoren sind insbesondere die Häufigkeit und Länge der Kontakte zwischen dem Elternteil und dem Kind. Die Kontakte werden ihrerseits wieder durch das Alter des Kindes und die Distanz zwischen den Wohnorten des Elternpaares beeinflusst. Aus Gründen der Vereinfachung hat der Bundesfinanzhof dabei grundsätzlich keine Bedenken, bei einem zeitlichen Betreuungsanteil von jährlich durchschnittlich 10% im Regelfall das Merkmal einer Betreuung in einem nicht unwesentlichen Umfang als erfüllt anzusehen, wobei weitere Indizien in diesem Fall im Übrigen regelmäßig vernachlässigt werden können.

So lautet der seinerzeitige Leitsatz des Bundesfinanzhofs in seiner Entscheidung vom 08.11.2017 unter dem Aktenzeichen III R 2/16 konkret wie folgt: Der Übertragung des BEA-Freibetrags nach § 32 Abs. 6 Satz 8 EStG auf den anderen Elternteil kann nach § 32 Abs. 6 Satz 9 Alternative 2 EStG der Elternteil, bei dem das minderjährige Kind nicht gemeldet ist, regelmäßig erfolgreich widersprechen, wenn er das Kind nach einem - üblicherweise für einen längeren Zeitraum im Voraus festgelegten - weitgehend gleichmäßigen Betreuungsrhythmus tatsächlich in der vereinbarten Abfolge mit einem zeitlichen Betreuungsanteil von jährlich durchschnittlich 10% betreut.

Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung hat das Niedersächsische Finanzgericht in seiner Entscheidung vom 19.02.2020 unter dem Aktenzeichen 9 K 20/19 die oben bereits dargelegten Kriterien vollumfänglich bestätigt.

Bezogen auf den vorliegenden Einzelfall führen die Richter noch weiter aus, dass bei der 10%-Prüfung auch einzelne Betreuungstage bei der zeitlichen Betrachtung auch dann mitzählen, wenn die Betreuung nicht die vollen 24 Stunden eines Tages umfassen. Dies gilt jedenfalls für den Fall, dass die Betreuungszeit deutlich mehr als 12 Stunden beträgt und über reine Besuchszwecke ebenso deutlich hinausgeht. Im Streitfall ging es dabei um Besuche jeweils an Wochenenden, die samstags um 10:00 Uhr vormittags begannen und bis sonntags 16:00 Uhr gingen.

Selbst wenn der zeitliche Betreuungsanteil die Wesentlichkeitsgrenze von 10% unterschreitet, kann sich aus den Umständen jedoch immer noch ergeben, dass der Betreuungsanteil auch in diesem Fall als nicht unwesentlich anzusehen ist. Auch hier bezieht sich das Niedersächsische Finanzgericht wieder auf den vorliegenden Sachverhalt, in dem eine enorm große Entfernung zwischen den Wohnorten des Kindesvaters und der Kindesmutter gegeben war. Sofern jedoch ansonsten dargelegt werden kann, dass durchaus eine entsprechende Betreuung stattfindet, kann eine Übertragung des Freibetrags auch bei einem Betreuungsanteil von unter 10% infrage kommen.

8. Für Erben: Abzug von vergeblichen Rechtsverfolgungskosten als Nachlassverbindlichkeit

Grundsätzlich sind als Nachlassverbindlichkeiten unter anderem die Kosten abzugsfähig, die dem Erwerber unmittelbar im Zusammenhang mit der Abwicklung, Regelung oder Verteilung des Nachlasses oder mit der Erlangung des Erwerbs entstehen. Kosten für die Verwaltung des Nachlasses sind hingegen nicht abzugsfähig, wie die Regelung in § 10 Abs. 5 Nummer 3 Satz 3 des Erbschaftsteuergesetzes (ErbStG) besagt.

Der Begriff der Nachlassregelungskosten ist dabei grundsätzlich weit auszulegen. Er umfasst unter anderem die Kosten der tatsächlichen und rechtlichen Feststellung des Nachlasses sowie alle Kosten, die aufgewendet werden müssen, um die Erben in den Besitz der ihnen aus der Erbschaft zukommenden Güter zu setzen.

Ein unmittelbarer Zusammenhang mit der Regelung des Nachlasses liegt vor, wenn die Kosten in engem zeitlichem und sachlichem Zusammenhang mit dem Erwerb von Todes wegen und nicht erst durch die spätere Verwaltung des Nachlasses anfallen. Die Abgrenzung zwischen Kosten der Nachlassregelung und Kosten der Nachlassverwaltung richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles.

Ein enger sachlicher Zusammenhang von Prozesskosten mit dem Erwerb ist insbesondere dann gegeben, wenn die Klage eines Erben dazu dient, das Bestehen von dem Nachlass zugehörigen Ansprüchen des Erblassers und damit den Umfang des Nachlasses zu klären. Gleiches gilt für Kosten eines Rechtsstreits, den ein Erbe führt, um die Herausgabe von Nachlassgegenständen durch Dritte zu erwirken. Herrscht Gewissheit über Umfang und Zusammensetzung des Nachlasses und hat der Erbe die Nachlassgegenstände in Besitz genommen, endet der sachliche Zusammenhang mit dem Erwerb. Kosten, die dem Erben in der Folgezeit zum Zwecke der Erhaltung, Mehrung, Nutzung oder Verwertung des Nachlassvermögens entstehen, sind daher keine Nachlassverbindlichkeiten.

Ein enger zeitlicher Zusammenhang von Prozesskosten mit dem Erwerb liegt vor, wenn die Klage unverzüglich nach dem Erbfall, also ohne schuldhaftes Zögern erhoben wurde. Unverzügliches Handeln ist anzunehmen, wenn die Klage innerhalb einer nach den Umständen des Einzelfalls zu bestimmenden angemessenen Prüfungs- und Vorbereitungszeit erhoben wird. Dabei gilt: Je größer der zeitliche Abstand zwischen dem Erbfall und dem Prozessbeginn ist, desto höhere Anforderungen sind an die Darlegung und Glaubhaftmachung der Gründe für die Verzögerung und eines fehlenden Verschuldens des Klägers zu stellen.

Auch die Regelung des § 10 Abs. 6 Satz 1 ErbStG steht dem Abzug von etwaigen Prozesskosten als Nachlassverbindlichkeiten nicht entgegen, wie es vorliegend zumindest zunächst die Auffassung der Finanzverwaltung war. Nach dieser Vorschrift sind Schulden und Lasten nicht abzugsfähig, soweit sie in wirtschaftlichem Zusammenhang mit Vermögensgegenständen stehen, die nicht der Besteuerung nach diesem Gesetz unterliegen. Diese Vorschrift gilt nur für vom Erblasser begründete Schulden und Lasten und ist nicht auf Nachlassregelungskosten anwendbar. Insoweit soll lediglich eine doppelte Steuerminderung durch den grundsätzlich vorzunehmenden Abzug der vom Erblasser herrührenden Schulden und Lasten vermieden werden, wenn diese ausnahmsweise mit steuerbefreiten Vermögensgegenständen wirtschaftlich zusammenhängen.

Demgegenüber umfassen Nachlassregelungskosten Aufwendungen, die der Erwerber des Nachlasses nach dem Erwerb zur Abwicklung, Regelung oder Verteilung des Nachlasses erbracht hat. Dabei kann es sich schon begrifflich nicht um vom Erblasser herrührende Schulden und Lasten handeln, die im Zusammenhang mit steuerbefreiten Vermögensgegenständen stehen. Das gilt selbst dann, wenn Nachlassregelungskosten, wie beispielsweise Prozesskosten, darauf abzielen, an sich steuerbefreite Vermögensgegenstände zum Nachlass zu ziehen. Auch in diesem Fall geht es um die Regelung des gesamten Nachlasses durch den Erwerber.

Vor diesem Hintergrund hat der Bundesfinanzhof in seiner Entscheidung vom 06.11.2019 unter dem Aktenzeichen II R 29/16 klargestellt, dass Kosten eines Zivilprozesses, in dem ein Erbe vermeintlich zum Nachlass gehörende Ansprüche des Erblassers geltend gemacht hat, als Nachlassregelungskosten abzugsfähig sind. Entscheidend ist hier die gesetzliche Regelung in § 10 Abs. 5 Nummer 3 Satz 1 ErbStG. Die Tatsache, dass der Zivilprozess im Endeffekt verloren wurde und es sich somit um vergebliche Rechtsverfolgungskosten handelt und dementsprechend der Nachlass nicht erweitert werden konnte, spielt dabei keine Rolle. Nachlassverbindlichkeiten sind dennoch gegeben.

9. Für alle Steuerpflichtigen: Zur Steuerfreiheit bei der Übertragung des Familienheims

Schenkungen unter Lebenden, mit denen ein Ehegatte dem anderen Ehegatten Eigentum am sogenannten Familienheim verschafft, sind steuerfrei bei der Schenkungsteuer, soweit darin eine Wohnung zu eigenen Wohnzwecken genutzt wird.

Darüber hinaus ist auch der Erwerb von Todes wegen am Familienheim durch den überlebenden Ehegatten oder den überlebenden Lebenspartner steuerfrei, soweit der Erblasser dann darin bis zum Erbfall eine Wohnung zu eigenen Wohnzwecken genutzt hat oder bei der er aus zwingenden Gründen an einer Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken gehindert war und die beim Erwerber unverzüglich zur Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken bestimmt ist.

Die Steuerbefreiung fällt dabei mit Wirkung für die Vergangenheit weg, wenn der Erwerber das Familienheim innerhalb von zehn Jahren nach dem Erwerb nicht mehr zu Wohnzwecken selbst nutzt, es sei denn, er ist aus zwingenden Gründen an einer Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken gehindert.

Darüber hinaus ist der Erwerb von Todes wegen des Familienheims durch Kinder und der Kinder verstorbener Kinder steuerfrei, soweit der Erblasser darin bis zum Erbfall eine Wohnung zu eigenen Wohnzwecken genutzt hat oder aus zwingenden Gründen an der Nutzung gehindert war und diese beim Erwerber unverzüglich zur Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken bestimmt ist und soweit die Wohnfläche der Wohnung 200 m² nicht übersteigt. Auch hier muss die Wohnung im Weiteren noch zehn Jahre zu Wohnzwecken genutzt werden, damit die Steuerbefreiung nicht wegfällt.

Fraglich ist häufig im Zusammenhang mit der Steuerbefreiung, wie denn gegebenenfalls das Arbeitszimmer und ähnliche Räume zu behandeln sind.

Bei der Steuerfreiheit für die Übertragung des Familienheims ist auf die tatsächliche Nutzung der gemeinsamen Wohnung abzustellen, in der sich der Mittelpunkt des familiären Lebens befindet. Nur zur Vollständigkeit sei in diesem Zusammenhang erwähnt: Zweit- und Ferienwohnungen erfüllen dieses Kriterium regelmäßig nicht und sind deshalb nicht begünstigt. Dies ergibt sich unter anderem aus dem Urteil des Bundesfinanzhofs vom 08.07.2013 unter dem Aktenzeichen II R 35/11. Unschädlich ist es hingegen, wenn die Wohnung neben den Eheleuten oder Lebenspartnern beispielsweise von Kindern, Großeltern oder Enkelkindern mitbenutzt wird.

Als begünstigtes Familienheim gelten im Sinne der Regelung alle in § 181 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 des Bewertungsgesetzes (BewG) genannten Grundstücke. Auch die nur teilweise Nutzung zu Wohnzwecken kann begünstigt sein, führt dann aber auch nur zu einer nach dem Wohn-/ Nutzflächenverhältnis berechneten anteiligen Steuerbefreiung. Dieser Grundsatz ergibt sich aus den Verwaltungsanweisungen in Richtlinie 13.3 Abs. 2 Satz 7 der Erbschaftsteuerrichtlinien, wo es expressis verbis heißt: „Die Befreiung ist auf die selbst genutzte Wohnung begrenzt.“ In der Literatur ist dies (soweit ersichtlich) auch nicht umstritten.

Die Verwaltungsanweisung in den Richtlinien geht jedoch an dieser Stelle erfreulicherweise auch noch einen Schritt weiter. So schließt sie auch Garagen, Nebenräume und Nebengebäude ein, die sich auf dem Grundstück befinden und die mit der Wohnung gemeinsam genutzt werden. Weiter wird ausgeführt, dass die Nutzung auch zu anderen Zwecken als Wohnzwecken unschädlich ist, wenn sie von untergeordneter Bedeutung ist. In Klammern nennt die Richtlinie an dieser Stelle als Beispiel die Nutzung eines Arbeitszimmers. Konkreter heißt es dann aber weitergehend auch, dass die unentgeltliche gewerbliche oder freiberufliche Mitbenutzung der Wohnung grundsätzlich unschädlich ist, wenn die Wohnnutzung überwiegt.

Mangels einer konkreten Unterscheidung, ob dies auch für zwingendes Betriebsvermögen (beispielsweise in einem Besitzunternehmen im Rahmen einer Betriebsaufspaltung) gilt, kann man durchaus die Meinung vertreten, dass dies generell auch dann gilt. Voraussetzung scheint insoweit lediglich zu sein, dass es sich um eine unentgeltliche gewerbliche Nutzung handelt. Ausweislich der Verwaltungsmeinung heißt es lediglich weiter: Bei einer entgeltlichen gewerblichen oder freiberuflichen Mitbenutzung der Wohnung ist die Befreiung auf den eigenen Wohnzwecken dienenden Teil der Wohnung begrenzt.

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